Test

Anthology of Fear

Von Jeremiah David am 21.12.2023

Das Wörtchen „Fear“ findet sich in so manchem Videospieletitel wieder: 2005 erschien das Survival-Horror-Spiel Cold Fear für die PlayStation 2. Im selben Jahr veröffentlichte Sierra außerdem den ersten Teil der FEAR-Reihe für den PC. Die Ego-Shooter-Serie sollte zwei Nachfolger und etliche DLS nach sich ziehen, ehe Bloober Team dem einsilbigen Titel ein paar Schichten hinzufügte. Layers of Fear hatte mit Sierras „First Encounter Assault Recon“ allerdings so gut wie gar nichts gemeinsam. Die Walking-Sim, die ebenfalls zwei Nachfolge-Titel bekommen sollte, überzeugte vorrangig durch eine bedrückende Atmosphäre und irre, surreale Grafikeffekte, nicht durch Action.

Jetzt gibt es neben der kalten Angst, dem Akronym und den Ebenen auch noch eine Anthologie. OhDeer Studio und 100 GAMES haben nämlich zusammen das Indie-Adventure Anthology of Fear veröffentlicht und uns freundlicherweise ein Testmuster für die PlayStation-4-Fassung zukommen lassen. Ist der Titel schaurig schön oder gruselig schlecht?

Nun, bevor wir diese Frage beantworten, gleich vorweg: Mit den oben genannten Spielen hat Anthology of Fear so gut wie gar nichts gemein. Zwar handelt es sich auch hier um eine Walking-Sim, die fast völlig auf Gameplay verzichtet, wer aber einen Vergleich sucht, wird am ehesten bei einem Teaser für ein Spiel fündig, das gar nie veröffentlicht wurde: Kojima Productions Playable Teaser (kurz „P.T.“) zu Silent Hills hat die Entwickler offensichtlich inspiriert. Das wird schon früh im Spiel klar, aber fangen wir am besten mit der Story an: Anthology of Fear lässt uns in die Rolle eines Mannes schlüpfen, der seinen verschollenen Bruder sucht. In einer längst geschlossenen Irrenanstalt stoßen wir dabei auf zwei verschiedene Videokassetten, die wir uns auf einem alten Fernseher anschauen können. Die Geschehnisse der Videos dürfen wir spielen, wodurch jede Kassette praktisch zu einem eigenen Kapitel mit eigenem Hauptdarsteller wird – womit auch rasch das Wort „Anthologie“ im Titel erklärt wäre. Weniger einfach zu erklären ist derweil das Wort „Fear“, denn angsteinflößend ist das Spiel so gut wie nie.

Zwar setzt Anthology of Fear genau wie P.T. auf schaurige, (alb-)traumhafte Umgebungen und sich wiederholende Korridore, die den fragilen Geisteszustand unseres jeweiligen Hauptcharakters andeuten sollen, das Spiel erreicht aber atmosphärisch nie auch nur annähernd die Höhen des Silent-Hills-Teasers. Das liegt zum einen daran, dass Anthology of Fear technisch keine allzu gute Figur macht und regelmäßig mit detailarmen Umgebungen und schlecht aufgelösten Texturen überrascht, aber auch daran, dass viele Szenarien ziemlich willkürlich aneinandergereiht scheinen.

P.T. war unberechenbar und auf eine gute Art und Weise verrückt; Es sollte mystisch und seltsam sein und den Spieler am eigenen Geisteszustand zweifeln lassen. Gleiches hatten die Entwickler hier wohl auch mit Anthology of Fear vor, das Ergebnis ist aber kaum mehr als ein lauwarmer Aufguss der Vorlage. Manche Elemente wurden fast 1:1 aus P.T. kopiert und mit anderen klischeehaften Elementen diverser Gruselspiele kombiniert. So gibt es in einem Raum beispielsweise ein schreiendes, fleischiges Etwas, das in einer Spüle liegend an das Embryo aus P.T. erinnert, nur ist es hier eine Low-Poly-Version, die vollkommen sinnfrei in einer spärlich eingerichtete Küche liegt. Die 0815-Kost aus anderen Horrorspielen zeigt sich in Schaufensterpuppen, die aus irgendeinem Grund in einem Wohnhaus herumstehen und sich bewegen, wenn man sie aus den Augen lässt; Gegenständen, die in der Luft schweben, und flimmernde Fernseher, die uns rätselhafte Botschaften zeigen. Das ist stellenweise nett gemacht, aber nichts davon ist wirklich originell. Gegner kommen in der Form eines dämonischen Arztes nur an einer einzigen Stelle im Spiel vor und lösen sich mit dem geschickten Einsatz einer Art Geister-Pistole wortwörtlich in Luft auf. So verkommt Anthology of Fear zu einer sehr kurzen Walking-Sim mit einigen wenigen Jump-Scares und Rätseln, die genauso willkürlich sind wie die Umgebungen. Spät im Spiel verlangt ein Plüschhase etwa nach neuen Augen und Zähnen, die wir praktisch platzierten Leichen mit einem Löffel beziehungsweise einer Zange klauen können. Wieso? Weiß der Henker.

Fazit

P.T. war anno 2014 nicht mehr als ein kostenloser, spielbarer Teaser. 2023 ist Anthology of Fear mit weniger als zwei Stunden Spielzeit nicht nur deutlich kürzer, sondern zudem auch noch atmosphärisch und technisch schwächer. Die Umgebungen sind stellenweise schön unheimlich gestaltet und machen in Screenshots durchaus was her, sie zu erkunden wird aber schnell eintönig – nicht zuletzt, weil das Fehlen von Gegnern dem Spiel einiges an Spannung raubt. Die seichte Story, die eigentlich nur aus sinnfrei aneinandergereihten surrealen Szenen besteht, ist ebenfalls nur wenig motivierend und endet sehr abrupt. Ist der Titel deshalb gruselig schlecht? Sogen wir es mal so: Anthology of Fear kommt ohne Bugs aus und ist definitiv spielbar. Zwei oder drei Jump-Scares sitzen darüber hinaus, der Rest des Spiels ist allerdings unoriginell und phasenweise schlicht langweilig. Wer dennoch einen Blick riskieren möchte, kann dies immerhin schon zum Budgetpreis von 9,99€ tun.

Unsere Wertung:
4.5
Jeremiah David meint: "Unoriginelle und phasenweise schlicht langweilige Walking-Sim zum Budgetpreis."
Anthology of Fear von OhDeer Studio erscheint am 07.12.2023 für PC und PlayStation 4 und Nintendo Switch und XBox One. Wir haben die Version für PlayStation 4 getestet. Für diesen Test wurde uns ein Rezensionsexemplar von Ultimate Games zur Verfügung gestellt.
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