Test

Sifu (Switch)

Von Michael Prammer am 25.11.2022

Kampfsport mal anders – so oder so ähnlich könnte man Sifu einleitend beschreiben, welches vor Kurzem auch seinen Weg auf Nintendo Switch gefunden hat. Wir haben uns das Beat'em'Up auf der Hybridkonsole etwas genauer angesehen.

Sifu oder Shifu bedeutet im chinesischen Meister oder Vater. In diesem Fall sprechen wir allerdings nicht vom Vater von Kindern, sondern Meister des Kampfsports, wie zum Beispiel Kung Fu oder Wing Tsun. Und genau darum geht es auch bei Sifu. Als wahlweise Tochter oder Sohn eines dieser Kampfsport-Meister wachst ihr in einer Kampfsportschule im modernen China auf und müsst miterleben, wie euer Lehrmeister bei einem Überfall ums Leben kommt. Fortan trainiert ihr, angetrieben von Trauer und Rache, Tag für Tag, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. 

Kampfsport trifft auf Rogue-like

Die Story von Sifu ist unter dem Strich ziemlich banal, hat man in der Form auch schon gefühlt hunderte Male erlebt und zählt nicht wirklich zu den Stärken des Spiels. Langeweile kommt zwar keine auf und die Geschichte versucht euch stets durch das Abenteuer zu führen, allerdings gewinnt diese keinen Preis für besondere Leistungen. Sifu zeichnet sich viel mehr durch seinen eigenwilligen Spielstil aus. Wie eingangs erwähnt haben wir es mit einem Beat'em'Up zu tun, das heißt, wir prügeln uns durch die Landschaft. Doch das ist nur die halbe Wahrheit, denn Sifu kommt mit Rogue-like-Elementen daher, was dem Spiel eine völlig neue Dynamik verleiht. Die recht linearen Level werden wieder und wieder gespielt, man scheitert wieder und wieder, jedoch wird man auch immer stärker. Und mit der Zeit gelingt euch das Weiterkommen an Passagen, an denen ihr euch zuvor die Zähne ausgebissen habt.

Zu Beginn des Spiel, also nach Abschluss des einleitenden Prologs, wird euch erst einmal die Steuerung erklärt. Und diese wird zwar dank ausführlichem Tutorial gut erklärt, hat allerdings viele Tücken. Schläge, Tritte, Kombinationen – all das ist zunächst noch kein Hexenwerk und zu Beginn recht simpel anwendbar. Allerdings beinhaltet Sifu eine Blockfunktion samt Leiste. Wird diese richtig angewendet, also blockt ihr feindliche Angriffe im richtigen Moment ab, dürft ihr finale Schläge vollführen. Und genau hier liegt der springende Punkt. Diese Gameplaymechanik zu erlernen erfordert eine Menge Übung und ist unabdingbar, um das Spiel zu meistern. Sind anfängliche Gegner noch mit einfachen Schlag-Tritt-Kombos zu beeindrucken, wollen schon sehr früh im Spiel härtere Burschen eine richtige Show von euch sehen. Sonst heißt es: Game Over, bitte noch einmal von vorne.

Sifu ist kein leichtes Spiel, obwohl der Einstieg ins Spielgeschehen relativ verhalten wirkt. Es gibt drei Schwierigkeitsgrade und das Erlernen der Spielmechanik ist ein grundlegendes Element des Titels. Die Lernkurve ist steil und die Erfolge schnell zu sehen. Zudem dürfen einige Fähigkeiten vergeben werden, die den Kämpfer oder die Kämpferin im Laufe des Spiels stärker machen. Und trotzdem: Rogue-like ist auf Scheitern ausgelegt, deshalb darf der Kopf nicht zu früh in den Sand gesteckt werden, denn Sifu wird euch viel Geduld und Nerven kosten. 

Das Problem mit dem Altern

Das interessanteste Spielelement ist allerdings, dass euer Charakter älter wird. Ihr startet im zarten Alter von 20 Jahren. Wenn euer Charakter stirbt, also wenn die Lebensanzeige auf null geht, ist das nicht das Ende, sondern dank eines Amuletts geht es direkt weiter – allerdings ein Jahr älter. Wer oft stirbt, altert noch schneller, da sich die Anzahl der Tode addiert. Im Alter ist euer Charakter erfahrener, hat also deutlich mehr Kraft, büßt allerdings Lebensenergie ein. Mit ca. 70 Jahren ist der Zenit erreicht und jeder weitere Tod könnte das komplette Ende des Levels bedeuten. Dann beginnt der Zähler des Altern von vorne, der Fortschritt ist allerdings futsch.

Das Alter bleibt über das komplette Spiel hinweg am Spieler haften, kann allerdings wieder zurückgesetzt werden. Durch gelungene Finisher, bei erfolgreich aufgeladener Blockleiste, wird der Protagonist wieder jünger. Es kann daher nützlich sein, in frühere Level zurückzugehen, um den Spieler jünger zu machen, steht man beispielsweise vor einem schwierigen Kampf. Das Alter spielt übrigens nicht nur eine spielerische Rolle, sondern auch eine optische. Der Charakter altert deutlich mit, was wirklich super umgesetzt wurde und zu den Highlights des Spiels zählt. Dadurch kann die Spielzeit von Sifu deutlich variieren. Profis werden den Abspann nach etwa 10 Stunden zu Gesicht bekommen, während ich beispielsweise deutlich an der 20-Stunden-Marke gekratzt habe. Das ist vor allem davon abhängig, wie oft euer Charakter während des Abenteuers ins Gras beißt.

Aber was heißt das jetzt alles für das Spielprinzip? Es gibt natürlich viel Backtracking, das heißt, ihr werdet viele Levelabschnitte oft wiederholen müssen. Checkpoints gibt es auch keine, sondern nur Abkürzungen, die es freizulegen gilt, um nicht jedes Mal den ganzen Level komplett zu spielen. Und dann kommt es auch immer darauf an, wie alt ihr gerade seid und ob es Sinn macht als „Rentner“ einen besonders schwierigen Boss gegenüber zu treten oder doch noch einmal einen früheren Level zu besuchen, um das Alter etwas aufzufrischen. Diese ganzen Spielmechaniken sind stark auf Skills des Spielers ausgelegt und belohnen die Fähigkeiten. Allerdings kann all das auch ganz schnell zu Frust führen, ist man mal nicht so geschickt am Controller, denn trotz Lernkurve, trotz unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade – Sifu bleibt bockschwer und erfordert viel Geduld.


Von der technischen Seite her gibt es wenig zu meckern. Sifu zeigt eine ordentliche Performance. Die Bildrate ist in Ordnung, reißt allerdings keine Bäume heraus. Dafür läuft das Spielgeschehen relativ stabil, lediglich einige flackernde Schatten am Rand waren etwas auffällig beim Testen. Etwas ärgerlicher ist da schon die Kamera. Diese kann hin und wieder zum Problem werden, gerade wenn mehrere Gegner auf einmal versuchen, euch den Gar auszumachen. Musikalisch kann Sifu dafür wieder voll und ganz überzeugen und unterstreicht den minimalistischen aber doch gut anzusehenden Grafikstil ordentlich.


FAZIT:

Sifu ist ein ganz besonderes Spiel. Ein Beat'em'Up mit Rogue-like-Elementen – alleine das klingt schon interessant und spielt sich auch so. Die bockschwere, aber motivierende Reise des Kampfschülers/der Kampfschülerin hat eine steile Lernkurve, hat man diese aber erstmal verinnerlicht, steht der Spaß an erster Stelle. Die Thematik mit dem Alterungsprozess ist das Highlight des Spiels und in dieser Form noch nie dagewesen. Hier kommt eine völlig neue Dynamik hinzu, welche den Spielverlauf je nach Skills des Spielers merklich beeinflusst. Das manchmal nervige Backtracking, die teils aufkommenden Frustmomente gerade bei den richtig harten Kämpfen und die manchmal unschönen technischen Momente trüben das Gesamtpaket etwas. Allerdings liefert Sifu ein wirklich interessantes Spiel, was Fans von Rogue-like-Spielen unbedingt auf dem Schirm haben sollten.

Unsere Wertung:
8.5
Michael Prammer meint: "Gelungener Genre-Mix mit einigen frischen Ideen, die über ein paar Frustmomente locker hinwegsehen lassen."
Sifu (Switch) erscheint am 08.11.2022 für PC und PlayStation 4 und PlayStation 5 und Nintendo Switch. Wir haben die Version für Nintendo Switch getestet. Für diesen Test wurde uns ein Rezensionsexemplar von SLOCLAP zur Verfügung gestellt.
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