Test

Tiny Terry's Turbo Trip

Von Robert Emrich am 15.02.2025

Zwischen der Masse der AAA(A)-Produktionen, die uns die Videospielindustrie mit teils millionenschweren Marketingkampagnen ins Gehirn meißelt, gibt es zum Glück immer wieder mutige, kleine Indie-Studios, die uns abseits des etablierten Gameplays mit neuen Ideen in unbekannte Welten entführen. Eines dieser Studios hört auf den Namen “snekflat” und eine dieser Welten ist die kleine Stadt Sprankelwasser, in der der titelgebende Held Terry einen Turbo Trip machen möchte. Was es damit auf sich hat und warum das Abenteuer durchaus den einen oder anderen Blick wert sein könnte, erfahrt ihr hier.

Ab ins All!

Die grundlegende Idee hinter Terry’s Turbo Trip ist schnell und einfach erklärt und ihr erfahrt sie direkt im Intro, während sich Terry auf dem Arbeitsamt wartend, mit seinem Sitznachbarn Grony unterhält: Terry möchte nämlich gerne in den Weltraum und damit in der ganzen Stadt berühmt werden. Um das zu bewerkstelligen, möchte er aber nicht erst jahrelang für eine Raumfahrtbehörde arbeiten, um dann als Astronaut in einer Rakete ins All geschossen zu werden. Ein Auto reicht ihm dafür vollkommen aus. Und auch auf den mit dem Auto eventuell verbundenen Job verzichtet der kleine Charakter mit den asymmetrischen Gesichtszügen sehr gerne. Kritische Leser mit elementaren Physikkenntnissen werden an dieser Stelle vielleicht die eine oder andere fragende Augenbraue hochziehen, aber Terry lässt sich von Kleinigkeiten wie der Schwerkraft nicht beirren und so macht er sich, nachdem er trotz mangelhafter Qualifikation problemlos ein Auto erhalten hat, direkt daran, seinen Traum wahr werden zu lassen.

Die Geschichte mag auf den ersten Blick, selbst bei den lediglich vier bis sechs Stunden Spielzeit, die ihr bis zum Abspann braucht, nicht viel her machen, ist aber das Herzstück des Spiels. Zwischen all den mehr oder weniger albernen Dialogen, die ihr mit den mehr oder weniger albernen Mitbürgern führt, erfahrt ihr auch das eine oder andere über Terrys Hintergründe, bis sich am Ende sogar so etwas wie eine Moral in der Geschichte zeigt. Die wird zwar durch den vielen Unsinn, der sich bis zum Abspann konsequent durchzieht, ein wenig untergraben. Aber tatsächlich macht der Humor einen Großteil des Reizes aus, den das Spiel ausstrahlt und gerade Terry schafft es mit seinem ausdruckslosen Gesicht und seiner plumpen Geradlinigkeit so manchem AAA-Spiel-Protagonisten in Sachen Charme den Rang abzulaufen.

Go, Go, Turbo-Terry!

Tiny Terry’s Turbo Trip hat, entgegen seinem Namen, nur wenig mit Geschwindigkeit, sondern zentral mit dem Sammeln von Gegenständen zu tun, womit ihr es im Genre der Collectathons einordnen könnt. Entwickler snekflat wurde laut eigenen Aussagen von Spielen wie “The Simpsons: Hit & Run” und “Grand Theft Auto” inspiriert und die Einflüsse der Vorbilder sind im Verlauf des Abenteuers immer wieder zu spüren. Nach dem Intro im Arbeitsamt auf die offene Welt losgelassen, könnt ihr euch zu Fuß oder in eurem Auto frei durch die Stadt Sprankelwasser bewegen und Ramsch (ja, so heißt das Zeug, das ihr im Spiel sammeln sollt wirklich) sammeln, den es an allen Ecken und Enden im Spiel zu finden gibt. Zur Hilfe kommt euch dabei eine Weltkarte, die euch noch nicht besuchte Personen und Orte in der kleinen Stadt anzeigt, sowie diverse Ausrüstungsgegenstände, die ihr nach und nach findet und mit denen ihr nicht nur an weiteren Ramsch, sondern auch an Geld kommt, das ihr in weitere Ausrüstung oder diverse Hüte investieren könnt. Außerdem könnt ihr mit eurem Mobiltelefon Grony anrufen, der auch gerne Hinweise zum weiteren Verlauf des Spiels gibt.

Jeweils 150 Ramsch können genutzt werden, um den Turbo eures Gefährts schrittweise zu verbessern und die Fortschrittsanzeige des Spiels ein wenig nach oben zu schrauben, bis ihr bereit für den Trip ins Weltall seid. Wie ihr dann ins All kommt, soll hier nicht verraten werden, sollte euch aber im Verlauf des Spiels schnell klar werden, wenn ihr neue Orte besucht und mit den Einwohnern sprecht. Die bieten euch in der Regel entweder ein paar kurze humorvolle Dialoge oder sogar eine kleine Quest an, bei der ihr zum Beispiel ein paar Autos klauen, Insekten fangen, Schätze ausgraben oder Fußballspiele gewinnen müsst. Die Zahl der verfügbaren Aufgaben ist überschaubar und die meisten bringen euch eine Menge Ramsch ein, weswegen es sich lohnt, so viele wie möglich von ihnen mitzunehmen, um im Spiel voranzukommen. Gezwungen seid ihr aber zu gar nichts, denn Terry kann durch nichts, was er tut oder lässt Schaden nehmen, sterben oder auf andere Weise endgültig scheitern. Diese Freiheit macht das Spiel zu einer sehr entspannten Erfahrung, die dank der überschaubaren Spielzeit auch nicht ins Langweilige abrutscht. Viel Wiederspielwert bietet das Spiel zwar nach dem ersten Abschluss nicht, aber der Weg dahin ist durchweg spaßig und kurzweilig - einen minimalen Sammeltrieb oder ein grundsätzliches Interesse an dem Genre einmal vorausgesetzt.

Es klingt besser als es aussieht

Zugegeben: Als ich das erste mal mit dem Auto durch Sprankelwasser gefahren bin, hätte ich das Spiel beinahe direkt wieder ausgeschaltet. Verwaschene Texturen, flimmernde Kanten und alle möglichen Objekte, die erst viel zu spät dargestellt wurden, erinnerten mich an die Technik der GTA Trilogie, die 2021 für die Switch krachend durchgefallen ist. Und im direkten Vergleich ist die Switch-Version von Terrys Abenteuer tatsächlich ein deutlicher Abstieg zur ohnehin schon schlichten Optik der PC-Version. Aber mit der Zeit und nach einer kurzen Eingewöhnung war die Grafik kein echtes Problem mehr: Zum einen weil das Spiel durchgehend schnell lädt und immer flüssig läuft und zum anderen, weil euch durch die Grafik keine Nachteile entstehen, da Terry nicht verletzt werden oder sterben kann.

Außerdem sollte erwähnt werden, dass sich hinter dem Pseudonym snekflat ein einziger Entwickler verbirgt, der vom Soundtrack abgesehen, das gesamte Spiel im Alleingang entwickelt hat, was zumindest meine Ansprüche ein wenig relativiert. Für die Musik wurde Thomas de Waard verpflichtet, der einen umfassenden Soundtrack komponiert und damit ganze Arbeit erledigt hat. Viele Stadtteile, Dialoge, Aktionen und Ereignisse haben eine jeweils eigene kurze Melodie erhalten und die Abwechslung trägt viel dazu bei, das Gefühl der Kurzweile aufrechtzuerhalten. Gesprochene Dialoge bietet das Spiel nur in der Phantasiesprache Sprankelwassers. Dafür wurden alle Texte aber sauber übersetzt. Die Steuerung funktioniert ebenfalls tadellos.

Fazit:

Tiny Terry’s Turbo Trip ist eine spaßige kleine Angelegenheit, bei der man immer wieder spürt, dass die Entwicklung für ihren Schöpfer eine Herzensangelegenheit war. Die Stadt und ihre Bewohner bestechen durch ihr humorvolles Design und es macht Spaß, einfach ein paar Stunden durch Sprankelwasser zu ziehen, um Ramsch zu sammeln, oder den NPCs bei ihren teils skurrilen Problemen beizustehen. Dass die Grafik beim Port einige Abstriche hinnehmen musste ist natürlich schade und bei der kurzen Spieldauer von vier bis sechs Stunden sind die aktuell geforderten 20 Euro für den Titel unter Umständen ein wenig fragwürdig. Doch für Fans von Collectathons, die Lust auf ein etwas ungewöhnlicheres Abenteuer haben und sich beim Spielen gerne entspannen möchten, ist der Turbo Trip auf jeden Fall einen Blick wert.

Unsere Wertung:
7.5
Robert Emrich meint: "Humorvoll, kurzweilig und entspannt. Kann man gut spielen, selbst wenn man kein Terry ist."
Tiny Terry's Turbo Trip von snekflat erscheint am 13.02.2025 für PC und PlayStation 5 und Nintendo Switch. Wir haben die Version für Nintendo Switch getestet. Für diesen Test wurde uns ein Rezensionsexemplar von Super Rare Games zur Verfügung gestellt.
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1 Kommentar:
michi1894)
michi1894
Am 17.02. um 12:43
Den Gag mit Terry habe ich jetzt erst gelesen. Gefällt mir.
2null3)
2null3
Am 20.02. um 20:55
Danke :D