Kommentar

Grinder's Guide #008: Tokyo RPG Factory

Von Deniz Üresin am 11.03.2024

Herzlich willkommen zur neuesten Ausgabe des regelmäßig erscheinenden Grinder’s Guide, dem NplusX-Format, in dem so richtig über JRPGs abgenerdet wird! 

Es ist offiziell: Die Tokyo RPG Factory ist nicht mehr. Ende Januar 2024 verkündete Square Enix, das vor 10 Jahren gegründete Studio wieder aufzulösen [Quelle]. In dieser Zeit entwickelten sie drei Old-School-JRPGs: I am Setsuna. (2016), Lost Sphear (2017/18) und Oninaki (2019). Keines der Spiele schaffte es so wirklich, im Mainstream Anklang zu finden. Dazu kamen die immer größeren Erfolge der Kollegen von Team Asano und ein Führungswechsel bei Square Enix, die letztendlich zum Aus führten. Schauen wir uns doch mal die drei Games sowie die Hintergründe des Studios an, oder? 

Matsudas Traum 

Gegründet wurde die JRPG-Fabrik vom damaligen frisch gebackenen Square-Enix Oberboss Yosuke Matsuda, der das Projekt mit freiwilligen Mitarbeitern seiner Firma startete und ihnen direkt komplette Freiheit bei der Entwicklung ihres ersten Spiels (und bei der Benennung des Studios) gab. Generell betonte Matsuda in Interviews gerne, dass er seine Entwickler lieber machen lässt, was sie wollen, weil die Passion bessere Produkte mit sich bringt [Quelle]. Und was sie machen wollten, waren JRPGs. JRPGs, die ein bisschen an die Spiele erinnerten, die die Entwickler in ihrer Kindheit spielten, aber mit ein paar Annehmlichkeiten und Quality-of-Life-Verbesserungen neuerer Spiele. Ein Jahr nach Matsudas Rücktritt als SE-Chef wird das Studio allerdings aufgelöst und alle IPs und MitarbeiterInnen in den Mutterkonzern aufgenommen. Schon 2020 schwächelte die RPG Fabrik und fuhr Verluste ein [Quelle], da ist es fast schon ein Wunder, dass es noch über drei Jahre gedauert hat, bis SE den Stecker zog. Vor allem, weil in der Zwischenzeit kein neues Spiel herauskam. Ist Matsudas Traum damit aus? Oder wurde er bereits erfüllt? Wer kümmert sich denn jetzt darum, coole Old-School-JRPGs zu basteln? Eins nach dem anderen, lassen wir erstmal die kreativen Ergüsse des vergangenen Studios revue passieren: 

Sind wir nicht alle ein bisschen Setsuna?

Den Anfang macht I am Setsuna., das von Kollege Andy für die Switch getestet wurde [zum Test]. Ich hab mich aber damals auch relativ zeitnah drangesetzt (nachdem meine physische Version von Playasia endlich angekommen war, denn das Spiel ist im Westen nur digital erhältlich) und kann seinem Fazit im Großen und Ganzen zustimmen. Der Schwierigkeitsgrad ist mir bekannterweise nicht ganz so wichtig wie ihm, aber Setsi, wie wir es liebevoll zu nennen pflegen, ist schon arg minimalistisch. Durchaus stimmig und atmosphärisch, aber so toll die Schneelandschaft und das emotionale Klaviergeklimper auch sind, es wird doch etwas eintönig mit der Zeit. Wie Matsuda sagte, spürte man zwar schon hier und da die Passion der Entwickler, aber leider muss ich auch sagen, man spürte, dass entweder das Budget oder die Zeit zu knapp waren (was ich nicht vermute) oder die Entwickler zu dem Zeitpunkt einfach nicht die erfahrensten waren… Aber gut, Spaß gemacht hat das Spiel trotzdem und eine 7/10 ist weit entfernt von einem schlechten Spiel, auch wenn noch ein bisschen Luft nach oben ist. I am Setsuna. ist für Switch, PS4, Steam und sogar für PS Vita erhältlich, kostet in den digitalen Shops 39,99€, ich hab’s aber auch öfter mal in einem Sale für 15,99€ gesehen und für den Preis kann ich das Spiel durchaus empfehlen!      

Dropping the Ball / Losing the Sphear 

Ein Jahr später kamen Tokyo RPG Factory schon mit ihrem nächsten Game um die Ecke - Lost Sphear! Dieses Mal ging das Testmuster an mich [zum Test] und wie ihr sicher bereits gelesen habt, hat sich ein bisschen was verbessert, aber der ganz große Wurf ist es nicht geworden. Das Kampfsystem bietet mehr Optionen (und mehr fordernde Bosse, an denen man seine Taktiken ausprobieren kann), Optik und Sound sind deutlich vielfältiger - aber leider hat man, statt sich von Retro-RPGs inspirieren zu lassen, diese einfach nur kopiert und bereits tausendmal durchgekaute Tropes und Stereotypen präsentiert. Also auch hier wieder: Kein schlechtes Spiel, aber auch nicht geil. Es hat Spaß gemacht, es durchzuspielen, aber einen wirklich bleibenden Eindruck hat es nicht hinterlassen. Zuerst kam das Spiel auch nur digital im Westen raus (für Switch, PS4 und Steam), später releaste Square Enix aber eine physische Version in ihrem eigenen Online-Store und irgendwann war es dann plötzlich doch auch im Einzelhandel erhältlich. Viel zu spät und mit 49,99€ etwas zu teuer für mein Dafürhalten, geholfen hat es dem Spiel und dem Studio jedenfalls nicht. Wenn ihr es mal ausprobieren wollt, ladet euch am besten die Demo herunter und kauft das Spiel dann in einem Sale oder physisch - aktuell ist besonders die physische PS4-Version super günstig und auch für die Switch-Version solltet ihr nicht allzu tief in den Geldbeutel greifen müssen.   

Oh nein-aki, ist das das Ende? 

Aller guten Dinge sind aber bekanntlich drei, oder? 2019 flatterte erneut ein Testmuster der Retro-RPG-Schmiede herein, welches ich mir prompt schnappte [zum Test]. Dieses Mal versuchte man sich an einem Action-Kampfsystem, die Story wurde noch dramatischer als  in I am Setsuna. Es ist glaube ich die schwierigste 7/10, die ich je vergeben habe, weil ich wirklich wirklich gehofft hatte, dass es jetzt endlich ballert. Und schon wieder: Schlecht ist auch Oninaki wirklich nicht. Aber es ballerte halt auch nicht. Und von drei Spielen hätte schon zumindest eins ballern müssen. Dafür waren das Kampfsystem und das Leveldesign aber viel zu rudimentär. Immerhin lief der Release etwas smoother, das Spiel kam direkt auch physisch heraus und musste weder importiert noch über den SE Shop geordert werden. Das half aber nix, erneut wurde fast der Vollpreis von 49,99€ veranschlagt und das dem Spiel und letztendlich auch dem Studio zusammen mit den durchschnittlichen Bewertungen und dem kaum vorhandenen Marketing das Genick gebrochen. Wie bei Lost Sphear gilt: Demo ist vorhanden, falls ihr euch selbst ein Bild machen wollt und physisch ist das Spiel meist billiger zu bekommen als digital. Für nen Zwanni kann man sich das Game meiner Meinung nach jedenfalls gut geben, es ist nicht allzu lang und hat immerhin eine interessante Story. Allerdings gibt es auch mehr als genug wirklich herausragende Konkurrenz, selbst in den eigenen Reihen…   

Aso, da war ja noch Asano

Auch wenn das nicht so kommuniziert wurde und es auch schwer herauszufinden ist, ob und welchen Einfluss Team Asano auf den Fall der Tokyo RPG Factory hatte, so muss ich dennoch sagen: Das kleine Square-Enix-Entwicklerteam rund um Produzent Tomoya Asano (das immer noch kein eigenes Studio, sondern einfach nur ein Team in der Creative Business Unit II von Square Enix ist) hat die ganze Zeit über genau das gemacht, wofür die Tokyo RPG Factory gegründet wurde - und zwar besser. Deren erster Anlauf auf dem DS mit Final Fantasy: The 4 Heroes of Light sollte nur ein winziger Vorgeschmack auf all die JRPG-Goodness werden, die noch kommen sollte. Auf dem 3DS wurden schließlich Bravely Default und Bravely Second veröffentlicht und auch wenn diese Spiele nicht universellen Anklang fanden, stimmten die Verkaufszahlen und es bildete sich ein treuer, eingeschworener Fanclub (zu dem ich auch gehöre!). Auf der Switch (und später anderen Plattformen) ging es dann munter weiter und Team Asano veröffentlichte neben Bravely Default II einige ihrer wunderschönen HD-2D-Spiele, darunter Octopath Traveler 1 und 2, Triangle Strategy und ein Remake des SNES-JRPGs Live Alive. Die Sparte “Old-School-JRPGs mit modernem Anstrich” war also bereits abgedeckt. Spätestens nach einigen Jahren an Verlusten und dem Rücktritt Matsudas, der als Gründer des Studios dieses wohl nicht vorschnell aufgeben wollte, war es also klar, dass die Tokyo RPG Factory in dieser Form keine Zukunft hat. Die MitarbeiterInnen wurden nun auf andere Teams verteilt und haben hoffentlich viele wertvolle Lektionen gelernt. Denn auch wenn sie mich nicht völlig aus den Socken hauten, konnte ich jedem ihrer Spiele etwas abgewinnen und bereue nicht, sie gespielt zu haben und das ist doch schonmal was. Was auch immer schief gegangen ist, ich hoffe, niemand musste entlassen werden und dass alle Ex-Tokyo-RPG-FactorylerInnen fleißig weiter daran arbeiten, Matsudas Traum von passionierten Retro JRPGs zu verwirklichen. 

Habt ihr eines der Tokyo RPG Factory Spiele gespielt (oder vielleicht sogar alle)? Werdet ihr das Studio vermissen? Teilt es uns in den Kommentaren mit! 

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