Romancing SaGa 2: Revenge of the Seven
Squaresoft hat sich auf dem SNES mit seinem JRPG-Portfolio einen Namen gemacht: Final Fantasy IV bis VI, Chrono Trigger oder Secret of Mana setzten neue Maßstäbe und entwickelten das Genre nachhaltig weiter. Im Westen deutlich weniger bekannt ist Romancing SaGa, das trotz solider Verkaufszahlen in Japan erst sehr viel später eine englische Veröffentlichung erhielt, als Romancing Saga 2 Remastered für Konsolen und Smartphones veröffentlicht wurde. Weitere sieben Jahre später schickt Square-Enix nun ein vollständiges Remake ins Rennen, das neben einer neuen 3D-Grafik-Engine auch zahlreiche optionale Vereinfachungen und Assistenzfeatures enthält. Square-Enix hat uns den Titel freundlicherweise bereits einige Wochen vor dem offiziellen Release zur Verfügung gestellt, damit wir euch schon jetzt unsere ausführlichen Eindrücke schildern können.
Ein JRPG ohne Story?
Romancing Saga 2: Revenge of the Seven erklärt uns in seiner Einleitungssequenz, wie die Welt einst von sieben Helden gerettet wurde, die jedoch im Laufe der Jahrhunderte in Vergessenheit geraten sind. Als die Welt erneut bedroht wird, wünschen sich viele Bewohner eine Rückkehr der Helden - diese bleibt jedoch aus, sodass wir zu Beginn die Kontrolle über den Imperator Leon und seinen Sohn Gerard übernehmen, um eine Höhle von Monstern zu befreien. Völlig unerwartet wird ihre Heimatstadt in ihrer Abwesenheit von einem der sieben Helden angegriffen und in Teilen zerstört. Wenig später erhalten wir die Aufgabe, den kompletten Kontinent unter unserem Banner zu vereinen und den sieben Helden, die sich offenbar mit dunklen Mächten verbündet haben, das Handwerk zu legen.
Das klingt nach einem soliden Fundament, doch nach den ersten Spielstunden passiert storytechnisch kaum noch etwas. Das liegt zu großen Teilen daran, dass die SaGa-Serie bewusst mit vielen JRPG-Konventionen bricht und stattdessen mit vielen eigensinnigen, oft skurrilen Gameplay-Ideen herumexperimentiert. Eine davon ist, dass sämtliche spielbaren Charaktere, inklusive der vermeintlichen Hauptfigur, nur wenige Dungeons lang in unserer Party bleiben, bevor sie entweder durch Niederlagen im Kampf oder einen großen Zeitsprung in der Story den Löffel abgeben und ersetzt werden müssen. Mit Ausnahme von Gerard und Leon haben all diese Charaktere gemeinsam, dass sie außerhalb der Kämpfe kein Wort sagen und somit über keinerlei Persönlichkeit verfügen. Dadurch wird Romancing SaGa 2 zu großen Teilen zu einem reinen Dungeon Crawler, in dem wir rudimentäre Quests lösen, deren Handlungen mit fünf bis zehn Textboxen abgehandelt sind.
Gute Spielideen, ...
Was Romancing SaGa 2 mit seiner Story versäumt, versucht es durch sein Gameplay wieder wett zu machen. Im Zentrum steht das solide Kampfsystem, das Fans von Octopath Traveller sehr bekannt vorkommen dürfte. Jeder Gegner hat mehrere Schwachstellen gegen einige der acht Waffentypen und fünf Magie-Elemente. Trefft ihr diese Schwachstellen, richtet ihr nicht nur deutlich mehr Schaden an, sondern könnt zusätzlich mächtige Team-Angriffe aufladen, die im Remake neu hinzugekommen sind. Nach einem Sieg erhalten eure Partymitglieder keine klassischen Erfahrungspunkte, sondern Fertigkeitspunkte für jeden Waffentyp und jede Zauberklasse, die sie im verstrichenen Kampf auch tatsächlich genutzt haben. Dadurch könnt ihr durch Grinding lediglich die offensiven Fähigkeiten eurer Charaktere verbessern - ihre Defensive könnt ihr nur verstärken, indem ihr in den Dungeons neue Ausrüstungsgegenstände findet oder zumindest Materialien, mit denen ihr in eurer Schmiede neue Schutzkleidung herstellen könnt.
Diese muss jedoch erst mal gebaut werden, denn Romancing SaGa 2 enthält auch eine kleine Städtebau-Simulation. Als Imperator könnt ihr in eurem Schloss verschiedene Bauprojekte in Auftrag geben und Gebäude errichten, die euch dann wiederum beim Zusammenstellen eurer Truppe für den nächsten Dungeon-Ausflug unterstützen. Das klingt ganz cool, allerdings muss man sich vor Augen halten, dass Romancing SaGa 2 ein Super-Nintendo-Spiel ist und der Städtebau-Aspekt entsprechend rudimentär ausfällt. Selbiges gilt übrigens für die verschiedenen Charaktere, die ihr rekrutieren könnt: Das System ist äußerst limitiert, sodass sich zwei Figuren aus derselben Charakterklasse in der Regel nur durch ihren Namen und die Farbe ihres Outfits voneinander unterschieden. Das haben andere Spiele wie XCOM: Enemy Unknown oder Arrowmancer einige Konsolengenerationen später deutlich besser hinbekommen.
Diese Kritikpunkte kann man Romancing SaGa 2 recht leicht verzeihen, da das Dungeon-RPG trotzdem Spaß macht, was nicht zuletzt am fordernden Schwierigkeitsgrad liegt. Square-Enix wäre zwar nicht Square-Enix, wenn sie nicht auch in diesem Remake zahlreiche Vereinfachungen wie Quest-Marker und einen Story-Schwierigkeitsgrad eingebaut hätten - diesmal dürfen wir diese jedoch bei Bedarf auch ausschalten und von Beginn an einen klassischen Schwierigkeitsgrad auswählen, der dem Anspruchsgrad des 16-Bit-Originals entspricht. Diesen würden wir auch dringend empfehlen, denn wer keine Lust auf herausfordernde Kämpfe hat, findet auf den aktuellen Konsolen dutzende JRPGs, die eine bessere Story und vor allem deutlich besser ausgearbeitete Charaktere bieten und Romancing SaGa 2 für diese Zielgruppe somit deutlich ausstechen. Vermutlich ist genau das auch der Grund dafür, dass Square-Enix diesmal - anders als beispielsweise in der 3DS-Version von Dragon Quest VII oder den Final Fantasy Pixel Remasters - einen klassischen Schwierigkeitsgrad anbietet.
... Schlechte Spielideen
Eine bestimmte Design-Entscheidung von Romancing SaGa 2 dürfte jedoch schon 1993 für einige hochgezogene Augenbrauen gesorgt haben: Je mehr Kämpfe ihr absolviert, desto stärker werden eure Gegner. Soll heißen: Wenn ihr euch Zeit nehmt und mehrere Anläufe für jeden Dungeon aufwendet, um möglichst alle Schatzkisten zu finden, werdet ihr für diesen Spielstil mit stärkeren Gegnern abgestraft. Das ist vor allem deshalb brenzlig, weil die Angriffskraft der in den Verliesen herumlaufenden Monster mit jedem Gegner-Level ansteigt, die Qualität eurer defensiven Ausrüstung jedoch an den Story-Fortschritt gebunden ist. Bei unserem Test waren die normalen Gegner deshalb nach knapp 20 Stunden teilweise so übermächtig, dass sie selbst unseren Tank mit einer einzigen Attacke umhauen konnten.
Romancing SaGa 2 wurde für seine dritte Veröffentlichung in einer 3D-Engine komplett neu aufgebaut. Die neue Optik ist jedoch eher zweckmäßig, da für Revenge of the Seven verständlicherweise nicht annähernd das Budget aufgewendet werden konnte, das in die Final-Fantasy-VII-Remakes geflossen ist. Es ist jedoch bemerkenswert, wie originalgetreu die Entwickler die zweidimensionalen Städte und Dungons in der dritten Dimension nachbauen konnten. Ähnlich verhält es sich mit dem Soundtrack: Revenge of the Seven gibt euch jederzeit die Wahl zwischen dem originalen und einem Orchester-Soundtrack, der das ursprüngliche Midi-Gedudel verblüffend gut nachahmt. Leider ist der OST von Romancing SaGa 2 auf dem SNES alles andere als ein Highlight, und hier können leider auch die Remakes der Musikstücke nichts rausreißen.
FAZIT:
Auch wenn man es nicht erwarten würde und die Demo einen anderen Eindruck erzeugt: Romancing SaGa 2 richtet sich eher an Fans von herausfordernden Dungeon Crawlern wie Etrian Odyssey oder Persona Q, da das JRPG aus dem Jahr 1993 nach der Einleitungssequenz fast komplett auf eine Story verzichtet und die spielbaren Charaktere nach den ersten Stunden komplett stumm bleiben. Das ist kein Beinbruch, denn das Erforschen der verwinkelten Verliese macht dank des flotten und herausfordenden Kampfsystems wirklich Spaß - anders als in den meisten Remakes von Square-Enix dürfen wir diesmal nämlich optional auf einen klassischen Schwierigkeitsgrad zurückgreifen, der der Herausforderung des Originals entspricht. Abgerundet wird das Gameplay von guten Ideen wie dem Städtebau-Aspekt und den rekrutierbaren Charakteren, auch wenn diese natürlich an die Limitierungen der 16-Bit-Hardware gebunden sind und in den vergangenen 31 Jahren oft deutlich besser umgesetzt wurden. Einzig die skurrile Level-Scaling-Mechanik, die nach absolvierten Kämpfen eher eure Gegner als eure eigenen Charaktere verstärkt, könnte selbst für Genrefans ein K.O.-Kriterium darstellen. Wer sich darauf einlassen kann und auch mit der eher zweckmäßigen Optik des Remakes kein Problem hat, kann hier jedoch trotz aller Kritikpunkte durchaus einen "HIdden Gem" vorfinden.