The Last of Us Part 2
Es ist sieben Jahre her, dass Sony und Entwicklerstudio Naughty Dog mit dem ersten Teil von The Last of Us einen der besten PS3-Titel überhaupt veröffentlichten. Dem Erfolg des Spiels ist es zu verdanken, dass die eigentlich abgeschlossene Geschichte jetzt eine Fortsetzung findet. Kann diese überzeugen?
The Last of Us Part 2 spielt abgesehen von einigen Rückblenden vier Jahre nach den Ereignissen des ersten Teils und beginnt mit einem etwas gealterten Joel, der sich mit seinem Bruder Tommy über eben diese Ereignisse unterhält. Joel berichtet, dass die Widerstandskämpfer, die sich die „Fireflies“ nannten, mithilfe der damals 15-jährigen Ellie einen Impfstoff gegen den Virus hätten entwickeln können. Ellies genetische Eigenheit hätte der weiteren Ausbreitung des schrecklichen Virus, der alle Infizierte in wahnsinnige Zombies mit pilzartigen Auswüchsen verwandelt, ein Ende setzen können. Um das zu bewerkstelligen, hätten die Fireflies das Mädchen jedoch töten müssen.
Joel kämpft mit Gewissensbissen. Tommy ist die erste Person, der er von seiner egoistischen Entscheidung erzählt hat. Ihm ist klar, dass sein Entschluss Ellie zu retten auf Kosten der gesamten Menschheit ging. Ellie selbst weiß davon scheinbar nichts. Sie lebt seit damals im Glauben, dass ihre Immunität nicht auf andere Menschen übertragbar sei. Inzwischen ist sie 19 Jahre alt und wohnt mit Joel, Tommy und hunderten anderen Menschen relativ komfortabel in einer kleinen Ortschaft namens Jackson im US-Staat Wyoming.
Das Intro schlägt im Prinzip gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Es dient einerseits als knappe Zusammenfassung der vergangenen Ereignisse, es zeigt aber auch, wie wichtig Ellie für Joel ist und welchen inneren Konflikt er ihretwegen hat.
Die Welt außerhalb von Jackson ist trostlos und brutal. Zwei verfeindete Fraktionen kämpfen mit allen Mitteln ums Überleben und sind dazu bereit, sogar einen Bürgerkrieg anzuzetteln. Davon abgesehen gibt es natürlich noch massig Infizierte, die stets auf der Suche nach Menschenfleisch sind.
Um für die Sicherheit Jacksons zu sorgen, ziehen bewaffnete Reiter paarweise immer wieder aus, um die umliegenden Gebiete zu patrouillieren und gegebenenfalls von Infizierten zu säubern. Als mehr als fähige Schützin wird auch Ellie regelmäßig für solche Patrouillengänge eingeteilt, nicht selten mit der bisexuellen Dina, die aus ihren Gefühlen für Ellie keinen großen Hehl macht. Ellie selbst ist lesbisch, was bereits seit dem DLC „Left behind“, spätestens aber seit dem E3-Trailer 2018 klar sein sollte, und so ist es wenig verwunderlich, dass sie nichts gegen Dinas Annäherungsversuche einzuwenden hat. Während die beiden Frauen aufgrund eines Schneesturms in einem Keller ausharren müssen, teilen sie sich einen Joint und kommen sich näher. Joel und Tommy sind währenddessen ebenfalls als Patrouille unterwegs, haben dabei aber bei weitem keine so schöne Zeit wie Ellie und Dina, die wenig später den beiden Herren zu Hilfe eilen müssen.
Vom Hass zerfressen
Es ist schwierig, mehr über die Story von The Last of Us 2 zu verraten, ohne dabei wichtige Inhalte zu spoilern. Der zweite Teil ist im Prinzip eine große Rachegeschichte. Ellie muss mit Hilfe einiger weniger Verbündeter nach Seattle und dann nach Kalifornien, um sich an denen zu rächen, die ihr unmenschliches Leid zugefügt haben. Hass ist ein zentrales Thema, ebenso die Unfähigkeit loszulassen und Gewalt, die immer nur zu mehr Gewalt führt. Wie weit gehen Menschen, um einem Freund zu helfen? Wie weit gehen sie, um den Verlust einer geliebten Person zu rächen? The Last of Us 2 versucht solche und ähnliche Fragen zu beantworten und ist dementsprechend mitnichten ein fröhliches Spiel. Es ist ein knallharter Mix aus Drama und Survival-Horror und ist dabei ungemein nervenaufreibend. Brachiale Actionsequenzen, bei denen das Herz vor Spannung schneller schlägt, folgen auf ruhigere emotionale Momente und umgekehrt. Selten zuvor hat es ein Spiel geschafft eine Story, vielschichtige Charaktere und packendes Gameplay so gekonnt miteinander zu verzahnen. Die ein oder andere Szene sitzt dabei jedoch wie ein Schlag in die Magengrube. Das sollte Jedem vor dem Kauf klar sein. The Last of Us 2 zwingt den Spieler in höchst unangenehme Situationen. Naughty Dog bricht absichtlich mit alteingesessenen Konventionen und führt dem Spieler so die Konsequenzen des eigenen Handelns schonungslos vor Augen. Ellie ist so wenig eine Heldin, wie ihre Feinde Monster sind – mit Ausnahme der Infizierten. Die menschlichen Gegner kämpfen genau wie Ellie ums Überleben und haben häufig nachvollziehbare Gründe für ihr Handeln.
Objektiv muss man festhalten, dass die Geschichte durch viele Cutscenes und unzählige glaubwürdige Dialoge erstklassig erzählt wird und immer wieder zum Nachdenken anregt. The Last of Us 2 bleibt selbst nach dem Abspann noch lange im Gedächtnis. Wer aber mit falschen Erwartungen oder gar Hoffnungen das Spielen beginnt, könnte schnell enttäuscht werden, wie inzwischen auch zahlreiche Videos auf Youtube und Frust-Reviews auf Metacritic zeigen. Darauf werden wir aber noch in einem gesonderten Kommentar eingehen.
Eine fantastisch beklemmende Welt
Die unglaublich realistische Welt, die Naughty Dog erschaffen hat, wird allerdings gewiss niemanden enttäuschen. The Last of Us 2 ist kein Open-World-Spiel, fühlt sich aber stellenweise so an. Auf ihren jeweiligen Reisen kommen die spielbaren Charaktere durch allerlei Gebiete. Manche sind schlauchartig gestaltet und dementsprechend linear konzipiert, während andere, offenere Areale zu Erkundungstouren einladen und sogar die Einführung einer Landkarte im Spiel erfordern. Egal, wo wir als Spieler unterwegs sind - alles fühlt sich authentisch und trotz unzähliger untoter Kreaturen lebendig an. In Jackson machen Ellie und Dina eine Schneeballschlacht mit einigen Kindern, ehe sie durch Straßen mit dutzenden geschäftigen Menschen ziehen. Pferde stehen nicht nur wartend im Stall herum, sondern werden von Stallarbeitern erst gesattelt und dann an Ellie und Dina übergeben. Jede kleinste Aktion wurde mit viel Aufwand animiert. Leute – egal ob Freund oder Feind – unterhalten sich ständig über allerlei Dinge. Die verlassenen Gebiete außerhalb Jacksons strotzen ebenso vor Details. In den Wäldern rennen Eichhörnchen an Bäumen hoch und Vögel kreisen über den Baumwipfeln, während gefühlt tausende Blätter und Grashalme sanft im Wind wiegen. In Seattle kommt Ellie durch heruntergekommene, verwitterte Läden, Kindergärten, Schulen, Museen, Hotels, Bürogebäude, Wohnhäuser, ein Kino und mehr. Und jeder Ort wirkt einzigartig. Man hat als Spieler stets das Gefühl: Hier hat wirklich mal jemand gewohnt.
Nur ganz wenige Spiele können in Sachen Detailgrad und World-Building mit The Last of Us 2 mithalten – wenn überhaupt. Zumindest dürfte es zur Zeit nicht möglich sein, auf den noch aktuellen Konsolen ein optisch besseres Spiel zu finden. Manche Lichtreflexe und Spiegelungen hätten selbst mit Ray-Tracing nicht viel besser umgesetzt werden können. Texturen sind durch die Bank von hoher Qualität, und speziell die Charaktere wurden fantastisch lebensecht modelliert und besitzen eine sehr glaubhafte, ausdrucksstarke Mimik, die den emotionaleren Momenten sehr zugutekommt. Stellenweise sieht The Last of Us 2 wie ein Next-Gen-Spiel aus, und auch der Sound ist auf einem Spitzenniveau. Verlassene, wunderschön idyllische Landschaften werden von ruhigen Klängen begleitet, während Kampfszenen mit basslastigen Stücken den Adrenalinpegel steigen lassen. Die Hollywood-reife Sprachausgabe und die Vielzahl an Soundeffekten tragen ebenso ihren Teil zur Atmosphäre und dem wahnsinnigen Realismus des Spiels bei, wobei die überragende englische Sprachausgabe der eher zweckmäßigen deutschen Vertonung definitiv vorzuziehen ist.
Besonders beeindruckend ist, dass diese audiovisuelle Pracht nicht nur auf der PlayStation 4 Pro möglich ist. The Last of Us 2 wurde für das neuere Konsolenmodell optimiert und läuft dort in einer etwas höheren Auflösung (1440p), aber auch in „nur“ 1080p sieht das Spiel fantastisch aus. Die Framerate rückt weder auf der Pro noch auf der alten Playstation 4 jemals nennenswert von den angepeilten 30 FPS ab und auch HDR-Support gibt es auf beiden Modellen. Im Lauf unseres Tests kamen auf der alten PlayStation 4 allerdings gelegentliche Glitches vor. Während ein paar Cutscenes wurden beispielsweise Charaktere oder deren Animationen zu spät oder an falscher Stelle geladen. Auch Soundaussetzer traten auf, waren aber selten und so kurz, dass sie kaum negativ auffielen. Sehr löblich ist dagegen, dass Naughty Dog dem Spiel neben normalen Schwierigkeitsgraden über 60 verschiedene Einstellungsmöglichkeiten verpasst hat, um jedem Gamer ein individuell angepasstes Spielerlebnis zu ermöglichen. Diese Einstellungen gehen von einer alternativen Tastenbelegung bis hin zu Barrierefreiheitsfunktionen, die selbst Spielern mit eingeschränkter Sicht, Schwerhörigkeit oder beeinträchtigter Motorik einen Zugang zum Spiel ermöglichen sollen. So lassen sich unter anderem die Kontraste im Spiel, die Größe der HUD-Elemente, die Bewegungsunschärfe oder die Entfernung der Kamera alle separat optimieren. Für Kämpfe gibt es zusätzliche optische und haptische Signale. Eine Bildschirmlupe vereinfacht das Erkunden der Umgebungen oder das Untersuchen von Gegenständen.
Altbekanntes Gameplay mit sinnvollen Neuerungen
Gameplaytechnisch weicht The Last of Us 2 nicht weit von altbekannten Pfaden ab, die wenigen Neuerungen sind aber durch die Bank sinnvoll. Meist muss irgendein storyrelevantes Ziel, wie ein bestimmtes Gebäude erreicht werden. Auf dem Weg dorthin gilt es, zahlreiche Hindernisse wie Schluchten, reißende Flüsse und zombieverseuchte Häuser zu überwinden – zu Fuß, auf dem Rücken eines Pferdes oder sogar mit einem Motorboot. An den verschiedenen Orten sind überall Ressourcen zu finden, denn wie im ersten Teil gibt es ein Crafting-System. Quantitativ oder qualitativ besonders wertvolle Ressourcen sind oft an schwierig zu erreichenden Stellen oder in Tresoren versteckt. Fertigkeiten und Waffen können zudem verbessert oder neu angeeignet werden.
Ellie und eine kleine Anzahl anderer spielbarer Charaktere steuern sich aus der 3rd-Person-Perspektive, wobei die Kamera sich wie in einem Spielfilm relativ dynamisch bewegt und bei Bedarf sehr nahe ans Geschehen heranrückt oder selbiges in der Halbtotale präsentiert. Ellie und co können neuerdings aber nicht mehr nur rennen, normal gehen oder sich in geduckter Haltung fortbewegen, sondern auch noch auf dem Bauch liegend kriechen, schwimmen, tauchen und springen. Die Möglichkeit auf Knopfdruck jederzeit – nicht nur an markierten Stellen – springen zu können, macht das Erkunden der weitläufigen und häufig sehr vertikalen Gegenden gleichermaßen einfacher und interessanter. Das Kriechen ist vor allem im hohen Gras und in dichten Farnbüscheln relevant, um ungesehen an Gegnern vorbei zu schleichen. Letztere sind deutlich intelligenter als noch im ersten Teil, wobei natürlich zwischen den Infizierten und den menschlichen Gegnern unterschieden werden muss. Die Zombies verhalten sich weitestgehend wie anno 2013, es gibt allerdings neue Zombie-Typen und im Vergleich zum ersten Teil setzt The Last of Us Part 2 immer wieder auf durchaus effektive Jumpscares. Häufig sind die Protagonisten in nur schlecht ausgeleuchteten Kellern und Tunnelsystemen unterwegs, und im schwachen Licht einer einzigen Taschenlampe entwickelt das Spiel eine zum schneiden dicke Atmosphäre, die problemlos mit reinrassigen Horrorspielen wie Dead Space oder Teilen der Resident-Evil-Reihe mithalten kann.
Kämpfe gegen Menschen sind ebenfalls, aber aus einem ganz anderen Grund wahnsinnig intensiv. Naughty Dog hat die KI der menschlichen Gegner deutlich verbessert, was dazu führt, dass sie meist in Gruppen und aus verschiedenen Richtungen gleichzeitig angreifen. Sie sprechen sich in ihren Laufwegen ab oder nutzen Pfiffe und andere Geräusche zur Kommunikation, außerdem setzen sie Spürhunde ein, vor denen sich Ellie nur bedingt verstecken kann. Während es definitiv vermessen wäre, diesen Gegnern menschliche Intelligenz zu attestieren, sind sie zweifelsohne deutlich intelligenter als durchschnittliche Computergegner und lassen die teils taktisch geprägten, teils hektischen Kämpfe in The Last of Us 2 ausgesprochen spannend ablaufen. Der hohe Grad an Gewalt verpasst den Kämpfen zusätzlich eine noch intensivere Note als ohnehin schon.
Brutal, brutaler, The Last of Us Part 2
Apropos Gewalt - sollten es die oberen Zeilen nicht schon längst klargemacht haben, sei hiermit noch einmal explizit gesagt: The Last of Us 2 ist ein erbarmungslos brutales Spiel. Das gilt nicht nur, aber ganz besonders für die Gewaltdarstellungen, die selbst bei hart gesottenen Spielern ein mulmiges Gefühl in der Magengegend hinterlassen können. Ich bin mitnichten eine zartbesaitete Person, aber nachdem ich den Abspann von The Last of Us Part 2 gesehen hatte, musste ich erst mal raus an die frische Luft und das Gesehene irgendwie sacken lassen.
Wenn Ellie einem Gegner einen Pfeil in den Hals jagt, sprudelt das Blut realistisch aus der Wunde und es dauert eine ganze Weile bis besagter Gegner laut gurgelnd am eigenen roten Lebenssaft erstickt. Andere Wege der Hinrichtung sind visuell und akustisch nicht weniger krass umgesetzt worden. Köpfe können zertrümmert, Gliedmaßen abgetrennt werden. Gegner schreien, keuchen und wimmern vor Schmerz. Kollegen rufen entsetzt die Namen der Getöteten. Wenn Ellie selbst von einem Pfeil durchbohrt wird, muss sie diesen aus dem eigenen Leib reißen. The Last of Us 2 ist objektiv betrachtet nicht brutaler als Shooter wie Doom oder die letzten Teile der Tomb-Raider-Serie, aber die Gewalt wurde so realistisch inszeniert, dass sie viel härter erscheint. Zum ersten Mal in meinem Dasein als Videospieler hatte ich an manchen Stellen von The Last of Us Part 2 das Gefühl, nicht nur stumpfsinnige Gegnerhorden aus Pixeln und Polygonen niederzumähen, sondern wirklich jemandem wehzutun. Dieser Effekt wurde noch verstärkt durch die Tatsache, dass Ellie selbst deutlich sichtbar unter der Gewalt leidet - körperlich und psychisch.
Fazit
Nach rund 25 Stunden mit Naughty Dogs neustem Titel bin ich absolut platt. The Last of Us Part 2 ist kein schönes Spiel – nein, es ist sogar ausgesprochen unschön. Es ist brutal, beklemmend und deprimierend. Zugleich ist es aber auch wahnsinnig beeindruckend, und das auf mehreren Ebenen. Wäre The Last of Us Part 2 ein Film, so würde er bei den Oscars gewiss gleich in einem Dutzend Kategorien die begehrte Trophäe abräumen. Technisch und spielerisch gehört das Spiel mit zum Besten, was die aktuelle Konsolengeneration zu bieten hat und selbst auf den Next-Gen-Konsolen werden viele Titel vermutlich nicht mit dem Detailgrad, den Animationen und vor allen Dingen der Mimik mithalten können. Das Spiel schlägt zudem Wege ein, die so noch nie in einem AAA-Titel begangen wurden. The Last of Us Part 2 fesselt Spieler nicht mit purem Spielspaß und einem heiteren Setting an den Bildschirm, tut es aber mit nervenzerreißender Spannung, kompromissloser Action, realistischen Charakteren und einer nicht weniger realistischen, gnadenlosen Welt, deren Erkundung nicht immer spaßig, wohl aber stets außerordentlich unterhaltsam ist.
Naughty Dog ist mit der Geschichte ein gewaltiges Risiko eingegangen und nicht jeder Spieler wird diese Risikobereitschaft zu schätzen wissen. Zartbesaitete Spieler sollten sogar einen weiten Bogen um The Last of Us Part 2 machen. Das Spiel ist definitiv nicht für jedermann. Wer sich jedoch mit Ellie auf die Reise macht, der wird einen Meilenstein der Videospielgeschichte erleben; ein düsteres, aufwühlendes Meisterwerk, über das zurecht noch lange gesprochen werden wird.
Und übrigens ist der Test richtig gelungen, man merkt die Mühe, die drin steckt!
Klar stirbt man hin und wieder mal, aber einen beachtlichen Teil der Zeit über, haben alle Waffen Munition, alle Rohstoffe-Plätze sind voll und alle herstellbaren Items in voller Zahl in den Taschen.
Man merkt, dass das Messer nun nicht mehr kaputt gehen kann.