Oxenfree 2: Lost Signals
Sieben Jahre nach dem sehr guten ersten Teil veröffentlicht Netflix jetzt eine Fortsetzung der Abenteuer aus der Feder der Entwickler des ehemaligen Indie-Studios Night School Studio. Ob der zweite Teil an den ersten Teil anknüpfen kann und wie sich das Ganze auf der Nintendo Switch spielt, haben wir für euch getestet.
Auf der Spur der Mysterien von Edwards Island
Die Geschichte von Oxenfree 2 führt euch in die kleine Hafenstadt Camena, die unweit vom Schauplatz des ersten Teils, der Insel Edwards Island, liegt. In der Rolle der jungen Frau Riley kehrt ihr fünf Jahre nach den Geschehnissen des Vorgängers an den Ort eurer Kindheit zurück, um als Forschungsassistentin für eine Gruppe Wissenschaftler zu arbeiten, die die ungewöhnlichen Funksignale in der Umgebung erkunden wollen. Doch schon euer erster Auftrag, bei dem ihr mit eurem Mitarbeiter Jacob eine Antenne am höchsten Punkt der Insel aufstellen sollt, gerät direkt außer Kontrolle. Kaum aufgebaut und eingeschaltet, verbindet sich die Antenne mit einem der berühmt berüchtigten dreieckigen Risse im Himmel, der just mit der Aktivierung der Antenne über Edwards Island erscheint. Ab diesem Augenblick werden Riley und Jacob von Halluzinationen und Zeitsprüngen in die Vergangenheit und die Zukunft verfolgt und so bleibt ihnen letztlich keine Wahl, als die Umstände hinter den mysteriösen Vorfällen zu untersuchen, um sich selber und die Einwohner der Insel zu retten.
Die Geschichte von Oxenfree 2 ist wie schon beim Vorgänger gut erzählt, wobei der Großteil der Handlung von den Dialogen zwischen den Charakteren bestimmt wird. Dennoch baut das Spiel gleich von Anfang an eine leicht unheimliche Atmosphäre auf, ohne dabei jemals blutrünstig zu werden, und bei mehr als einer Gelegenheit erinnert Oxenfree 2 an die Serie "Stranger Things", die ebenfalls von Netflix produziert wird. Das darf in diesem Zusammenhang gerne als Kompliment aufgefasst werden und am meisten Spaß macht der Titel, wenn ihr ihn alleine im Dunkeln spielt, auch wenn die wenigen Momente, in denen ihr vielleicht einen kleinen Schrecken erfahrt das Spiel für Kinder ungeeignet machen. Die möchte Oxenfree aber auch gar nicht erreichen. Vielmehr richtet sich das Spiel an jugendliche und erwachsene Spielerinnen und Spieler, die die zum Teil ernsten Themen in den Gesprächen in vollem Umfang erfassen können und wollen.
Die Entwickler betonen, dass ihr den ersten Teil nicht kennen müsst, um Oxenfree2 genießen zu können. Eine Aussage, die wir so nicht ganz teilen, da gerade im letzten Akt der Handlung viele Bezüge zum Vorgänger auftauchen. Zwar ist auch das erste Abenteuer so mysteriös, dass euch das Durchspielen kaum zusätzliches Wissen vermittelt. Doch für Spieler des ersten Teils schließen sich mit dem zweiten Teil einige Handlungsstränge, sodass sich ein erster Besuch auf Edwards Island lohnen kann.
Sei doch mal still, Jacob!
Wie üblich bei handlungsorientierten Spielen nehmen die Gesprächsoptionen einen beachtlichen Teil der Interaktion und Steuerung ein und so sind gleich drei Buttons auf eurem Gamepad für mögliche Antworten reserviert, die ihr immer wieder geben müsst, wenn euch euer Begleiter Jacob oder andere Charaktere ansprechen. Die Antworten bestimmen zu einem gewissen Grad, wie die Figuren euch begegnen, ändern am grundsätzlichen Verlauf der Handlung aber nicht allzu viel. Außerdem könnt ihr in den meisten Situationen auch einfach keine Antwort auswählen, wenn sie euch allesamt nicht passend erscheinen. Zu oft sollte diese Option aber nicht gewählt werden, da eure Gesprächspartner euch ansonsten mangelndes Interesse unterstellen. Die Gespräche drehen sich häufig um die Handlung und decken die komplette Bandbreite zwischen tiefgehenden Dialogen und humorvollem Geplänkel ab, wobei der Grundton eher ernst bleibt. Darüber hinaus hinterlassen die vielen Dialoge zum Teil gemischte Gefühle. Zum einen ist es schön, während der vielen Erkundungen auf der Insel unterhalten zu werden und etwas über die Figuren zu erfahren. Zum anderen kann gerade Jacobs andauerndes Bedürfnis, sich mitzuteilen stellenweise nerven, zumal wir uns im Verlauf der nicht überspringbaren Dialoge nur langsam bewegen können, was zwar nachvollziehbar ist, das Spiel aber auch ein wenig in die Länge zieht. Da das Abenteuer mit seinen sechs bis sieben Stunden Spielzeit aber eh nicht allzu lang ist, konnten wir der Entschleunigung durchaus auch etwas abgewinnen.
Überhaupt ist Oxenfree 2 kein besonders actiongeladenes Spiel, das besondere Reaktionen oder Fertigkeiten erfordert. In einigen wenigen Situationen müsst ihr unter moderatem Zeitdruck zu einem Ziel laufen oder einen Radiosender einstellen. Hier ist der Rahmen aber so locker gesetzt, dass ihr nur dann scheitert, wenn ihr euch entweder bewusst dafür entscheidet oder das Spiel es absichtlich darauf abgesehen hat. Auch der Aufbau der zerklüfteten und zum Teil steilwandigen Insel wirkt durchgehend durchdacht und nach vielen Kletterpartien werden Abkürzungen in Form von Kletterseilen freigeschaltet, sodass der erneute Besuch von Gebieten spürbar schneller von statten geht. In vielen Fällen wurde auf Backtracking allerdings verzichtet, auch wenn die Story hierfür Gelegenheit gegeben hätte. Zwar können die Sammler unter euch überall auf der Insel Briefe von Charakteren finden, die die Hintergrundgeschichte zusätzlich beleuchten. Nötig ist es aber nicht und nur eine einzelne Entscheidung am Ende des Spiels hat Einfluss darauf, welches Ende ihr erleben werdet, wobei sie sich nur in Einzelheiten unterscheiden. Wie wiederspielbar Oxenfree ist, hängt im großen und ganzen von eurer Experimentierfreude ab. Das Spiel bietet nach dem ersten Durchspielen wenig neue Anreize, wenn es um die Haupthandlung geht, doch es kann auch mal ganz witzig sein, Jacob und die anderen Figuren in einem weiteren Durchlauf (un)freundlicher als im ersten Durchlauf zu behandeln. Und selbst wenn ihr es nur ein einziges mal durchspielen möchtet, fühlt sich der Titel für die aktuell geforderten knapp 20 Euro dank seiner gelungenen Präsentation nicht wie eine Mogelpackung an.
Viel Schönes mit kleinen Schwächen
Technisch ist Oxenfree 2 eine runde Sache. Die Grafik wirkt auf großen und kleinen Bildschirmen gleichermaßen toll, wobei wir auf dem Bildschirm der Konsole hin und wieder die recht kleinen Charaktere aus den Augen verloren haben, sodass ein größerer Bildschirm in diesem Fall ein wenig mehr Entspannung für die Augen liefert. Eine Zoom-Funktion wäre stellenweise sehr schön gewesen. An dieser Stelle jammern wir aber auf gehobenem Niveau.
Die akustische Untermalung ist wie schon im ersten Teil wieder sehr gut geworden. Sowohl der Soundtrack als auch die sauber eingesprochenen englischsprachigen Dialoge klingen durchgehend super. Selbstredend gibt es auch in diesem Spiel deutsche Untertitel, und ein zusätzliches Menü lässt euch zwischen zwei Schriftarten und diversen Schriftgrößen wählen, damit ihr der Handlung zu jeder Zeit folgen könnt. Die Steuerung wurde ebenfalls sehr sauber umgesetzt, obwohl die Ansprüche an sie, wie bei Spielen dieser Art üblich, eh nicht allzu hoch waren. Dennoch geht besonders die Arbeit mit Radio und Funkgerät angenehm sauber von der Hand, obwohl es hier viele Möglichkeiten gegeben hätte, die Kontrolle zu verhunzen. Einzig die Ladezeiten zwischen den einzelnen Abschnitten wirken ein wenig länger als nötig, sind mit etwa 20 Sekunden aber nicht lang genug, um der Immersion ernsthaft zu schaden.
Fazit:
Wie die meisten narrativen Abenteuer zu denen auch die "Life is Strange"-Reihe oder das Spiel Harmony: The Fall of Reverie gehören ist Oxenfree 2 trotz seiner unbestreitbaren Qualitäten kein Spiel für alle, sondern für jene unter euch, die gerne einmal in eine Geschichte eintauchen möchten, ohne wild tastendrückend daran Anteil nehmen zu müssen. Die meiste Zeit über wandert ihr nur durch die schön gestaltete Welt, lauscht dem Soundtrack oder euren Gesprächspartnern und gebt überlegte Antworten - von einigen kurzen Passagen einmal abgesehen. Dass das für uns so gut funktioniert, liegt vor allem daran, dass wir Riley selber steuern können und damit eine feine Balance zwischen erlebter und erzählter Geschichte gehalten wird. So bleiben am Ende mit dem Abspann auch die zuvor vielleicht als störend empfundenen Gespräche mit Jacob in guter Erinnerung und letztlich haben wir fast Sehnsucht nach weiteren Geschichten aus Camena und von Edwards Island. Viel mehr kann man von einer Geschichte eigentlich kaum verlangen.