Silent Hill 2 Remake
Ein Remake in Ehren kann keiner verwehren, oder doch?
Von 1999 bis 2003 lieferte Konami mit der ursprünglichen Silent-Hill-Trilogie drei der besten psychologischen Horrorspiele aller Zeiten ab und prägte zusammen mit den Resident-Evil-Games von Capcom das Horror-Genre nachhaltig. Jetzt steht ein Remake des zweiten Teils in den Läden, nicht von Team Silent, sondern vom polnischen Entwicklerstudio Bloober Team, das mit Spielen wie Observer, The Medium oder Blair Witch zwar viele ordentliche, aber mitnichten herausragende Spiele in seinem Portfolio hat. Ist ihnen das Remake von Silent Hill 2 geglückt? Wir haben uns auf den stillen Hügel gewagt, um euch genau das zu verraten.
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„Ich bin jetzt allein an unserem besonderen Ort ... und warte auf dich“, schreibt Mary Sunderland in einem Brief an ihren Ehemann James – nur ist Mary bereits seit drei Jahren tot. Was hat es also mit der rätselhaften Botschaft auf sich? Kann sie tatsächlich von Mary stammen oder versucht jemand anders, mit den Emotionen des depressiven James zu spielen und ihn hinters Licht zu führen? Um das Rätsel zu lösen, reist James nach Silent Hill, einer kleinen Ortschaft im Nordosten der USA und macht sich auf die Suche nach seiner Frau.
Noch ehe er die Kleinstadt erreicht, ist aber klar, dass dort etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Auf einem nahegelegenen Friedhof warnt eine junge Frau James davor, weiterzugehen. Das ehemals beschauliche Silent Hill ist ganz von dichtem Nebel verschlungen und menschenleer. Zu allem Überfluss tauchen auch noch widerliche Kreaturen auf, die James nach dem Leben trachten. Immerhin stößt James auf eine Frau, die Mary zum Verwechseln ähnlich sieht und auf weitere Hinweise, dass Mary tatsächlich in Silent Hill sein könnte.
Im Prinzip lässt sich die ziemlich verworrene Story von Silent Hill auf diese wenigen Zeilen reduzieren, das zu tun wäre allerdings nicht fair. Letztlich geht es in dem Spiel nämlich nicht nur um James‘ Suche nach seiner Frau, sondern um seinen maroden Geisteszustand; um den Verlust geliebter Personen, Gewissensbisse und eine ganze Handvoll noch unschönerer Themen wie etwa sexuelle Gewalt, Missbrauch und Suizidgedanken, wobei Silent Hill viel mit Symbolik arbeitet und manche Fragen, die im Laufe des Spiels aufkommen können, ganz bewusst unbeantwortet lässt. All das ist verpackt in einer Erkundungsreise durch neblige Häuserschluchten und allerlei verlassene Häuser, sowie die berühmtberüchtigte Parallelwelt von Silent Hill, in der die uns bekannte Realität einer Welt aus rostigem Metall, in Blut getränkten Leinentüchern und nässendem Fleisch weicht.
Atmosphärisch top
Die Beschreibung der Umgebungen deutet es schon an: Atmosphäre ist in Silent Hill Trumpf. Der Nebel im Original-Spiel war nicht nur den technischen Limitierungen der damaligen Hardware zu verdanken, sondern eine Designentscheidung, die stets für eine bedrückende, unheimliche Atmosphäre sorgte. Im Remake ist das nicht anders. Besser noch, Bloober Team legt in Sachen World-Building überall noch eine Schippe drauf. Manche Fans waren besorgt um die Atmosphäre des Spiels. Die 2012 erschienene Silent-Hill-HD-Collection wurde kritisiert, weil der Nebel nicht mehr so dicht war wie im Original. Diese Sorge kann aber ad acta gelegt werden, denn hier ist das definitiv nicht der Fall. Die dunstigen Schwaden sind so dicht und zugleich realistisch, dass man das Gefühl hat, die Feuchtigkeit in der Luft regelrecht spüren zu können. Auch die super detailliert ausgearbeiteten, zerfallenen Umgebungen tragen ihren Teil dazu bei, dass Silent Hill 2 Spieler tief in seinen Bann zieht und eine ungemein nervenaufreibende Spannung erzeugt, bei der nur ganz wenige andere Spiele wie etwa Dead Space mithalten können.
Systemübergreifend gehört Silent Hill 2 optisch zum Besten, was moderne Games zu bieten haben. Während das erste Gebiet in einem kurzen Waldstück seltsamerweise noch ein wenig an die PS4-Ära erinnert, zeigt die Unreal Engine 5 spätestens beim Erreichen der Ortschaft Silent Hill, was sie auf dem Kasten hat und speziell die Innenräume verschiedener Wohnungen, Bars, Läden und eines Krankenhauses strotzen nur so vor feinsten Details. Die Parallelwelt ist analog dazu mit das Widerwärtigste, was es in Spielen zu sehen gibt - hier im positiven Sinne. Dabei ist es auch unerheblich, ob im Qualitäts- oder Performance-Modus (entweder mit 30 FPS aber besseren Licht- und Spiegeleffekten oder mit 60 FPS) gespielt wird.
Ähnliches gilt auch für die akustische Präsentation des Spiels. Die neuen Synchronsprecher machen einen fantastischen Job und die Soundeffekte und Hintergrundmusik von Serien-Veteran Akira Yamaoka passen wunderbar zum bedrückenden Setting.
Wenn es an der Präsentation etwas zu kritisieren gibt, dann (fast) nur Kleinigkeiten: James kann etwa Schubladen und Schranktüren öffnen, es gibt dafür aber keine gesonderte Charakteranimation. Das heißt, die Möbelstücke öffnen sich einfach wie von Geisterhand. Hin und wieder kann es auch zu vereinzelten Framedrops oder Screen-Tearing kommen. Das passiert allerdings nicht häufig und ist daher wirklich Meckern auf hohem Niveau. Das Fehlen einer deutschen Synchro könnte für den ein oder anderen Spieler dagegen schon eher relevant sein. Die Lokalisierung zeigt sich hierzulande leider nur in Form deutscher Untertitel und Bildschirmtexte.
Altbewährtes sinnvoll erweitert
Manche Fans sorgten sich vor dem Release nicht nur um die Atmosphäre des Spiels, sondern auch um die Kämpfe. Trailer deuteten mehr Action an. Dem Spiel wurde ein neues Kamerasystem spendiert und James kann neuerdings gegnerischen Attacken ausweichen. Kritische Stimmen fürchteten, James würde dadurch zu sehr den schießwütigen Soldaten anderer Horrorspiele gleichen, auch hier können wir aber Entwarnung geben. James ist noch immer kein Actionheld. Im Gegenteil. Zwar fühlen sich seine Angriffe auf sehr gute Art und Weise wuchtig an, aber nicht immer zielgerichtet. Die hektischen, wilden Animationen und seine keuchenden Atemzüge unterstreichen die Panik, die in James aufkommt, wenn ihn die wandelnden Fleischbündel, modrige Krankenschwestern und andere entstellte Kreaturen angreifen. Durch die Ausweichbewegung ist James zwar agiler, aber speziell in engen Räumen oder bei höherem Gegneraufkommen ist sie dennoch nur bedingt hilfreich.
Eine bessere Hilfe ist das aus dem Original bekannte Radio, das in der Gegenwart von Feinden zu rauschen beginnt und so frühzeitig vor Gefahren warnt. Abseits der Kämpfe ist es praktisch, dass James auf seiner Karte nach wie vor besuchte Räume abhakt oder besondere Gegenstände hervorhebt. Gespeichert wird derweil noch immer an rot leuchtenden Zetteln. Grundsätzlich gilt: Was es im Original zu finden gab, ist auch hier in gleicher oder zumindest ähnlicher Form vorhanden, Bloober Team hat die Inhalte von anno 2001 jedoch mit etlichen neuen erweitert, wodurch Silent Hill 2 etliche Stunden mehr Spielzeit bietet. Manche Türen, die ehemals verschlossen waren, lassen sich jetzt öffnen; neue Gebiete lassen sich erkunden. Aus den sechs verschiedenen Enden wurden acht. Einige Rätsel wurden zudem überarbeitet. Konnte man das Original noch in unter 10 Stunden durchspielen, werden die meisten Spieler für das Remake nun 15 oder mehr Stunden brauchen, und nach dem Abspann wartet wieder ein New Game+ Modus, bei dem James gleich zu Beginn mit einer Kettensäge ausgerüstet wird.
Fazit:
Silent Hill 2 ist als Remake mindestens auf dem Niveau der Neuauflagen von Dead Space und Resident Evil 2 bis 4. Die Entwickler haben sich hier aber noch mehr Mühe gegeben, um dem Original treu zu bleiben und gleichzeitig Neues zu bieten. Silent Hill 2 ist dank der Unreal Engine 5 zudem das technisch beeindruckendste Remake. Ein paar kleinere Makel sind vorhanden, insgesamt hat Bloober Team aber überragend gute Arbeit geleistet und wer mit dem Psycho-Horror-Genre etwas anfangen kann, macht mit einem Kauf dieses Remakes ganz sicher nichts verkehrt.