Test

Sid Meier's Civilization VII

Von Nico Zurheide am 12.03.2025

Civilization VII markiert den jüngsten Schritt in einer der traditionsreichsten und einflussreichsten Strategiespielereihen der Videospielgeschichte. Mit der Herausforderung, den Spagat zwischen der Bewahrung klassischer Elemente und der Einführung moderner Innovationen zu meistern, bietet der siebte Teil der Serie ein ambitioniertes Erlebnis, das Spieler auf eine Reise von den frühesten Anfängen der Menschheitsgeschichte bis in die Ära der Moderne mitnimmt. Welche Neuerungen es in diesem Teil gibt und ob sich diese gut in das Gameplay einfügen, haben wir für euch getestet.

Was soll das überhaupt sein, Civilization?

Civilization VII basiert auf dem bewährten 4X-Prinzip – Explore, Expand, Exploit, Exterminate – und fordert die Spieler dazu auf, als visionäre Herrscher ihre eigenen Imperien zu gründen und über die Jahrhunderte hinweg zu lenken. Der siebte Teil baut auf den Stärken seiner Vorgänger auf, indem er historische Ankerpunkte und strategische Tiefe miteinander verknüpft, ohne dabei den Anspruch zu verlieren, innovative Mechaniken einzuführen. Die Überarbeitung der Benutzeroberfläche, der dynamische Zeitalter-Mechanismus und die verfeinerten KI-Algorithmen zeigen, dass hier ein modernes, anspruchsvolles Spielerlebnis geschaffen werden soll. Trotz dieser Modernisierungen bleibt der Geist der Serie erhalten – es geht darum, den Lauf der Geschichte aktiv zu gestalten und dabei die zyklische Natur von Aufstieg und Fall ganzer Zivilisationen zu reflektieren.

Ein zentrales Element von Civilization VII ist natürlich die Vielfalt an spielbaren Zivilisationen. Jede Zivilisation verfügt über spezifische Eigenschaften, Boni und kulturelle Eigenheiten, die das Spielerlebnis maßgeblich beeinflussen. So haben manche Nationen einen starken militärischen Fokus, während andere in den Bereichen Wissenschaft oder Kultur glänzen. Diese differenzierte Herangehensweise ermöglicht es den Spielern, ihre Strategien individuell anzupassen und stets neue Taktiken auszuprobieren. Die akribische Detailarbeit bei der Gestaltung der Zivilisationen sorgt nicht nur für einen hohen Wiederspielwert, sondern lässt auch die historischen Hintergründe lebendig werden. Dennoch können die Entwickler auch in diesem Teil nicht verhindern, dass manche Zivilisationen in bestimmten Spielsituationen dominanter erscheinen als andere, was das strategische Gleichgewicht hin und wieder beeinträchtigt.

Langlebige Herrscher, kurzlebige Imperien

Ebenso bedeutend wie die Zivilisationen selbst sind die Führer, die sie repräsentieren. Jeder Anführer ist mehr als nur ein Statussymbol; er verkörpert durch einzigartige Persönlichkeitsmerkmale, spezielle Agenden und individuelle Fähigkeiten (sogenannte Mementos) einen bedeutenden Einflussfaktor im Spielgeschehen. Die Mementos werden nach und nach durchs Spielen oder durch bestimmte Aktionen freigeschaltet. Außerdem verfügt nun jeder Anführer über einen spielübergreifenden Skilltree, aufgeteilt in die Hauptmechaniken des Spiels. So werden Herrscher, mit denen ihr besonders gerne spielt, kontinuierlich stärker. Die charakterliche Tiefe der Führer bringt damit auch frischen Wind in die Diplomatie, denn ihr Verhalten in Verhandlungen, Kriegsführung und kulturellen Auseinandersetzungen verleiht den Interaktionen zwischen den Zivilisationen eine zusätzliche Dimension. Diese Nuancierung ist an sich gelungen, ihre Komplexität kann aber zu unvorhersehbaren und schwer nachvollziehbaren Entscheidungen seitens der KI führen – was das strategische Kalkül gelegentlich erheblich erschwert.

Eine der grundlegendsten Neuerungen in Civilization VII ist das überarbeitete Zeitalterssystem. In früheren Titeln durchliefen die Spieler nach und nach vordefinierte Epochen, die sich nach den technologischen und kulturellen Fortschritten richteten. Technik und Kultur standen also im Zentrum des Spielfortschritts. In Civilization VII hingegen gibt es nur noch drei Zeitalter: die Antike, das Zeitalter der Entdeckungen und die Moderne. Diese Epochen schreiten mit den Runden voran, bei einem Übergang wird das ganze Spiel pausiert und die Spieler müssen sich für eine neue Zivilisation entscheiden, passend zum kommenden Zeitalter. So startet man beispielsweise mit Rom in der Antike, erkundet dann mit Spanien neue Kontinente und beendet das Spiel mit Mexiko im Zeitalter der Moderne - stets mit dem anfangs gewählten Herrscher, der über alle Zeitalter erhalten bleibt. Diese Entwicklung reflektiert den natürlichen, oft unvorhersehbaren Fortschritt von Zivilisationen und fordert die Spieler dazu auf, ihre Strategien kontinuierlich an die sich verändernden globalen Gegebenheiten anzupassen. Auch auf die Eigenschaften, Gebäude und Einheiten der neuen Zivilisation muss man sich erst einmal einstellen. Das neue System führt also durchaus zu mehr Realismus und strategischer Tiefe, der damit einhergehende erhöhte Komplexitätsgrad kann aber eine potenzielle Hürde für Neulinge darstellen.

Ebenfalls überarbeitet wurde der Städtebau. Ihr steuert zwar immer noch euren Siedler an eine geeignete Stelle auf der Karte und lasst ihn dort eine Siedlung errichten, diese ist jedoch noch keine Stadt in eurem Reich. Für einen unterschiedlich hohen Obulus müsst ihr eure Siedlungen erst zu Städten upgraden, sonst lassen sich dort keine Gebäude oder Einheiten bauen, lediglich kaufen. Jedes Gebäude wird nun außerdem eure Städte und Siedlungen vergrößern und auch umliegende Felder für euch einnehmen, sodass ihr mit genügend Kleingeld schnell einen sehr großen Bereich für euch sichern könnt. Ein Feld kann dabei immer zwei Gebäude aufnehmen, diese werden teilweise in späteren Zeitaltern auch mit neuen Gebäuden überbaut. Nach und nach wachsen eure Städte dann visuell zusammen und das große Häusermeer, hier und da mit Wundern und besonderen Distrikten gespickt, sieht im späteren Zeitverlauf schon richtig gut aus. Euch wird damit auch eindrucksvoll vor Augen geführt, dass ihr in den tausenden Jahren eurer Herrschaft stark und mächtig geworden seid.

Modernisierte Tradition

Das Gameplay von Civilization VII baut auf der bewährten 4X-Formel auf, wird jedoch gleich durch mehrere Neuerungen verfeinert. Besonders hervorzuheben ist die umfassende Überarbeitung des Benutzerinterfaces, das den Spielern einen intuitiven Zugang zu den vielfältigen Management- und Entscheidungsprozessen bietet. Das neue Interface besticht durch Klarheit und Übersichtlichkeit und ermöglicht ein flüssiges Navigieren zwischen den verschiedenen Menüs, seien es Stadtverwaltung, technologische Entwicklungen oder diplomatische Beziehungen. Diese visuelle und funktionale Verfeinerung sorgt für eine gesteigerte Immersion und erleichtert es, strategische Entscheidungen in Echtzeit zu treffen. Hier muss allerdings bemängelt werden, dass Funktionen aus früheren Teilen ersatzlos gestrichen wurden, etwa das Mikromanagement der Stadtfelder oder sogar das Umbenennen von Siedlungen und Einheiten. Neben dieser Modernisierung des UI wurde auch das KI-Verhalten etwas verbessert, sodass Gegner nicht mehr nur vorhersehbar agieren, sondern mit einer dynamischen Strategie auf die Aktionen des Spielers reagieren.

Gleichzeitig bleibt der Kern des Spiels – das Erforschen, Erweitern, Ausbeuten und Vernichten – erhalten und wird durch Mechaniken ergänzt, die eine präzise Steuerung der internen Abläufe eines Imperiums erlauben. Diese Detailtiefe ist zwar ein großer Gewinn für strategische Puristen, kann jedoch auch als überwältigend empfunden werden. Insbesondere die kontinuierliche Notwendigkeit, den sich ständig wandelnden globalen Kontext zu analysieren und die eigene Strategie darauf abzustimmen, führt dazu, dass der Schwierigkeitsgrad etwas ansteigt. Die Veränderungen sorgen auch dafür, dass die Verwaltung großer Imperien weniger administrativen Ballast mit sich bringt und der Fokus stärker auf strategischen Entscheidungen legt.

Die grafische Darstellung des Spiels zeigt sich in detaillierten Animationen und einer durchdachten Farbgebung, die das historische Ambiente transportiert und dabei nie langweilig wird. Der gewisse „Schmutz“ und die kompromisslose Ästhetik früherer Civ-Spiele, die, obwohl technisch weniger ausgereift, einen eigenen Charme besaßen, kehren also auch diesmal nicht zurück. Insgesamt bietet Civilization VII trotdem eine beeindruckende visuelle Präsentation, die den Spagat zwischen historischer Tiefe und moderner Benutzerfreundlichkeit gut bewältigt. Vor allem die oben erwähnten wachsenden Städte sind ein Augenschmaus.

Abgrenzung zur Konkurrenz

Im Vergleich zu anderen 4X-Titeln wie Humankind oder Endless Legend sticht Civilization VII vor allem durch seine tiefgreifende historische Simulation und dem langjährigen Erbe der Serie hervor. Während Humankind alternative historische Narrative und Endless Legend eine fantasievollere, lore-getriebene Welt präsentieren, bleibt Civilization VII seinen Wurzeln treu und betont den semi-realistischen Verlauf der Geschichte. Das klassische, rundenbasierte Gameplay, kombiniert mit einem umfangreichen Technologie- und Kultursystem, unterscheidet sich maßgeblich von den teilweise hybriden Ansätzen anderer Titel.

Dennoch kann genau diese Treue zur Tradition als Hemmschuh empfunden werden, da sie dazu führt, dass Civ VII in mancher Hinsicht wenig Neues bietet. Die Herausforderung besteht darin, das Erbe der Serie zu bewahren und gleichzeitig Innovationen einzuführen, ohne die gewohnte strategische Tiefe zu verlieren. Obwohl das Spiel in vielen Bereichen Fortschritte macht, kann es nicht verbergen, dass es als siebter Teil einer etablierten Serie stark auf bewährte Konzepte setzt und dadurch in seiner Originalität nicht vollständig überzeugt.

Gelungene Konsolenadaption

Für Konsolenspieler wurde Civilization VII ebenfalls umfassend optimiert. Die Anpassung an Gamepad-Steuerung und die entsprechende Überarbeitung des Interfaces für Konsolenbedienung sorgen dafür, dass auch ohne Maus und Tastatur ein zufriedenstellendes strategisches Erlebnis geboten wird. Die Entwickler haben großen Wert darauf gelegt, dass das Spiel auf der Xbox flüssig läuft und alle Mechaniken auch über den Controller zugänglich bleiben.

Trotz dieser Bemühungen gibt es weiterhin kleine Unzulänglichkeiten, insbesondere bei der präzisen Steuerung komplexer Verwaltungsaufgaben, die auf dem PC einfach intuitiver von der Hand gehen. Gelegentlich können mikromanagementintensive Aktionen etwas umständlich sein, was zu Frustration führen kann. Darüber hinaus gab es während unseres Tests einen nervigen Anzeigefehler bei den Informationsfenstern der Kacheln, die immer im Vordergrund stehen blieben, auch beim Rundenwechsel. Das sollte sich jedoch mit einem Patch schnell beheben lassen. Die Konsolenversion ist in jedem Fall eine gelungene Adaption, die es auch auf dem Sofa und auf der Switch sogar unterwegs ermöglicht, in die Tiefen der 4X-Strategie einzutauchen.

Fazit:

Civilization VII ist insgesamt ein gutes Spiel, ja. Dennoch ist es auch ein fragwürdiger Schritt in der traditionsreichen Strategie-Reihe, der momentan mehr Frustration als Faszination hervorruft. So lassen sich für jeden positive Aspekt auch negative Kritikpunkte finden. Zwar versucht das Spiel, mit einem modernisierten UI und dynamischen Zeitaltern frischen Wind in die Serie zu bringen, doch viele dieser Änderungen fühlen sich halbgar an. Der historische Tiefgang und die strategische Komplexität bleiben zwar grundsätzlich erhalten, doch sie werden von inkonsistenten Designentscheidungen und einer unausgereiften Balance überschattet. Die steile Lernkurve wird durch das überarbeitete UI nicht abgefedert, sondern oft noch verstärkt, da wichtige Informationen schwer zugänglich sind. Besonders enttäuschend ist der abrupte Zeitalter-Wechsel, der sich nicht organisch anfühlt und den Fortschritt künstlich in starre Phasen zwängt. Dass das Spiel zudem nur bis in die Moderne reicht, verstärkt den Eindruck, dass Civ VII nicht als vollwertiges Produkt, sondern als unfertiges Experiment veröffentlicht wurde.

Am Ende bleibt ein Spiel, das zwar den Geist der Civilization-Reihe atmet, aber nicht das gleiche Maß an Suchtpotenzial oder Feinschliff bietet, das frühere Teile auszeichnete. Statt ein echter Fortschritt zu sein, fühlt sich Civilization VII wie eine überhastete, unausgereifte Evolution an, die ihrer eigenen Ambition nicht gerecht werden kann.

Unsere Wertung:
6.5
Nico Zurheide meint: "Ein ambitionierter, aber unausgereifter Versuch, frischen Wind in die Serie zu bringen."
Sid Meier's Civilization VII von Firaxis erscheint am 11.02.2025 für PC und PlayStation 4 und PlayStation 5 und Nintendo Switch und XBox One und XBox Series. Wir haben die Version für XBox Series getestet. Für diesen Test wurde uns ein Rezensionsexemplar von 2K zur Verfügung gestellt.
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