Test

Sniper Elite: Resistance

Von Robert Emrich am 01.02.2025

Zweieinhalb Jahre sind seit dem letzten Teil der “Sniper Elite”- Serie vergangen, in dem ihr an der Seite des Charakters Karl Fairburne die Normandie für den anstehenden D-Day gesichert, eine geheime Wunderwaffe der Nazis vernichtet und nebenbei jede Menge Truppen der Wehrmacht dezimiert habt. Jetzt ist mit Sniper Elite: Resistance ein Spin-Off zur regulären Serie erschienen, in dem euch Entwickler Rebellion auf weitere Abenteuer schickt. Wie sich das spielt und worin sich der Ableger von den anderen Spielen unterscheidet, erfahrt ihr hier.

Vieles wird anders und bleibt trotzdem gleich

Im neuesten Sniper-Abenteuer begleitet ihr dieses Mal nicht mehr Karl Fairburne, sondern seinen Bekannten, Harry Hawker. Einen pausbackigen Elite-Scharfschützen, der es irgendwie schafft, die Optik eines 17jährigen mit der Stimme eines rauchenden Rentners unter einen Hut zu bekommen. Mit dem Auftrag der Aufklärung und Sabotage der deutschen Truppen in Frankreich betraut, fallen uns während einer Mission erste Informationen zu einem neuen Geheimprojekt der Nazis in die Hände. Denn wie sich zeigt, sind Hitlers Wissenschaftler trotz unserer in den vorherigen Teilen geglückten Missionen noch immer nicht unterzukriegen und wollen mit einer neuen Wunderwaffe namens “kleine Blume” den weiteren Kriegsverlauf zugunsten der Achsenmächte entscheidend ändern. Dass wir da nicht einfach nur zusehen können, ist Ehrensache und so macht sich unser Scharfschütze auf den Weg, um die Schurken aufzuhalten und die Welt ein wenig sicherer zu machen.

Wer die Einleitung des Tests noch im Gedächtnis hat, wird an dieser Stelle vielleicht aufmerken, da sich die Beschreibung der Geschichte nur minimal von der des Vorgängers unterscheidet. Ort, Zeit und die grundlegende Handlung sind in beiden Spielen weitestgehend identisch. Nur die Namen und Gesichter der an der Handlung beteiligten Charaktere und Wunderwaffen wurden ausgetauscht und in neue Level verfrachtet, sodass sich Resistance oft wie eine Mischung aus einem DLC und einem Déjà Vu anfühlt: Alles sieht anders aus und war doch irgendwie schon einmal da. Besonders schade dabei ist, dass auch die Charaktere nicht dabei helfen, der Geschichte einen bleibenderen Eindruck zu verschaffen. Harry, der auch mitten im Spiel gerne mal einen selbstironischen Spruch auf den Lippen hat, hat zwar durchaus Potential, doch sowohl seine Verbündeten als auch die bösen Obernazis hinterlassen so wenig Eindruck, dass alle Interaktionen mit ihnen allein durch die Vorgaben des Spiels motiviert sind. Das ist zwar grundsätzlich nicht schlimm, da die Handlung auch in vorherigen “Sniper Elite”-Spielen weitestgehend vorhersehbar war, hier hätte es aber ein gutes Mittel sein können, um dem Spin-Off doch noch ein Alleinstellungsmerkmal zu verpassen.

Same procedure as every part

Auch in Sachen Gamedesign macht Resistance keine Experimente und bedient sich stattdessen der etablierten Mechaniken des Vorgängers: Nach einem kurzen Briefing, das euren nächsten Auftrag erläutert, werdet ihr in einer sicheren Ecke des neuen Levels abgesetzt und habt von da an bei der Erfüllung der Haupt- und optionalen Nebenmissionen freie Hand. Die bekannten und sehr gut umgesetzten Sniper-Mechaniken, mit denen ihr Gegner über hunderte von Metern erledigen könnt, sind natürlich die bekannte erste Wahl. Und auch die berühmte Kill-Cam, die die Flugbahn der Kugel in Zeitlupe verfolgt und in einer Röntgenansicht detailliert den Schaden darstellt, den das Projektil im Körper des Gegners anrichtet, ist wieder mit dabei. Doch natürlich enthält Harrys Arsenal, ganz so wie das von Karl auch wieder die üblichen Fallen und andere Spielereien, mit denen ihr Feinde indirekt oder schleichend im Nahkampf besiegen könnt.

Freunde eines pazifistischeren Spielansatzes können bei allen Waffen wie schon im Vorgänger Betäubungsgeschosse ausrüsten, mit denen ihr Gegner dauerhaft ausknockt, bis sie von anderen NPCs gefunden und aufgeweckt werden. Da diese Art der Missions-Bewältigung einiges mehr an Arbeit und Umsicht erfordert, belohnt euch das Spiel bei der Abrechnung am Ende jedes Levels für jeden noch schlafenden Gegner mit Bonus-Erfahrung, was wiederum einen schnellen Level-Aufstieg und damit mehr Skillpunkte für den aus dem fünften Teil bekannten Talentbaum bedeutet. Doch auch mit dem regulären tödlichen Spielstil solltet ihr keine Probleme mit dem Erhalt von Erfahrung haben, nicht zuletzt dank der optionalen Nebenmissionen, von denen es in allen regulären Gebieten (also in allen außer dem Start- und Endlevel), jeweils zwei gibt. Oft liegt mindestens eine der Missionen auf dem Weg zu einem Abschnitt der Hauptaufgabe, doch auch weiter abseits liegende Questbereiche sind auf den Karten, die im Durchschnitt etwa 700 Meter Durchmesser haben, vergleichsweise schnell erreicht. Zumindest theoretisch, denn in allen Bereichen der Karten tummeln sich Vertreter der Wehrmacht oder der Gestapo, die erst einmal umgangen oder beseitigt werden müssen, ehe ihr euch in den Bereichen auf die Suche nach dem für die Mission benötigten Objekt machen könnt. Das ist zeitweise gar nicht so leicht zu finden und oft war es während unseres Tests einfacher und praktischer, den Level erst einmal soweit wie möglich zu entvölkern (oder je nach Laune auch schlafen zu legen), ehe wir uns ungestört auf die Suche gemacht haben. So verbringt ihr in den acht Gebieten der Handlung jeweils etwa zwei bis drei Stunden (die finale neunte Mission dauert nur ein paar Minuten) und solltet den Abspann nach spätestens 20 Stunden über den Bildschirm rollen sehen. Rebellion hat dem Titel aber natürlich wieder die bekannten Online-Spielmodi mitgegeben, mit denen ihr kooperativ oder gegeneinander auf die Jagd gehen könnt. Und auch der optional aktivierbare Invasions-Modus aus dem fünften Teil ist wieder mit dabei, mit dem ihr andere Spieler in der Rolle eines Nazi-Snipers in deren Haupthandlung besuchen und jagen könnt. Außerdem bietet euch das Spiel noch eine Reihe von Propaganda-Missionen, in denen ihr in der Rolle der Kämpfer des lokalen Widerstands in mehreren Leveln Aufgaben gegen die Zeit absolvieren müsst. In Sachen Umfang lässt der neue Ableger der Reihe dementsprechend kaum Wünsche offen.

Spaß ist, was ihr daraus macht

Der zuvor erwähnte Mangel an Neuerungen ist ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite bietet euch Sniper Elite: Resistance genau das, was der Titel verspricht: Einen gewohnt guten Stealth-Shooter mit Sandbox-Elementen, der den Fokus auf die Eliminierung von Gegnern über große Entfernungen legt. Dass das Spiel dabei nicht ganz an die Spieltiefe anderer Sandbox-Titel, wie die jüngsten Zelda-Spiele oder die Hitman-Serie herankommt, ist nicht schlimm. Denn für einen Shooter ist die Menge der Optionen, die euch zur Verfügung stehen, durchaus beachtlich und die großen Level stellen euch die perfekten Spielwiesen zur Verfügung und wurden erneut mit viel Liebe und Sorgfalt gestaltet, sodass sie guten Gewissens erneut als die wahren Stars des Spiels bezeichnet werden können. Und zugegeben: Bei einem Spielprinzip, das sich im Prinzip in einem Satz zusammenfassen lässt, gibt es nur eine begrenzte Zahl an Möglichkeiten, um frischen Wind in ein Spiel zu bringen, ohne der eigentlichen Idee, den Wind aus den Segeln zu nehmen. Dennoch wirkt der Mangel an neuen Ideen wie ein Stillstand innerhalb der Serie und Rebellion sollte sich für kommende Nachfolger unbedingt neue spannende Ideen überlegen, damit die Reihe spaßig bleibt und weitere Teile nicht als vorhersehbarer Aufguss abgekanzelt werden.

Zielt und trifft

Technisch läuft Sniper Elite: Resistance ohne größere Probleme, während riesig wirkende Level euch großartige Ausblicke bieten und dabei mit atmosphärischen Effekten nur so um sich werfen. Die Möglichkeit, Gegner im Vorfeld erkennen zu können, ist bei einem Spiel wie Resistance natürlich extrem wichtig und funktioniert auch im aktuellen Teil wieder ohne Probleme. Die Steuerung geht einfach von der Hand und funktioniert präzise und reaktionsschnell, egal ob ihr nun Gegner direkt angreift, oder sie über 400 Meter Entfernung mit dem Zielfernrohr anpeilt. Auch bei der Synchronisation ist alles super und es macht Spaß hin und wieder inne zu halten und den feindlichen Soldaten bei ihren Gesprächen über alltägliche Themen zuzuhören. Der Soundtrack ist wie bei den Vorgängern ein Thema für sich, da er die meiste Zeit über unauffällig im Hintergrund bleibt, hin und wieder aber, zum Beispiel bei offenen Kämpfen, der Atmosphäre zuliebe in den Vordergrund rückt und da dann auch bleibt, bis der Kampf, auf welche Art auch immer, beendet wurde. Leider versäumen die Gegner es stellenweise sich abzuregen und einen Kampf zu beenden, was dazu führen kann, dass ihr einem Kampf aus dem Weg geht und dann solange die gleiche Kampf-Musikschleife hört, bis ihr euch auf den Weg macht, um die zuvor verschonten Gegner doch umzubringen. Einfach nur damit Ruhe ist. Grundsätzlich kamen Vorfälle dieser Art aber nur sehr vereinzelt vor und davon abgesehen läuft das Spiel so gut und sauber, wie man es von den Vertretern der Reihe gewohnt ist.

Fazit:

Mit Sniper Elite: Resistance hat Rebellion ein Spin-Off geschaffen, das der spielerischen Qualität der Hauptserie in nichts nachsteht und den “Sniper Elite”-Fans neue Inhalte bietet, in denen ihr euch wie gewohnt austoben könnt. Die Formulierung “wie gewohnt” ist dabei auch das einzig wahre Problem des Titels, denn weder die Handlung, noch das Gameplay bieten irgendeine Art von Innovation, sodass sich Harrys erstes Abenteuer eher wie ein DLC für den tollen fünften Teil der Hauptreihe, als ein eigenständiges Spiel anfühlt. Was schade ist, da man Harry mit Leichtigkeit zumindest in ein anderes Land oder in eine andere Zeit des Krieges hätte stecken können, um einen Hauch von Individualität in den Titel zu bringen. Und auch die leider recht eindimensionalen Nebencharaktere hätte man mit ein paar Zeilen mehr Text interessanter gestalten können, damit sie mehr als nur einen flüchtigen Eindruck hinterlassen. So ist die Handlung leider nur schmuckloses Beiwerk, wobei man bedenken sollte, dass sich auch die anderen Spiele nur bedingt durch ihre Geschichten hervorgetan haben. An allen anderen Fronten gibt es aber nichts zu meckern. Die Level sind wieder einmal großartig geworden und das Kampfsystem ist, wenn auch frei von neuen Ideen, wieder genauso sauber umgesetzt, wie man es vom letzten Teil kennt. Dazu spendiert Rebellion neben der Kampagne wieder allerlei zusätzliche Spielmodi, mit denen ihr das Spiel alleine oder mit Freunden immer wieder ausgraben und Spaß haben könnt. Wer also  Stealth-Shooter im Allgemeinen mag, mit dem Gameplay der bisherigen Teile glücklich war oder nach Sniper Elite 5 immer noch mehr neue Level (in Frankreich) sehen wollte, kann dementsprechend wie gewohnt bedenkenlos zugreifen.

Unsere Wertung:
7.5
Robert Emrich meint: "Gutes Spin-Off, dem nur ein paar eigene Ideen fehlen."
Sniper Elite: Resistance von Rebellion, Wushu Studios erscheint am 28.01.2025 für PC und PlayStation 4 und PlayStation 5 und XBox One und XBox Series. Wir haben die Version für XBox Series getestet. Für diesen Test wurde uns ein Rezensionsexemplar von Rebellion, Fireshine Games zur Verfügung gestellt.
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