Story

Preview: Path of Exile II

Von Andreas Held am 13.01.2025

Kritik an der Spieleindustrie gibt es immer wieder, doch kaum jemand hat seinen Worten so starke Taten folgen lassen wie eine kleine Gruppe von Action-RPG-Enthusiasten aus Neuseeland. Viele Jahre nach dem Release von Diablo II, als von Diablo III noch nichts zu hören war, beschlossen sie kurzerhand, einfach ihr eigenes Spiel zu entwickeln. Nachdem das Projekt mehrere Jahre lang als Alpha- und später als Beta-Version erhältlich war, erschien im Oktober 2013 die Version 1.0 von Path of Exile unter anderem auf Steam - als Free-to-Play-Titel, der durch "ethische Mikrotransaktionen" (sprich: Keine Loot-Boxen und kein Pay-2-Win) finanziert werden sollte. Das Konzept ging voll auf, und über elf Jahre später wird Path of Exile immer noch aktiv gespielt und mit großen Updates versorgt. Tatsächlich stellte das Action-RPG seinen Spielerrekord auf Steam, mit über 220.000 gleichzeitig eingeloggten Nutzern, im Juli 2024 auf.

Die Fortsetzung Path of Exile II war zunächst als großes Add-On geplant, erschien nun jedoch nach kurzfristigen Verschiebungen am 06. Dezember 2024 als eigenständiges Spiel in einer Early-Access-Phase, die mindestens sechs Monate dauern soll. Wer den Titel schon heute spielen möchte, muss in den USA $30 auf den Tisch legen - oder 27,75€ in Europa, da Grinding Gear Games den Preis freundlicherweise an den Euro-Kurs angepasst hat. Das offizielle Release wird dann, wie bereits der Vorgänger, kostenlos erhältlich sein. Zusammen mit dem Early-Access-Zugang erhaltet ihr übrigens 300 Punkte, die ihr zum Kauf von Mikrotransaktionen einsetzen könnt. Diese 300 Punkte allein würden euch im Ingame-Store 27,75€ kosten, sodass ihr durch den Kauf des Early-Access-Keys nicht zwingend einen finanziellen Nachteil habt.

Sir... just what are we facing here?

Die Story von Path of Exile 2 ist eher unwichtig und beschränkt sich deshalb größtenteils auf kurze, aber immerhin vertonte Textboxen, die eurem Handeln etwas Kontext geben. Zu Beginn des Spiels wählen wir einen von sechs Charakteren, um unsere Chrakterklasse festzulegen, und entkommen einer Hinrichtung. Schnell erfahren wir, dass unsere Figur nicht unbedingt kriminell ist, da diese Exekutionen offenbar ständig und völlig willkürlich durchgeführt werden. Gegen Ende des ersten Aktes stellt sich dann heraus, dass die vielen anfallenden Leichen verfüttert werden, um einen alten Bekannten aus dem direkten Vorgänger wiederzubeleben - und wir starten eine Weltreise, um genau dies zu verhindern. In der aktuellen Early-Access-Version gibt es sechs Basis-Charakterklassen, 12 Spezialisierungsklassen und die Kampagne besteht aus drei Akten. Bis zum offiziellen Release soll der Umfang auf 12 Basisklassen, 36 Spezialisierungen und sechs Akte erweitert werden.

Die Kampagne beginnt mit einem sehr starken ersten Akt, der etwa fünf Stunden dauert und ganze 14 Bosskämpfe umfasst. Die Spielzeit der beiden folgenden Akte ist jeweils mehr als doppelt so lang, was aber leider nur daran liegt, dass diese durch gigantische Gebietskarten aufgebläht werden. Die anspruchsvollen Bosskämpfe, die das klare spielerische Highlight der Kampagne darstellen, werden somit zu einer Seltenheit. Noch weiter aufgebläht wird das Spiel durch die Tatsache, dass wir die komplette Kampagne nach dem dritten Akt noch ein zweites Mal durchspielen müssen, sodass wir insgesamt auf eine Spielzeit von etwa 50-60 Stunden kommen.

Wahrscheinlich werden sich dieses Probleme zumindest zum Teil von selbst lösen, sobald Grinding Gear Games die fehlenden drei Akte nachreicht, die dann den aktuell notwendigen zweiten Spieldurchlauf ersetzen werden. Im Idealfall schaffen es die Entwickler, die späteren Kapitel zu entschlacken und auf das Niveau des ersten Aktes zu heben - in diesem Fall hätte Path of Exile 2 dann eine mindestens 30 Stunden lange Kampagne, die mit Abstand das beste wäre, was dieses Genre jemals hervorgebracht hat. Da Path of Exile 2 auf mehrere Spieldurchläufe ausgelegt ist, wäre dieser Umfang mehr als nur ausreichend - zumal ihr die meiste Zeit ohnehin im umfangreichen Endgame des Action-RPGs verbringen werdet.

Stay light, stay alive!

Nach dem Abschluss der Kampagne bespielt ihr den sogenannten Atlas, eine offenbar endlos große Weltkarte, die in etwa einer modernen Version der Karte aus Super Mario Bros. 3 entspricht. Am Anfang habt ihr lediglich Zugriff auf die Gebiete direkt neben eurem Hauptquartier. Um diese zu bespielen, braucht ihr einen sogenannten Waystone - ein Item, das ihr als Loot von besiegten Monstern erhalten könnt und dessen Rang bestimmt, wie stark die Gegner im nächsten Gebiet sein werden. Setzt ihr diesen ein, werdet ihr auf eine zufallsgenerierte Karte teleportiert, auf der neben den üblichen Monsterschwärmen auch ein paar besonders starke "seltene" Monster herumlaufen. Eure Hauptaufgabe ist es, alle seltenen Monster zu besiegen, sodass ihr anschließend in die benachbarten Gebiete vorrücken könnt. Darüber hinaus findet ihr auf den Karten auch Besonderheiten wie spezielle Schatzkisten oder stärkere Versionen der Bosse aus der Kampagne, die deutlich schwieriger sind als das normale Gameplay.

Bereits kurz nach seinem Release war Path of Exile 2 berüchtigt für seinen Schwierigkeitsgrad und insbesondere die hohen Strafen, die im Endgame für ein Ableben der Spielfigur verhängt werden. Stirbt euer Charakter, verliert ihr nicht nur sämtlichen Fortschritt auf der aktuellen Karte, sondern auch euren Waystone und obendrein 10% der Erfahrungspunkte, die zum nächsten Stufenaufstieg benötigt werden. Das wird vor allem auf höherstufigen Karten haarig, da viele Gegner und insbesondere die Bosse selbst gut trainierte Charaktere mit einem Schlag umhauen können.

Wenn ihr wissen wollt, wie die Reaktion der Community auf diese drakonischen Spielmechaniken ausgesehen hat, dann stellt euch am besten ein Kleinkind vor, dem gerade sein Eis heruntergefallen ist. Trotzdem hält sich Grinding Gear Games mit Vereinfachungen noch eher zurück. In einem langen Interview äußerte sich Jonathan Rogers, der Director des Spiels, zu der Thematik und sagte, dass es aus seiner Sicht zu einem Videospiel dazugehören müsse, dass man auch scheitern kann. Ob und wie weit das Team hinter Path of Exile II von dieser altmodischen Ansicht abweichen muss, um den kommerziellen Erfolg des Spiels zu gewährleisten, wird sich wohl erst mit der Zeit zeigen.

An unexpected disconnection has occured.

Abschließend möchten wir noch lobend erwähnen, dass Path of Exile II bereits in seiner Early-Access-Version deutlich besser funktioniert als so mancher AAA-Titel, den uns große Publisher in letzter Zeit als fertiges Spiel präsentiert haben. Natürlich gibt es einige Bugs - besonders ärgerlich sind die Netzwerkprobleme, durch die wir beim Versuch, mit einem Portal zu unserer aktuellen Basis zurückzukehren, fast immer einen Verbindungsabbruch in Kauf nehmen und uns neu einloggen müssen. Lediglich nachts oder am frühen Morgen, wenn weniger Spieler online sind, bleibt die Netzwerkverbindung meist stabil.

Somit bleibt die abschließenden Frage: Lohnt es sich, bereits zum jetzigen Zeitpunkt in Path of Exile II einzusteigen? Einen zwingenden Grund dafür gibt es nicht wirklich, sofern ihr nicht heiß darauf seid, die aktuell knallharten Spielmechaniken kennenzulernen, bevor das Spiel im Lauf seiner Early-Access-Phase dann fast unweigerlich vereinfacht wird. Falls ihr zu der Mehrheit gehört, die sich ein entspannteres Spielerlebnis wünscht, könnt ihr aber getrost auf den Release der Free-to-Play-Version warten. Diese wird schon allein aufgrund des Vorhandenseins der zweiten Hälfte der Kampagne eine deutliche Verbesserung zum jetzigen Stand des Spiels darstellen.

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