Test

Tails of Iron

Von Robert Emrich am 20.09.2021

Das Genre der Soulslike-Spiele ist noch relativ jung und umfasst Action-Adventures, die vergleichbare Mechaniken und Elemente wie die Dark-Souls-Reihe nutzen. So zeichnen sich die Spiele in der Regel durch außerordentlich schwere (Boss-)Kämpfe aus, bei denen ihr im Verlauf von diversen Versuchen das Kampfverhalten der Gegner sowie die dazu passenden Reaktionen, erst einmal erlernen müsst, ehe ihr sie besiegen könnt. Kurz: Spiele dieses Genres sind in der Regel düster, brutal und richtig, richtig schwer.

Von Odd Bug Studio kommt jetzt das Soulslike Tails of Iron, das die genannten Mechaniken mit der Grafik von niedlichen, handgezeichneten Charakteren ergänzt. Ob und wie gut das funktioniert, haben wir uns für euch einmal angesehen.

Es war (wieder) einmal…

Im fernen Königreich der Ratten gab es schon vor Jahrhunderten Krieg gegen die Frösche, die regelmäßig in das Land einfielen, um es für sich zu erobern. Kurze Phasen des Friedens wechselten sich mit grausigen Gemetzeln ab und die armen Bürger des Königreiches litten sehr - bis eines Tages der junge König Rattus an die Macht kam. Er vereinte als erster die Reiche der Ratten und trieb die fiesen Frösche samt ihrem Anführer Grünwarze zurück in die Sümpfe aus denen sie gekommen waren. Lange Zeit herrschte Frieden im Reich und der König gründete eine Familie und wurde mit den Jahren alt und gebrechlich, während sich sorgenvolle Gerüchte um Grünwarzes Rückkehr im Königreich verbreiteten. Und so fasste Rattus eines Tages den Entschluss, die Krone an einen seiner Söhne weiterzureichen und den bestgeeigneten Thronfolger in einem Turnierkampf zwischen den Brüdern zu finden.

An dieser Stelle steigt ihr als Redgi in das Spiel ein. Von eurem treuen Diener durch das Schloss geführt erlernt ihr zuerst alle wichtigen Grundlagen und dürft euch ausrüsten, mit einem Frühstück stärken und das Kämpfen an einer Holzpuppe erlernen, ehe es für euch auf den Turnierplatz geht. Hier stellt ihr euch in der finalen Prüfung des Tutorials dem klaren Favoriten des Volkes: Eurem großen Bruder Denis. Mit dem Sieg über Denis gefolgt vom Kampf gegen die plötzlich auftauchenden Armeen der Frösche endet das Tutorial und überlässt euch euch selbst, während euer frisch errungenes Königreich in Flammen aufgeht und euer Volk um Rettung oder Gnade fleht.

Hart wie Eisen

Auch wenn es durch das Soulslike-Genre an sich eigentlich schon klar sein sollte, verdeutlicht bereits die Eröffnungssequenz, dass Tails of Iron, trotz seiner putzigen Charaktere, absolut kein Spiel für Kinder ist. Blut spritzt schon in den ersten Sekunden aus klaffenden Wunden und ganz besonders der Anfang des eigentlichen Spiels, in dem sich die Opfer des Angriffs in den Straßen des Rattenreiches stapeln, ist ziemlich düster. Dabei behält das Spiel, auch aufgrund des Grafikstils, immer die Balance und zeigt die Brutalität der Kämpfe, ohne dabei zu einer Blutorgie auszuarten.

Auch spielerisch geht es bei den vielen Kämpfen, die das Kernelement bilden, hart zur Sache. Ausgestattet mit Rüstung, Schild, leichter, schwerer und Fernkampf-Waffe, stehen euch neben den Angriffen mit den drei Waffentypen noch der Schildblock, die Parade und das Ausweichen von Angriffen als Aktion zur Verfügung. Jede Verteidigungs-Art kontert eine Form des Angriffs, die euch der Gegner vorher in den meisten Fällen durch eine farbliche Warnung ankündigt, wobei euch für die Reaktion oft kaum mehr als eine Sekunde bleibt. Dementsprechend hilfreich ist es, wenn ihr versucht euch die Bewegungsmuster der einzelnen Gegnertypen so gut es geht einzuprägen, um auf besonders fiese Angriffe und Lücken in der Verteidigung vorbereitet zu sein.

Solltet ihr doch einmal getroffen werden, haltet ihr Anfangs ohne besondere Rüstungen meistens zwei bis drei Treffer aus, ehe ihr das Zeitliche segnet. Ein Heiltrank, den ihr immer dabei habt und der regelmäßig aufgefüllt werden kann, verbessert eure Überlebenschancen merklich und kann bis er leer ist je nach Bedarf mehrfach und in kleinen Schlucken getrunken werden. Doch beim Trinken könnt ihr nur langsam laufen und nicht kämpfen, weswegen auch hier gutes Timing gefragt ist. Wenn ihr dann doch einmal sterbt (und glaubt uns, es wird passieren), startet ihr Sekunden später wieder an der zuletzt genutzten Parkbank. Diese sind die Speicherstellen im Spiel und wurden von den Entwicklern so großzügig verteilt, dass ihr bei regelmäßiger Nutzung nur in seltenen Fällen länger als eine Minute braucht, um den Kampf noch einmal versuchen zu können.

Andere Strafen, wie den Verlust von Erfahrung oder Gold, gibt es bei einem Ableben nicht. Außerdem verzichtet das Kampfsystem gänzlich auf eine Ausdauerleiste, sodass ihr euch um diese während der Gefechte keine Sorgen machen müsst. Wildes Eingehämmer auf die Tasten bringt euch aber trotzdem nicht weiter, da ihr zum Beispiel mitten in einem schweren Angriff keinen schützenden Schild zücken könnt, sondern erst das Ende der Aktion abwarten müsst. Dennoch sollte der Titel aufgrund dieser Designentscheidungen ein wenig einfacher als seine Genre-Vorbilder sein. 

Grundsätzlich spielt sich Tails of Iron in den zehn bis zwölf Stunden, die man zum Durchspielen benötigt immer fordernd, aber nie unfair. Einige Bosse benötigen, dem Genre entsprechend, ein paar (mehr) Versuche, aber selbst bei den härtesten Kämpfen solltet ihr nach diversen Niederlagen unweigerlich merken, dass man Versuch für Versuch immer besser wird. Auch bei regulären Gegnern werdet ihr mit der Zeit eine Entwicklung feststellen. Zum Teil, weil ihr sie irgendwann kennt und zum anderen auch, weil ihr mit der Zeit immer mehr und bessere Ausrüstung findet. Fast 200 Gegenstände aus allen Waffen- und Rüstungs-Kategorien können von euch gefunden, geschmiedet oder in Quests verdient und beliebig ausgestattet werden. Letzteres aber nur an Ausrüstungstruhen, die ihr an strategisch geschickten Orten finden könnt. In der Welt selber könnt ihr eure ausgerüsteten Waffen und Rüstungsteile nicht wechseln und müsst mit dem klarkommen, was ihr aktuell angelegt habt. Freundlicherweise habt ihr aber bei jedem in der Welt gefundenen Item einmalig die Chance, es direkt anzulegen, oder es in der Truhe zu lagern. Bei jedem neuen Ausrüstungsteil gilt es abzuwägen, ob es in der aktuellen Situation nützlich ist. Denn nicht alles, was ihr später im Spiel findet, ist für euren Spielstil automatisch besser. Äxte schlagen langsam und hart zu, Speere sind schnell aber schwach und Schwerter liegen irgendwo in der Mitte. Je stabiler und schwerer die Rüstung, desto langsamer macht sie euch auch. Und viele Körperpanzer haben eine Resistenz gegen eine von vier Gegner-Fraktionen, sodass ihr euch immer mal wieder umziehen solltet, um gegen den aktuellen Gegner die richtige Ausrüstung zur Hand zu haben.

Neben den besagten Truhen, die übrigens alle auf eure komplette Ausrüstungs-Sammlung Zugriff haben, und den Speicherbänken findet ihr in der Welt auch regelmäßig Heiltrank-Bottiche, Giftkessel und Munitionsfässer, die die jeweiligen Ressourcen bis zu deren Obergrenze auffüllen und immer wieder genutzt werden können. Umsicht und ein gelegentlicher Umweg zum Auffüllen der Ressourcen können sich also lohnen, ohne das Spiel dabei künstlich in die Länge zu ziehen. Da einige der sechs verfügbaren Biome weiter auseinander liegen oder anders gar nicht erreichbar sind, bietet euch das Spiel an festen Punkten die Möglichkeit einer Schnellreise an. Diese können selbstredend auch immer wieder benutzt werden.

Wem all das zu einfach oder trotz all dieser Maßnahmen immer noch zu schwer ist, hat leider Pech gehabt, denn Tails of Iron bietet bewusst keinen Easy- oder Hard-Modus. Dahinter steht laut den Entwicklern der Gedanke, dass es dem Spiel schaden würde, wenn die zur Geschichte gehörenden Kämpfe auf Leben und Tod plötzlich sehr einfach oder schwer wären. Redgi kämpft (meist alleine) gegen eine Armee aus Fröschen, Käfern, Moskitos und Zombies. Und genau so soll es sich für euch auch anfühlen.

Großer Spaß mit kleinen Helden

Was Handlung und Atmosphäre angeht, macht Tails of Iron nahezu durchgehend eine sehr gute Figur und gerade in den ersten Stunden zieht das Spiel alle Register, um euch das Gefühl, alleine gegen eine Armee zu stehen auch wirklich zu vermitteln. Ein dumpfer bedrohlicher Soundtrack untermalt das Geschehen und wird nur von der Stimme des Erzählers unterbrochen, für den Doug Cockle verpflichtet wurde, den Witcher Fans als die englische Stimme von Geralt von Riva kennen. Dieser bleibt während des ganzen Spiels mit seiner super zum Thema passenden Stimme an eurer Seite und übersetzt kontextbildend die Gespräche der Charaktere, die international verständlich als kleine Bilder in Sprechblasen angezeigt werden. Eine deutsche Synchronisation bietet das Spiel leider nicht. Untertitel stehen aber natürlich zur Verfügung.

Mit dem Sieg über die ersten Bosse und der damit verbundenen Befreiung der ersten Gebiete ändert sich die Stimmung des Spiels dann aber merklich und wird spürbar leichter, wenn die überlebenden Bewohner des Reiches aus ihren Verstecken kommen und sich an das Aufräumen und Reparieren der Gebiete machen, während vereinzelte Musikanten einen neuen leichteren Soundtrack anstimmen.

An dieser Stelle ist das Spiel dann auch konsequent und einmal von Fröschen befreite Gebiete bleiben froschfrei, sofern die Handlung nichts anderes sagt, sodass die Reise durch sie merklich einfacher voran geht. Nur Mücken und Käfer sind, wie schon im echten Leben, in vielen Bereichen einfach nicht tot zu bekommen und können immer mal wieder getötet werden. Da ihr aber irgendwann stark genug werdet, um die Viecher schnell ins Jenseits zu befördern und ihnen in befreiten(!) Gebieten auch einfach davonlaufen könnt, sind die Kämpfe mit ihnen eher nützlich als lästig. Tote Käfer geben euch nämlich diverse Ressourcen und können sogar euren Heiltrank leicht auffüllen. Trotz der mangelnden Bedrohung, die euch in den wunderschön gestalteten Leveln an allen Ecken und Enden bestätigt wird, verliert das Spiel im späteren Verlauf aber nicht an Fahrt und konfrontiert euch immer wieder mit neuen Gebieten und fordernden Bossen, sodass die Zeit bis zum großen Finale verfliegt und wir uns gerne noch ein paar weitere Abenteuer mit Redgi gewünscht hätten. Einen wirklichen Wiederspielwert hat der Titel mangels Hard-Mode leider nicht. Immerhin enthält das Spiel aber ein eigenes kleines Erfolgssystem, das euch auch nach dem Abspann noch einmal Gelegenheit und Motivation gibt, euer Reich nach verpassten Bossen und Gegenständen zu durchforsten.

Die Schönheit der Rattenwelt

Obwohl Ratten vermutlich nicht jedem so gut gefallen wie den Entwicklern, die ihre eigenen Haustiere als Vorbilder für die Figuren im Spiel genutzt haben, muss wohl auch der härteste Ratten-Hasser zugeben, dass Tails of Iron ein wunderschönes Spiel geworden ist, das auch auf der Nintendo Switch ausgezeichnet läuft. Die Level quillen über vor Leben und Bewegung und immer wieder könnt ihr im Hintergrund freundliche und feindliche Charaktere sehen, die ihrem ganz eigenen Tagewerk nachgehen. Wettereffekte verleihen dem Land eine zur aktuellen Handlung passende Stimmung, die von einer dazu passenden Akustik unterstützt wird. Der Soundtrack der einzelnen Zonen des Spiels ist gut, müsste aber gerade im Dorf der Ratten, das ihr immer mal wieder besuchen werdet, ein wenig vielseitiger sein, um begeistern zu können. Hier wäre eine zufällige Auswahl von zwei oder drei Lieder, die der örtliche Musikant spielt eine tolle Sache gewesen. 

Auch die Ladezeiten sind grundsätzlich gut. Innerhalb eines Biomes dauert der Wechsel zwischen Räumen kaum eine Sekunde und auch der Neuversuch nach einer Niederlage funktioniert ohne merkliche Wartezeit. Lediglich die Ladezeit bei der Reise zwischen den Biomen kann euch mit 30 - 40 Sekunden Dauer ein wenig lang vorkommen, doch der Wechsel zwischen ihnen ist nicht allzu oft nötig und wird euch zudem mit hübschen Ladebild-Animationen ein wenig versüßt.

Bei der Steuerung läuft erwartungsgemäß alles problemlos. Wie bereits erwähnt dauern manche Aktionen, wie zum Beispiel eine Ausweichrolle oder ein schwerer Schlag eine kurze Weile und wie auch im echten Leben, könnt ihr währenddessen keine andere Aktion ausführen, sodass stumpfes Angreifen euch schnell ins grab befördern wird. Wer die Angriffe der Gegner aber kennt und geschickt spielt, kann mit der Steuerung auf nahezu alle Aktionen pfeilschnell reagieren. 

Fazit:

Machen wir es kurz: Tails of Iron ist ein großartiges Soulslike geworden, das mit seiner etwas reduzierten Schwierigkeit alle ansprechen kann, die dem Genre immer mal eine Chance geben wollten, sich an Titeln wie der Dark-Souls-Reihe aber die Zähne ausgebissen haben. Die Story ist toll, die grafische Präsentation eine Wucht und die Kämpfe immer knackig, aber nie unfair. Auch in allen anderen Belangen ist das Spiel mindestens gut, wobei der Umfang des Spiels den aktuellen Preis der digitalen Version absolut rechtfertigt und nur deswegen subjektiv empfunden zu klein wirkt, weil wir gerne mehr mit Redgi erleben wollen.

Die geplante Retail-Version, die im Oktober übrigens kommen soll, wird mit knapp 40 Euro um einiges teurer sein, deckt mit dem höheren Preis aber vermutlich die Mehrkosten für die Speicherkarte und bietet euch als kleinen Bonus drei zusätzliche Rüstungssets.

Trotz allem Lob muss aber noch einmal klar gesagt werden, dass Tails of Iron kein einfaches Spiel ist und ihr über eine gewisse Frustresistenz verfügen solltet, damit ihr das Spiel nach den ersten Dutzend Niederlagen nicht genervt zur Seite legt. Die damit verbundene Herausforderung ist, so masochistisch es für Genre-Neulinge auch klingen mag, der Reiz solcher Spiele.

Wer bereit ist sich ein paar fordernde Stunden lang auf eine schöne Geschichte mit liebenswerten Charakteren einzulassen, der kann ab jetzt im E-Shop zuschlagen und eine Menge Spaß haben.

Von uns getestet: Nintendo-Switch-Version
Vielen Dank an Swordfish PR für die Bereitstellung des Testmusters.

Unsere Wertung:
8.5
Robert Emrich meint: "Großartiges Abenteuer mit niedlichen Charakteren, für das ihr aber ein dickes Fell benötigt."
Tails of Iron erscheint für PC und PlayStation 4 und Nintendo Switch und XBox One. Wir haben die Version für PC getestet.
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