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Kommentar: Achievements und Trophäen sind unnötig und lästig

Von Jeremiah David am 19.08.2024

Ich bin kürzlich über einen Artikel gestolpert, in dem ein Journalist Dinge nannte, die er sich für die Nachfolgekonsole der Switch wünscht. Mit dabei war der Wunsch nach einem Belohnungssystem ähnlich den Achievements beziehungsweise Trophäen bei Microsoft und Sony. Tatsächlich sind solche Forderungen nichts Neues. Immer wieder behaupten Gamer, Nintendo bräuchte unbedingt ein eigenes Achievement-System. Ich halte dann stets mit einem störrischen „Nö.“ dagegen.

Sinnlose Fleißarbeit

Für meine Sommerferien standen dieses Jahr keine größeren Reisen an und so war schnell klar, dass ich mir mit dem gesparten Geld ein paar Games kaufen würde. In der ersten Ferienwoche landeten deshalb gleich mehrere Spiele in meinem Briefkasten. Das erste davon: Time on Frog Island – ein süßes Indie-Adventure, das ich nagelneu für einen schmalen Taler geschossen hatte. Bedingt durch die Tatsache, dass die restlichen Spiele noch auf sich warten ließen, begann ich Time on Frog Island zu spielen, aber weniger als zwei Stunden später flimmerte bereits der Abspann über den Bildschirm. Damit hatte ich nicht gerechnet. Klar, Indie-Games sind häufig kurz, aber nicht soooooo kurz. Etwas irritiert wagte ich mich ins Trophäen-Menü, um herauszufinden, ob ich irgendwelche Side-Quests oder sonstige Herausforderungen verpasst hatte. Ernüchtert stellte ich fest: Nichts Interessantes. Aber mir fehlten noch verdammt viele Trophäen. Time on Frog Island hat 36 Trophäen, darunter absolut hirnrissige, wie: „Springe 1000-mal“ oder „Wirf 1000 Gegenstände“. Gleich mehrere Trophäen gibt es dafür, dass Spieler eine Zimmerpflanze an verschiedene Orte im Spiel tragen. What the f***?

Wer Time on Frog Island noch nicht gespielt hat, dem sei gesagt, dass es sich hier nicht um ein Geschicklichkeitsspiel handelt. Der Hauptcharakter kann zwar springen, muss aber in der Regel nicht. Gegenstände können geworfen werden, Sinn macht das aber nur in den seltensten Fällen. Die Zimmerpflanze ist wirklich nicht mehr als eine stumme Pflanze in einem Blumentopf. Die Trophäen dienen also nur einem einzigen Zweck, nämlich die Spielzeit künstlich in die Länge zu ziehen. Wer hier die Platinum-Trophäe freigespielt hat, hat nichts wirklich erreicht, sondern einfach nur wahnsinnig viel Zeit mit sinnlosen Tätigkeiten vergeudet.

Intrinsische vs. extrinsische Motivation

Grundsätzlich habe ich mit Blick auf verschiedenste Trophäen und Achievements immer wieder das Gefühl, dass Entwickler meine Zeit nicht wertschätzen. So gibt es nicht selten Trophäen, die das mehrmalige Durchspielen eines Games oder eine bestimmte Spielzeit erfordern. Dabei ist es doch so: Ein gutes Spiel hat solche Trophäen nicht nötig. Es gibt Spiele, die ich mehrfach beendet habe. In manche Spiele habe ich hundert Stunden und mehr investiert - aber nur, weil sie spaßig waren. In der Pädagogik spricht man hier von intrinsischer Motivation: Ich spiele etwas, weil ich Spaß dabei habe. Trophäen sind dagegen eine Form der extrinsischen Motivation. Sie sollen Spieler künstlich dazu antreiben, etwas zu tun, worauf sie möglicherweise gar keine Lust haben – wenn sie denn überhaupt motivieren können. In Bramble: The Mountain King fehlen mir nach dem Durchspielen noch 21% der Trophäen , in Nobody Wants to Die sind es noch 29%, aber in beiden Spielen sind es ausschließlich „Versteckte Trophäen“. Soll ich herumlaufen und einfach willkürliche Dinge tun, in der Hoffnung womöglich digitale Auszeichnungen dafür zu bekommen? Auch solche Trophäen halte ich für schwachsinnig.

Umso bescheuerter ist dieses System, weil die Entwickler stattdessen ganz andere Belohnungen einsetzen könnten. Letztlich sind Trophäen doch nur…

…ein Belohnungssystem ohne Belohnungen

Sehen wir der Realität ins Auge: Trophäen sind praktisch wertlos. Wir können Trophäen nicht gegen andere Gegenstände, Coupons, Vergünstigungen oder sonst irgendetwas eintauschen. Es sind keine In-Game-Items, die in einem Spiel Verwendung finden können. Entwickler, die Spieler für Leistungen belohnen wollen, könnten aber so leicht Gegenstände einsetzen, die in der jeweiligen Spielewelt tatsächlich einen Wert haben und tun das häufig auch: Nach Time on Frog Island musste mein innerer Schweinehund mit deftigerer Kost befriedigt werden, also widmete ich mich den Zombies in Dead Island 2, und siehe da: Das erfolgreiche Beenden einer fast jeden Mission wird mit neuen Skills oder Waffen belohnt. Für besonders schwere Missionen gibt es „legendäre“ Waffen. Parallel dazu werden zum Teil auch Trophäen freigeschaltet, aber die jucken mich hier nicht. Im Beisein richtiger Belohnungen verlieren sie ganz schnell an Bedeutung oder werden in Einzelfällen sogar nervig. Letzteres passiert dann, wenn sie vom Spiel ablenken. Ich erinnere mich an einen Endbosskampf, nach dem eine Cutscene begann. Plötzlich ploppte oben rechts am Bildschirmrand mit dem altbekannten Geräusch die Info über eine freigeschaltete Trophäe auf. Dass Charaktere dabei am Sprechen waren? Für die Entwickler offenbar irrelevant.

Der digitale Schwanzvergleich

Letztlich fällt mir aus Spielersicht nur ein einziger Nutzen für Trophäen/Achievements ein: Sie dienen einem digitalen Schwanzvergleich. Ich kann meine „Auszeichnungen“ mit anderen Spielern vergleichen und mein Ego streicheln, wenn ich mehr Trophäen oder einen höheren Gamerscore habe als XaverZockt69, GamerGirl98 und BadBoyMehmed.

Ansonsten dienen Trophäen/Achievements in erster Linie den Publishern: Sie gaukeln uns einen zusätzlichen, nicht vorhandenen Wert vor, treiben uns dazu an, länger zu spielen oder gar mehr Geld in ein Spiel zu investieren, etwa durch den Kauf einer Online-Mitgliedschaft für Online-Only-Trophäen. Sie bieten uns einen schlechten, aber billigen Ersatz für echte Belohnungen, deren Implementierung mehr Zeit und Aufwand bedeutet hätte.

Braucht die Switch 2 ein eigenes Belohnungssystem mit Trophäen oder ähnlichen Auszeichnungen? Ich wiederhole mich an dieser Stelle: Entwickler, die gute Spiele veröffentlichen, haben solche Belohnungssysteme nicht nötig.

Wie seht ihr das?

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3 Kommentare:
Buttergebäck)
Buttergebäck
Am 19.08. um 17:07
Ich könnte jetzt lang und breit meine Ansichten zum den Thema hier ausbreiten, aber der Artikel ist eigentlisch schon so, als ob ich ihn selbst geschrieben hätte.
Vyse)
Vyse
Am 19.08. um 17:41
Sehe es nicht ganz so kritisch, kann aber viele der Argumente verstehen.

Der zuletzt angesprochene "digitale Schwanzvergleich" wurde mittlerweile völlig ad absurdum geführt, denn um möglichst viele Platinum-Trophäen zu haben, muss man sich diesen ganzen Schrott wie z.B. die Jumping-Food-Spiele kaufen, und zwar jeweils mehrfach weil es für PS4, PS5, EU und NA jeweils separate Trophäen gibt. Das war aber von Anfang an so, im Launch-Lineup der Xbox 360 gab es von Perfect Dark Zero (wo man in jedem Multiplayer-Modus 1.000 Matches abschließen musste) bis hin zu Lizenzspielen, wo man für das einfache Durchspielen maximalen Gamerscore bekam, so ziemlich alles.

Es gab aber durchaus Momente, in denen mich die Trophäen dazu motiviert haben, einen Titel deutlich länger zu spielen. Resogun und Infamous: First Light waren Spiele, die durch die Trophäenliste wirklich aufgewertet wurden, weil sie eben noch einige optionale Herausforderungen gestellt haben, die wirklich Spaß gemacht haben. Da in diesen Fällen der Weg das Ziel war, brauchte es für mich keine Belohnung am Ende bzw. war das Erfolgserlebnis Belohnung genug.

Schön finde ich auch, dass die Trophäen- und Achievement-Listen eine gewisse Tagebuch-Funktion haben. Ingame-Belohungen sind weg, sobald ich ein Spiel abgeschlossen und deinstalliert habe, aber Trophäen bleiben dauerhaft an den Account gebunden. Ab und zu scrolle ich tatsächlich gerne durch meine Trophäenliste um zu schauen, was ich so gespielt habe und wie weit ich in diesen Spielen gekommen bin.

Im Übrigen kann man auf beiden Konsolen die Benachrichtigungen für Achievements bzw. Trophäen ausschalten und die Bedingungen für versteckte Achievements einsehen. Versteckte Trophäen sind durchaus sinnvoll, wenn es darum geht, Spoiler zu vermeiden. Nach dem Durchspielen kann man dann reingucken.
Terry)
Terry
Am 20.08. um 14:05
100%ige Zustmmung!