NplusX-Interview mit Dan Adelman
Die gamescom ist traditionell ein guter Ort, um mit interessanten Menschen über interessante Themen zu sprechen. Diesmal haben wir Dan Adelman getroffen. Als Business Developer bei Nintendo of America hat er WiiWare und den eShop groß gemacht und zudem den Grundstein für Nintendos gute Beziehungen zu vielen Indie-Entwicklern gelegt.
Nachdem er sich von den großen Gaming Companies entfernt hat, ist Adelman sein eigener Chef, berät Indie-Entwickler wie Tom Happ, den Entwickler hinter Axiom Verge, in allen Fragen rund um die Business-Seite der Spieleentwicklung.
In unserem Interview spricht Dan über seine neue Karriere, die Indie-Community und das grandiose Metroidvania-Spiel Axiom Verge, das dieser Tage für Wii U erscheint.
Hi Dan! Wie bist du zu der Entscheidung gekommen, dich als Business Consultant für Indie-Entwickler zu vermarkten? Klingt etwas ungewöhnlich für jemanden, der eine Karriere bei großen Unternehmen wie Microsoft und Nintendo hingelegt hat.
Das war tatsächlich etwas, was ich seit langer Zeit vorhatte. Als ich noch bei Nintendo war und das WiiWare-Geschäft hochzog, habe ich viel mit jungen Unternehmern und Entwicklern zusammengearbeitet – und hatte immer den Eindruch, dass ihre Arbeit unheimlich aufregend war. Ein Teil von mir war immer etwas neidisch auf ihre Freiheit. Zum Glück haben mich bei Nintendo of America alle nach Kräften unterstützt, als ich meine neuen Pläne vorgestellt habe. Und bis jetzt funktioniert das auch recht gut, ich bin sehr glücklich damit.
Was macht denn ein Business Consultant für Indie-Entwickler eigentlich?
Zuerst einmal sehe ich mich nicht als Berater, denn ein Berater ist in meinen Augen mehr so etwas wie ein Söldner, der für einen bestimmten Job geholt wird, diesen Job erledigt und dann wieder geht. Ich will das anders machen. Im Moment arbeite ich an drei verschiedenen Spielen, Axiom Verge, Chasm and Mages of Mystralia. Und für jedes dieser drei Spiele bin ich auf lange Sicht der Business-Mensch. Alle Verträge, die wir aushandeln, die ganze Marketing-Planung, PR, Kontakte zu den Plattformen, das läuft alles über meinen Tisch.
Für diese Indie-Entwickler, die richtig gut darin sind, Spiele zu entwickeln, ist die ganze Business-Seite immer sehr schwierig. Deshalb bin ich immer bei ihnen, und manchmal ist weniger zu tun, wenn es eher um die Entwicklung geht, mal mehr.
Also bist du eher ein dauerhafter Berater, der aktiv bleibt, bis das Spiel erscheint?
Genau. Ich habe zum Beispiel vor etwa einem Jahr begonnen, mit Tom Happ, dem Entwickler hinter Axiom Verge, zu arbeiten. Das war sechs Monate vor dem ersten Release des Spiels; und jetzt arbeiten wir immer noch zusammen, weil es weiterhin viel zu tun gibt; der Wii U-Launch zum Beispiel. Und danach? Nunja, womöglich kommt irgendwann ein Sequel zu Axiom Verge in Frage, wer weiß?
Oh, möchtest du da vielleicht etwas mit uns teilen ...?
Ich antworte mal, indem ich nicht antworte. Indem ich sage, dass Axiom Verge für Thomas bislang sehr gut funktioniert hat. Ich habe mit ihm gesprochen und fragte: „Wenn du nie mehr arbeiten müsstest, was würdest du dann mit deiner Zeit anfangen?“ Und er sagte: „Ich würde wahrscheinlich ein neues Spiel entwickeln.”.
Er hat noch viele Idee, und wenn ihr die Story von Axiom Verge kennt, dann wisst ihr, dass es da noch einige potenzielle Ideen gibt.
Wie entscheidest du grundsätzlich, wen du unterstützen möchtest? Du bekommst doch sicherlich zahllose Anfragen?
Ja, zum Glück. Zwar nicht jeden Tag, aber es ist schon eine anständige Zahl von Anfragen. Für mich geht’s hauptsächlich darum, ob ich so begeistert von dem Projekt bin, dass ich mich ein, zwei Jahre dafür begeistern kann. Und dann geht es natürlich auch um die Zeit, weil ich nicht will, dass die Projektphasen, wo es viel zu tun gibt, sich überlappen und eines der Spiele, an denen ich arbeite, darunter leidet.
Wir sind hier am Nintendo-Stand: Warum nicht bei Microsoft oder Sony, schließlich ist das Spiel auch auf deren Konsolen erschienen oder kommt noch. Ist Nintendo gerade aktiver in der Ansprache der Indie-Entwickler?
Als wir auf den Sony-Platformen erschienen sind, waren sie sehr hilfsbereit. Nintendo hat uns ebenfalls enorm unterstützt, sowohl in Europa als auch in Amerika. Sie waren auch so freundlich, mich hier zur gamescom zu bringen, was ziemlich schwierig für einen Indie-Entwickler ist. Und dann haben sie uns noch in einem Museum untergebracht, wo gerade eine Ausstellung mit Kunst aus Indie-Games läuft. Ich denke, es gibt da ein großes Bekenntnis zur Indie-Community bei Nintendo. Und es herrscht ein Verständnis, dass Nintendo selbst mal ein Indie-Entwickler war; und es ist nach wie vor das einzige große Unternehmen, in dessen Leitung viele Spieleentwickler sitzen.
Strahlt das in die ganze Indie-Community aus?
Ich denke schon. Es gab da einige Verwirrung am Anfang, als es darum ging, wie man sich am besten zur Indie-Szene positioniert. Denn viele Prozesse der letzten 20, 30 Jahre regeln den Kontakt zwischen großen Unternehmen wie Nintendo und EA oder Nintendo und Capcom. Es gab also definitiv einigen Wachstumsschmerz, als man ermittelte, was noch gut funktioniert und wo Nintendo sich anpassen muss. Da hat sich in den vergangenen Jahren tatsächlich enorm viel verändert.
Zum Beispiel der Übergang von WiiWare zum eShop?
Absolut! Die ganze Herangehensweise, das Momentum des ganzen Unternehmens, die ganze Trägheit. Es ist nicht nur eine kleine Gruppe, die das vertritt, sondern eine Mentalität, die sich durchs ganze Unternehmen zieht.
Du hilfst Tom Happ gerade mit seinem Metroidvania-Spiel Axiom Verge. Wie kam das? Bist du ein glühender Metroid-Fan oder ist er auf dich zugekommen?
Ich arbeite lieber mit Leuten, die mit bestimmten Bedürfnissen auf mich zukommen. Bei Axiom Verge ist Tom an mich herangetreten, er schrieb mir kurz nach meinem Weggang von Nintendo eine Mail: “Ich weiß noch nicht genau, ob ich deine Hilfe brauche, aber daran arbeite ich.“ Und er schickte mir eine Entwicklungsversion, die erst zu 80% fertig, aber schon verdammt gut war. Wir trafen uns zum Essen und insgeheim dachte ich nur: „Oh Gott, hoffentlich arbeiten wir zusammen“. Denn das Spiel ist wirklich unglaublich. Unsere Persönlichkeiten passten wirklich sehr gut zusammen und es hat ja auch sehr gut funktioniert.
Was magst du am Spiel am liebsten?
Das erste, was mich wirklich überzeugt hat, ist die Qualität der Steuerung, das ist mir superwichtig. Jetzt habe ich mich daran natürlich gewöhnt und würde sagen, dass ich die Glitch-Mechanik am liebsten mag.
Durch Wände und Gegner zu glitchen und so weiter?
Ja. Ich habe beim ersten Durchspielen gar nicht gemerkt, dass das so wichtig ist, aber durch ein wenig Experimentieren habe ich so viele Geheimnisse gefunden, dass ich ziemlich beeindruckt war. Diese Mechanik unterscheidet es wirklich von allem anderen.
Axiom Verge hat NES- oder SNES-Grafiken. Woher kommt diese Liebe für Artstyles, die 20 oder 30 Jahre alt sind? Wir sehen viele Indie-Titel, die so aussehen.
Ich glaube, dafür gibt es mehrere Gründe. Einer ist, dass diese Generation von Spieleentwicklern mit dem NES oder dem Super NES aufgewachsen ist, das war ihre Inspiration und ich glaube, dass sie Dinge kreieren wollten, die sie als Kinder bewegt haben. Und der andere Grund ist wahrscheinlich, dass diese Grafiken extrem gut für viele Genres funktionieren. Die Kachelraster machen es sehr klar, wie die Steuerung sich auswirkt. Wenn der Spielcharakter zum Beispiel springen soll, springt er genau drei Karos hoch. Es ist durch diesen Artstyle alles sehr klar im Raster arrangiert und trägt viel zur Spielerfahrung bei.
Was sind die häufigsten Fehler, die Indie-Entwickler machen?
Der schlimmste Fehler ist wahrscheinlich, wenn ich E-Mails von Leuten bekomme, die mir sagen: „Ich habe mein erstes Spiel gerade veröffentlicht und es läuft nicht. Ich glaube, ich brauche Marketing.“ Aber an diesem Punkt ist das Spiel schon erschienen, es läuft nicht, also wird natürlich kein Medium darüber berichten, weil man sieht, dass es ein Flop ist und niemand etwas darüber lesen möchte. Marketing ist keine natürliche Fähigkeit von Entwicklern, aber es ist dennoch wichtig, während der Entwicklung übers Marketing nachzudenken und Leute interessiert zu halten.
Und schon während der Entwicklung zu wissen, was Leute spielen wollen?
Naja, dazu kann man zwei Meinungen haben. Manche denken: „Entwickle das Spiel, das Spieler wollen.“ Und andere denken: „Entwickle, was du selbst gerne möchtest, und hoffe, dass es genug Leute gibt, die deine Vorlieben teilen.“ Ich persönlich mag den zweiten Ansatz lieber.
Welche Rolle sollten große Publisher spielen? Einerseits brauchen die Indies eine Finanzierung für ihre Titel, andererseits wollen sie ihre Unabhängigkeit behalten.
Ich glaube, die Zusammenarbeit mit einem großen Publisher hat nicht mehr genau die negativen Auswirkungen wie früher. Trotzdem finde ich, dass Indies sich genau überlegen sollten, mit wem sie zusammenarbeiten. Was will ich von meinem Partner? Wenn man nur Geld braucht, gibt es dafür vielleicht günstigere Quellen als einen Publisher. Auf der anderen Seite, kann es gut sein, mit einem Publisher zu arbeiten, wenn man als Indie denkt: „Ich will mich nur auf das Game-Design konzentrieren, aber habe keine Expertise in Marketing, Vertrieb und Qualitätssicherung.“ Jede Option hat Vor- und Nachteile, aber ich glaube nicht, dass Publisher immer böse oder Anti-Indie sind. Es gibt da viele Grauschattierungen, nicht nur Schwarz und Weiß.
Wo würdest du die Trennlinie zwischen einem Indie-Spiel und einem billig produzierten Shovelware-Titel ziehen?
Ich glaube, die Definition von “Indie” verliert gerade viel von ihrer Schärfe. Es gibt da Hobby-Entwickler, die gerade beginnen, das Coden zu lernen, und die nennen sich einen Indie-Entwickler. Und dann gibt es 50-Mann-Studios mit Millionen auf dem Konto, und die nennen sich auch Indie. Es ist echt schwer zu sagen, was Indie ist. Ist es ein Stil? Eine Geisteshaltung?
Für mich geht es um Kreativität, und dass wirklich die Persönlichkeit des Entwicklers durchscheint – das ist für mich die Hauptsache; dass man die Person hinter dem Spiel fühlen kann.
Eine letzte Frage, die wir allen unseren Interviewpartnern stellen: Mit wem hättest du gern mal ein Candlelight-Dinner, nur einen netten Abend mit Essen und Gesprächen?
Hmm, vielleicht Richard Feynman [ein amerikanischer Physiker, 1918-1988, Anm. d. Red.] Ich glaube, er wäre ein ausgezeichneter Gesprächspartner. Gewesen. (lacht)
Vielen Dank für das Interview – und hoffentlich treffen wir uns im nächsten Jahr wieder; vielleicht mit Axiom Verge 2.
Wie soll es auch anders sein, wenn es nichts anderen gibt...
Gibt definitiv sehr viele schöne Indie-Spiele, aber ich kann bei bestem Willen einfach nicht die Zeit dafür aufbringen. Dennoch Respekt an alle, die darin involviert sind und so hart arbeiten, obwohl das Rampenlicht nicht immer ankommt.