Test

OlliOlli World

Von Robert Emrich am 12.02.2022

Das Genre der Skateboard-Spiele war schon immer relativ überschaubar und tut sich auch heute noch primär durch die “Tony Hawk’s Pro Skater” - Spiele hervor. Nachdem SkateBIRD im vergangenen Jahr wenig überzeugen konnte, tut es gut, dass sich mit OlliOlli World Neues im Unter-Genre, der zu ihrer Zeit sehr erfolgreichen Skateboard-Sidescroller tut. Letztere konzentrieren sich mit ihrer reduzierten Perspektive mehr auf Tricks als auf die Erforschung von Skateparks. Ob der neue Teil der Reihe wohl an der Erfolg seiner Vorgänger anknüpfen kann? Finden wir es heraus.

Auf der Suche nach dem nächsten Skatewunder

Euer Abenteuer spielt im fiktiven Land Radlandia, das von den fünf Skate-Göttern geschaffen wurde, ehe sie sich in das mysteriöse Reich Gnarvana zurückzogen. Seitdem gibt es in Radlandia immer genau ein Skatewunder, einen Menschen der das rollende Brett so gut beherrscht, dass er (oder sie) den wahren Skate-Status des Gnarvana erlangt hat und mit den Skatergottheiten kommunizieren kann. Die aktuelle Inhaberin des Titels sucht zusammen mit ihren Freunden einen würdigen Nachfolger und ihr, frisch aus dem Charaktereditor geschlüpft, könntet genau der Kandidat sein, nach dem die Gruppe gerade sucht. Also nichts wie rauf aufs Brett. Allerlei Herausforderungen und Götter erwarten euch.

Immer voran, den Parcours hinab

Während die meisten gängigen Skateboard-Spiele den Schwerpunkt ihres Gameplays auf die freie Erkundung eines dreidimensionalen Raums setzen, geht die OlliOlli-Reihe seit jeher eigene Wege. Dementsprechend ist auch in diesem Teil wieder jeder Level ein schlauchförmiger Parcours bei dem ihr nahezu linear vom Start zum Ziel kommen müsst. Einige, in diesem Teil neu eingeführte Abzweigungen auf den Strecken, ermöglichen es zwar auf alternative Routen auszuweichen, doch auch diese führen euch letztlich zum selben Zielpunkt. Auch bremsen oder gar rückwärts fahren sind in dem Spiel zu keiner Zeit möglich. Stattdessen geht es für euch immer nur vorwärts und das am besten mit viel Schwung, den ihr braucht, um bei Sprüngen möglichst lange in der Luft zu bleiben und die tollkühnsten Tricks auszuführen. Flips, Grabs, Grinds, die namensgebenden Ollis und nahezu jeder andere Trick, den ihr vielleicht aus ähnlichen Spielen kennt, stehen euch direkt von Anfang an zur Verfügung und müssen zu möglichst langen Combos aneinandergereiht werden, um Highscores zu erreichen. Für das Bestehen der meisten Strecken und das Durchspielen der etwa sechs Stunden langen Haupthandlung sind diese aber nicht nötig. Oftmals reicht schon der einfache, gut getimte Olli, bei dem ihr mit dem Skateboard in die Luft springt, um einen Level nach einigen Versuchen erfolgreich abzuschließen. Dass viele Strecken nicht direkt beim ersten Versuch geschafft werden, liegt am durchgehend abwechslungsreichen Design der Parcours und dem enorm schnellen, aber niemals unfairen Tempo mit dem eure Charaktere unterwegs sind. Schnelle Reaktionen und geschulte Finger am Controller sind für den erfolgreichen Skateboarder in OlliOlli World enorm wichtig, wobei der neueste Teil insgesamt deutlich einsteigerfreundlicher, als noch seine Vorgänger ist. Stürzt ihr im Laufe einer Fahrt doch einmal, werdet ihr auf Knopfdruck innerhalb von Sekundenbruchteilen zum zuletzt passierten Checkpunkt oder auf Wunsch sogar zum Anfang der Strecke zurück teleportiert und könnt es gleich noch einmal versuchen. Jede Strecke hat diverse Checkpunkte, sodass der Zeitverlust bei einem Sturz selten mehr als 20 Sekunden beträgt.

Wo sind meine letzten vier Stunden hin?

Dass sich die Spielzeit trotz der minimalen Zeitverluste und der kurz wirkenden Kampagne in die Länge zieht, liegt am Ehrgeiz, den das Spiel von der ersten Sekunde in euch weckt. Natürlich könnt ihr einfach mit den simpelsten Tricks durch die einzelnen Level rasen und das Spiel an einem Tag abschließen. Aber das ist dann in etwa so reizvoll, wie ein Zelda-Spiel, in dem man nichts erforscht. Stattdessen wollten wir während des Tests an allen möglichen Stellen noch den einen oder anderen Stunt wagen, und dabei spielt OlliOlli World seine Stärken voll aus. Die neuen alternativen Pfade laden zu wiederholten Besuchen bereits geschaffter Strecken ein und die in jedem Level verfügbaren Aufgaben halten euch konstant auf Trab und belohnen euch mit kosmetischen Gegenständen und Bonusleveln, in denen ihr wirklich gefordert werdet. So könnt ihr selbst in der ersten und einfachsten der fünf Zonen des Landes Radlandia deutlich mehr Zeit verbringen, als es der erste Anschein vermuten lässt und euch trotzdem immer gut unterhalten fühlen. Ein Zustand, der auch in den anderen Zonen dank der stets neuen Herausforderungen nicht abreißt.

Wollt ihr noch mehr?

Wer nach dem Abschluss der Haupthandlung und aller Bonuslevel immer noch mehr will, kann entweder gegen die Geistdaten anderer Spieler antreten, um auf einer Strecke die meisten Punkte zu holen und innerhalb einer Liga aufzusteigen. Einen direkten Mehrspielermodus in dem ihr etwa lokal gegen Freunde antreten könnt, bietet das Spiel leider nicht. Dafür bietet euch das Spiel aber noch das “Gnarvana Portal” an, einen Modus in dem das System anhand einiger weniger Vorgaben von euch innerhalb von Sekunden einen zufälligen Level kreiert. Diesen könnt ihr danach mittels einer sogenannten Postleitzahl (entspricht dem Seed in anderen Spielen) mit Freunden teilen und die Möglichkeit, bei Bedarf Millionen neue Level zu erstellen, streckt den Inhalt des Spiels entsprechend massiv. 

Immer schön geschmeidig bleiben

Eines der Hauptmerkmale, durch die sich OlliOlli World hervortut, ist seine durchgehend entspannte Atmosphäre, die euch zwar zum ausprobieren zum Tricks motiviert, dabei aber nie irgendwelchen Druck aufbaut. Ruhige Elektrobeats und gut gelaunte Nebencharaktere begleiten eure Aktionen so lässig, als wären sie allesamt kurz vor dem Spiel aus einem heißen Schaumbad gestiegen. Und selbst die großen Skate-Götter entpuppen sich unter anderem als gut gelaunte Typen in Badeshorts, die euch nur zu gerne mit ihrer Spezialisierung vertraut machen. So lässt das Spiel zusammen mit der fröhlich bunten Cartoonwelt auch in seinen fordernden Leveln nie Frust aufkommen und selbst nach unserem zwanzigsten Fehlversuch eine Herausforderung zu schaffen, waren wir nie sauer, sondern immer wieder motiviert, es doch noch einmal zu versuchen. Da das Spiel euch von Anfang an alle verfügbaren Tricks zur Verfügung stellt, sie aber erst im Laufe der Gebiete erklärt (es selber herauszufinden ist natürlich möglich, wenn ihr darauf Lust habt) stellt sich recht früh eine gut gelaunte Gelassenheit ein, wenn eine Herausforderung in einem frühen Gebiet zu schwer wirkt. Ihr schafft einen früh geforderten Highscore nicht? Dann probiert es entweder immer weiter, oder lernt die Tricks im Laufe des weiteren Spiels und kehrt später mit dem neuen Wissen noch einmal zu dem Level zurück. Dem Spiel macht es nichts aus und das vermittelt es auch deutlich besser, als die meisten anderen Vertreter des Genres.

Schöner rollt man nirgendwo auf der Switch

Obwohl es ein Sidescroller bleibt, nutzt OlliOlli World anders als seine Vorgänger zum ersten mal 3D-Grafiken, um die Welt mittels Cel Shading im Stil einer Zeichentrick-Welt darzustellen. Das mag Spielern, die auf eine realitätsnahe Darstellung wert legen weniger gefallen, funktioniert in dem Spiel, das sich selber nicht zu ernst nimmt aber sehr gut und ermöglicht dem Titel neue Möglichkeiten, wie die bereits genannten Abzweigungen und Halfpipes mit denen ihr ebenfalls zu einer anderen Strecke wechselt. Auf der Switch läuft die Grafik absolut sauber und verwirrt nur in den Zwischensequenzen aufgrund der leicht ruckeligen Animationen der Charaktere zuerst ein wenig. Ein direkter Vergleich mit anderen Plattformen zeigt aber, dass es sich hierbei um einen gewollten Animationsstil handelt, der in allen Spielversionen identisch dargestellt wird und während der Abfahrten laufen alle Animationen sowieso absolut sauber und flüssig.

Der bereits erwähnte Soundtrack, der ausschließlich aus elektronischen Musikstücken besteht, passt ebenfalls sehr gut zum Spiel und unterlegt das Geschehen bewusst unauffällig, um auch Spieler, die sonst weniger mit derartiger Musik anfangen können, unterhalten zu können. Gut gefallen hat uns besonders, dass wir zwischen den 23 Stücken des Soundtracks mit den Schultertasten zu jeder Zeit hin und herschalten konnten und eine clevere Zufallsfunktion die Songs immer wieder leicht durchmischt. Das macht das gezielte Abrufen eines Liedes zwar ein wenig umständlicher, reduziert aber die Langeweile die aufkommen kann, wenn die Songs eines Spiels immer in der gleichen Reihenfolge abgespielt werden.

Die Steuerung, die bei einem Sportspiel oft mit das wichtigste Element ist, wurde zum großen Teil sehr gut gestaltet und funktioniert nach einer gewissen Phase der Eingewöhnung sehr gut. Es braucht eine kleine Weile, um sich daran zu gewöhnen, dass man zum Springen keine Taste drücken, sondern den linken Analogstick loslassen muss, doch schon nach einigen Leveln hatten wir den Dreh raus und konnten dann auch die meisten Tricks problemlos ausführen. Lediglich die Funktion, auf Knopfdruck jederzeit zum zuletzt besuchten Checkpoint zurückzukehren liegt auf der X-Taste ein wenig unglücklich und wurde im Rahmen unseres Tests mehr als einmal unabsichtlich genutzt, obwohl man die viele der Tasten im Verlauf einer Abfahrt gar nicht braucht. Eine Möglichkeit, die Tasten umzubelegen bietet das Spiel leider nicht an.

Auch in allen anderen technischen Bereichen gibt es wenig bis gar nichts zu beanstanden. Die Ladezeiten sind kurz und auch die Anbindung an die Server im Mehrspielermodus klappte in unserem Test auf Anhieb. Lediglich das Replay der Geistdaten anderer Spieler klappt noch nicht ganz. Die Charaktere und deren Tricks werden zwar korrekt angezeigt, heben aber nach einer Weile dauerhaft vom Boden des Levels ab und führen ihre Tricks danach durch die Level fliegend aus. Ein Fehler im Spiel, der eher witzig, als wirklich störend wirkt.

Fazit:

Das Warten hat sich gelohnt! OlliOlli World ist nicht nur ein würdiger Vertreter seiner Reihe, sondern auch des Genres der Skateboard-Spiele. Mit einer sehr guten Mischung aus entspanntem Gameplay und kniffligen Herausforderungen vollführt das Spiel einen sauberen Balanceakt und bleibt für Fans der älteren, schwereren Teile ansprechend, ohne dabei neue Spieler vor den Kopf zu stoßen. Die Technik läuft auf der Nintendo Switch absolut sauber und mit dem Multiplayer- und Gnarvana-Modus bietet der Titel euch für aktuell knapp 30 Euro für Jahre genug zu tun. Wer auch nur im mindesten Interesse an dem Genre hat, kann in jedem Fall bedenkenlos zugreifen. 

Von uns getestet: Nintendo-Switch-Version

Wir danken Private Division für die Bereitstellung des Testmusters.

Unsere Wertung:
8.5
Robert Emrich meint: "Sorry Tony Hawk, aber auf dem Genre-Thron sitzt jetzt ein neuer König."
OlliOlli World von Roll7 erscheint für PC und PlayStation 4 und PlayStation 5 und Nintendo Switch und XBox One und XBox Series. Wir haben die Version für Nintendo Switch getestet. Für diesen Test wurde uns ein Rezensionsexemplar von Private Division zur Verfügung gestellt.
Nur registrierte Benutzer können Kommentare verfassen. Jetzt registrieren