South of the Circle
South of the Circle ist ein etwas eigentümlicher Titel für ein Spiel. Deutsche Gamer könnten sich fragen, welcher Kreis denn gemeint ist, finden die Antwort aber bereits im pastellfarbenen Titelbild: Der Polarkreis. South of the Circle vom kleinen Indie-Studio State of Play erzählt die Geschichte von Peter, der zur Zeit des Kalten Kriegs in der Antarktis gestrandet ist und sich währenddessen immer wieder an seine Tage an der Universität von Cambridge zurückerinnert.
Wir haben das für einen Apple Design Award nominierte Adventure für euch unter die Lupe genommen.
Vom (eisigen) Winde verweht
Bevor du stirbst zieht dein ganzes Leben an dir vorbei. Das behaupten zumindest manche Leute. In der Regel sind diese Leute noch ziemlich lebendig, daher ist es schwer die These auf Herz und Nieren zu überprüfen, aber zumindest im Falle von South of the Circle scheint sie zu stimmen.
Es ist das Jahr 1964 und der etwas schüchterne, aber liebenswerte Meteorologe und Universitätsdozent Peter steckt in großen Schwierigkeiten. Zusammen mit dem Piloten Floyd ist er mitten in der Antarktis mit einem Flugzeug abgestürzt. Der Pilot der kleinen Propellermaschine hat sich bei dem Unglück auch noch das Bein gebrochen und so muss Peter alleine durch den Tiefschnee stapfen und den eisigen Temperaturen der feindseligen Region trotzen, um eine nahe Forschungsstation und somit Rettung zu finden. Ein rot leuchtender Punkt am Horizont markiert die Position besagter Station, verwandelt sich aber schnell in die Signalleuchte eines kleinen Bahnhofs, denn im Schneegestöber erinnert sich Peter an bessere Zeiten zurück.
In einem Zugabteil lernen wir als Peter Clara kennen, die genau wie er an der Universität von Cambridge unterrichtet, sich als Frau aber von vielen Professoren respektlos behandelt fühlt. Ihre Freundin Molly findet ebenfalls, dass Frauen von vielen Männern zu sehr bevormundet werden. Sie organisiert in Cambridge außerdem Protestaktionen gegen die Atom-Politik Großbritanniens und erhofft sich von Clara und Peter Unterstützung dabei. Peters Professor ist derweil ein eher konservativer Typ, der Frauen nur ungern an der Universität sieht und Molly zudem für eine Kommunistin hält. Er drängt Peter dazu, endlich seine Studie über Wolken zu vollenden.
Im Laufe des Spiels wechselt South of the Circle immer wieder zwischen diesen zwei Zeitebenen hin und her. In der Gegenwart suchen wir in der Antarktis nach Hilfe, mit den Rückblenden erleben wir dagegen, wie Peter Clara immer näher kommt und sich schließlich zwischen seiner Karriere und seiner Liebe entscheiden muss. South of the Circle brennt nie ein Actionfeuerwerk ab und die Story, die sich irgendwo zwischen Beziehungsdrama und Polit-Thriller platziert, wird erst spät spannend. Sie wird jedoch auf kompetente Art und Weise erzählt und punktet mit realistischen, runden Charakteren, deren Beziehungen zueinander klar im Vordergrund stehen. Die Dialoge, häufig von ruhigen Klavierstücken hinterlegt, sind unterhaltsam und profitieren von einigen hervorragenden Synchronsprechern, die sämtliche Eigenheiten der sympathischen Hauptcharaktere wunderbar übermitteln können.
Ist das noch ein Spiel?
Kann das Gameplay mit der Story mithalten? Tatsächlich müssen wir konstatieren: Gameplay gibt es praktisch nicht. Im Grunde könnten wir unseren Test an dieser Stelle fast schon beenden, denn South of the Circle treibt das Prinzip einer Walking-Sim so sehr an die Spitze, dass man sich berechtigterweise die Frage stellen darf, ob es sich hierbei überhaupt noch um ein Spiel handelt. Während weiten Teilen dürfen wir nicht einmal unseren Protagonisten lenken, sondern müssen lediglich eine von drei Tasten drücken, um den jeweiligen Dialog voranzutreiben. Wer jetzt denkt, dass wir zumindest verschiedene Dialogoptionen auswählen dürfen, den müssen wir ebenfalls - zumindest teilweise - enttäuschen.
Zwar werden uns in der Regel verschiedene Dialogoptionen angeboten, wie diese jedoch aussehen wird stets nur angedeutet, denn South of the Circle verzichtet abgesehen von deutschen Untertiteln für die englische Sprachausgabe völlig auf Texteinblendungen. Wie ist das zu verstehen? Wir geben euch ein Beispiel: Clara möchte von Peter wissen, wie er mit seiner Arbeit vorankommt. Als Antwortmöglichkeiten werden drei Symbole eingeblendet: Ein blaues Rechteck (X-Taste), ein großer roter Kreis (B-Taste) sowie ein kleinerer, violetter Kreis (A-Taste). Eine gelbe Sonne und ein pulsierender, hellblauer Kreis runden in anderen Situationen die Auswahl an Symbolen ab.
Jedes Symbol steht für bestimmte Emotionen. Der kleine violette Kreis drückt beispielsweise Pessimismus und Schüchternheit aus, der pulsierende Kreis Offenheit und Vertrauen, die Sonne Freude und Optimismus. Zum Auswählen eines Symbols bleiben uns immer nur wenige Sekunden, denn auch Schweigen ist möglich. So können wir Gespräche lenken, ohne Antwortmöglichkeiten im Vorfeld direkt zu kennen. Das Prinzip ist interessant, kann allerdings in manchen Situationen zu unerwünschten Ergebnissen führen.
Minimalistische, aber stimmige Präsentation
Technisch zeigt sich South of the Circle durchwachsen. Die Akustik - sowohl die Musik, als auch die Geräusche und die Synchronisation - ist durchwegs gelungen. Die Optik präsentiert sich bisweilen jedoch sehr minimalistisch und kommt auf der Switch trotz der stark stilisierten Grafik immer wieder leicht ins Stocken. Die Entwickler haben sich für einen groben, flächigen Grafikstil entschieden, der alles wie eine Illustration aussehen lässt, wobei die Animationen dank Motion-Capturing-Aufnahmen ungeachtet dessen sehr realistisch daherkommen. Positiv hervorzuheben sind zudem noch einige sehr kreative Übergänge zwischen verschiedenen Szenen, wie beispielsweise die oben bereits erwähnte Signalleuchte der Arktisstation, die sich im Schneegestöber in die Ampel eines Bahnhofs verwandelt.
Die deutsche Übersetzung der englischen Sprachausgabe ist größtenteils gelungen, stolpert aber regelmäßig über Das/dass-Fehler, und in der zweiten Spielhälfte mag es irritieren, dass Clara, die mit Peter längst eines Liebesbeziehung hat, ihn noch immer mit "Sie" anspricht statt ihn zu duzen.
Fazit
South of the Circle erzählt im Laufe der drei bis vier Stunden Spielzeit auf kompetente Art und Weise eine gute, wenn auch stellenweise etwas langatmige Geschichte und punktet mit sympathischen, glaubwürdigen Charakteren und verschiedenen möglichen Enden. Potenziellen Käufern sollte allerdings klar sein, dass das Spiel darüber hinaus wenig zu bieten hat. Es handelt sich hier eben um eine Walking-Sim ohne nennenswertes Gameplay. Wen das nicht stört, der kann bedenkenlos zugreifen.