Kommentar: The Last of Us Part 2 ist ein Meisterwerk, das keinen Spaß macht
Auch die Diskussion in den Kommentaren enthält entsprechende Spoiler.
Ich befinde mich in einer höchst eigenartigen, scheinbar paradoxen Situation. Ich habe gerade The Last of Us Part 2 beendet und bin endlos beeindruckt von dem Spiel, aber ich tue mich trotzdem schwer eine uneingeschränkte Kaufempfehlung dafür auszusprechen. Im Gegenteil. Ich habe das Gefühl, Spieler vor dem Titel warnen zu müssen.
Moderne Spiele sind heute selten mehr als einfache Konsumgüter. Ein Spiel ist meist nur so lange relevant, wie wir es spielen. Sie haben kaum einen nachhaltigen Einfluss auf uns oder unser Befinden und sind in der Hinsicht eigentlich nicht viel anders als Filme, Gesellschaftsspiele, ein leckeres Eis oder ein kühles Bierchen. Klar, manche Spiele erfordern Geschicklichkeit oder Denkvermögen, manche erzählen eine interessante Geschichte und können echte Emotionen in uns wecken, aber letztlich dienen sie in erster Linie alle nur dem seichten Zeitvertreib. The Last of Us Part 2 soll auch nur unterhalten, aber tut das auf eine Art und Weise, wie ich sie nie zuvor in einem Videospiel erlebt habe und stellt eine gnadenlos effektive Kritik an der gesamten Unterhaltungsindustrie oder zumindest Teile dieser dar. Es sind fast 24 Stunden vergangen, seit ich Naughty Dogs neustes Werk beendet habe. Ich war dazwischen mit Freunden beim Grillen, beim Einkaufen und kurz in der Arbeit. Ich hatte genug Möglichkeiten mich abzulenken, aber trotzdem kehren meine Gedanken immer wieder zu dem Spiel und der Botschaft der Entwickler zurück.
In unserem Test zu dem Spiel konnte ich viele Eigenheiten des Titels nur indirekt oder gar nicht ansprechen. Das lag daran, dass wir natürlich nicht spoilern wollten. Hier nehme ich darauf keine Rücksicht, ab jetzt gilt also eine große…
Ernsthaft, wer The Last of Us Part 2 noch nicht gespielt hat, es aber noch tun möchte, sollte jetzt auf keinen Fall weiterlesen! Um zu verstehen, was The Last of Us Part 2 mit dem Spieler macht, muss man leider die Story des Spiels - und in geringerem Umfang auch die des Vorgängers - kennen.
Der erste Teil erzählt die Geschichte eines Mannes namens Joel, der zum Beginn einer Zombie-Apokalypse seine Tochter Sarah verliert. Wer noch nie The Last of Us gespielt hat, dem sei gesagt, dass „Zombie-Apokalypse“ viel trashiger klingt, als es hier tatsächlich der Fall ist. Naughty Dog hat sich vom wirklich existierenden Cordyceps-Fungus inspirieren lassen, einem parasitischen Pilz, der sich mit Hilfe von Sporen verbreitet und befallene Insekten wortwörtlich in Zombie-artige Wesen verwandelt, die keine Kontrolle mehr über ihren eigenen Körper haben. Die in The Last of Us infizierten Menschen verfallen der Raserei, ehe sie nach und nach mehr Auswüchse bilden und letztlich kaum mehr als Menschen erkennbar sind.
Einige Jahre nach dem gewaltsamen Tod seiner Tochter wird Joel beauftragt die zunächst 14-jährige Ellie zu beschützen und in ein weit entferntes Krankenhaus zu bringen. Nach und nach wird klar, dass sie immun gegen den Cordyceps-Pilz ist. Mit ihrer Hilfe soll ein Impfstoff entwickelt werden. Joel und Ellie lernen sich während der Reise näher kennen und es entsteht eine Art Vater-Tochter-Beziehung, die ihren Höhepunkt erreicht, als Joel nach Tagen des Wanderns und dem Überwinden unzähliger Gefahren erfährt, dass Ellie zur Herstellung des Impfstoffs getötet werden muss. Joel erschießt daraufhin die Ärzte und flüchtet mit der bewusstlosen Ellie, der er später nur erklärt, dass ihre Immunität nicht auf andere übertragbar sei.
Dieses Ende des ersten Spiels ist bittersüß und melancholisch. Joels Entscheidung war egoistisch, aber auch menschlich und nachvollziehbar.
The Last of Us Part 2 beginnt wieder mit Joel und Ellie, aber beide sind vier beziehungsweise fünf Jahre älter. Ellie ist inzwischen eine junge Frau und sieht in Joel noch immer eine Art Vaterfigur, weiß aber auch, dass er sie jahrelang belogen hat und dass sie ihm deswegen nie wird verzeihen können. Bei einer routinemäßigen Patrouille der Umgebung geraten Joel und sein Bruder Tommy dann in einen Schneesturm. Ellie ist zur gleichen Zeit mit einer Freundin namens Dina unterwegs. Joel und Tommy treffen auf eine Überlebende, die auf der Flucht vor einer Horde Infizierter ist. Im Schneegestöber überredet die durchaus kräftig gebaute Frau, die sich später als Abby vorstellt, die beiden Männer, ihr in eine Unterkunft zu folgen, wo ihre Freunde warten. Zunächst scheint Abby glücklich darüber wieder bei ihren Freunden angekommen zu sein, dann aber erfährt sie die Namen ihrer neuen Gefährten, und ab diesem Moment nimmt The Last of Us Part 2 abartig düstere Züge an.
Abby zückt ohne Vorwarnung eine Schrotflinte und schießt Joel ins Bein. Ellie, die längst auf der Suche nach Joel und Tommy ist, kommt nur noch rechtzeitig um zuzusehen, wie Abby dem sowieso kaum mehr lebendigen Joel mit einem Golfschläger so oft ins Gesicht schlägt, bis dieser tot ist. Ellie selbst wird bewusstlos geschlagen und wacht erst auf, als Abby und die anderen Fremden alle fort sind.
Ellie und Tommy ziehen anschließend nacheinander aus, um Abby und deren Freunde zu finden und Rache an ihnen zu üben. Die Rollen sind zu diesem Zeitpunkt noch, genau wie in jedem x-beliebigen Shooter oder Action-Adventure klar verteilt. Ellie ist die Heldin, der Schreckliches angetan wurde. Drei Tage lang zieht sie durch Seattle, stets auf der Suche nach Menschen, die für ihr Handeln bestraft werden müssen.
Über etwa zwölf Stunden hinweg begleitete ich Ellie fortan auf ihrem Rachefeldzug. Nach und nach spürte ich verschiedene Mitglieder von Abbys Gruppe auf und versuchte so Abby ausfindig zu machen. Wer nicht kooperieren wollte, wurde von Ellie mit brachialer Gewalt zum Reden gezwungen. Dabei mussten sogar eine Ärztin, eine schwangere Frau und dessen vermeintlicher Freund sterben - alles Beisteher bei Joels Ermordung. Dann kam es endlich zu einem Showdown mit Abby – oder zumindest dachte ich das. Was stattdessen folgte, war ein Schnitt, der mich zunächst völlig aus dem Konzept brachte.
Statt mir einen epischen Kampf und ein gerechtes Ende zu bieten, drehte das Spiel plötzlich die Uhr erst um mehrere Jahre und dann um drei Tage zurück, und für die nächsten zwölf Stunden musste ich nicht mehr Ellie, sondern Abby steuern. Dieser Teil kam mir gerade am Anfang furchtbar lange vor, das lag aber vermutlich nur daran, dass ich die ganze Zeit darauf wartete wieder mit Ellie spielen zu dürfen. Ich wollte nicht Abby spielen. Ich verstand zunächst auch nicht, wieso mich das Spiel dazu zwang, in die Rolle dieser widerwärtigen Frau zu schlüpfen.
The Last of Us Part 2 lässt sich über die gesamten 25 Stunden Spielzeit hinweg viel Zeit für kleine Gespräche, die dabei helfen, die Charaktere näher kennenzulernen. Zunächst halfen mir diese Gespräche – auch während einigen Rückblenden – Ellie, Joel, Dina und einen Freund namens Jesse besser zu verstehen. Jetzt aber waren Abby und ihre Freunde dran und je länger ich mit Abby spielen musste, desto mehr begann ich all das zu hassen, was ich vorher über Stunden hinweg mit Ellie getan hatte.
Mit einer ersten Rückblende stellte mir das Spiel Abbys Vater vor - ein brillanter Arzt und Wissenschaftler und zufälligerweise eben der Mann, der im ersten Teil versucht hatte einen Impfstoff gegen den Virus zu finden. In der Rückblende ist er mit der damals noch jugendlichen Abby in einem Waldstück unterwegs, hilft einem gefangenen Tier, macht Smalltalk. Er erfährt dann davon, dass Ellie von Joel, dem Bruder von Tommy, eingeliefert wurde. Später kämpft er mit Gewissensbissen. Er muss von anderen erst überredet werden, Ellie zu töten, um das Überleben der gesamten Menschheit zu sichern.
Als Spieler dürfen - oder vielmehr müssen - wir dann erleben, wie Abby ihren von Joel erschossenen Vater im OP-Saal findet und schluchzend über ihm zusammenbricht. Auch später hat sie immer wieder Albträume von jener Nacht.
Nach und nach verschwimmen fortan sämtliche Grenzen zwischen Gut und Böse. Naughty Dog manipuliert auf brutal effektive Art und Weise die Gefühle des Spielers und bricht mit sämtlichen Konventionen anderer Videospiele. Personen, die vorher kaum mehr als Namen auf einer Racheliste waren, werden zu Individuen. Es gibt auf einmal keinen Helden mehr. Auch keinen Antihelden. Ellie, Abby und co sind einfach nur noch Menschen.
Abby ist in einen Mann namens Owen verliebt, der aber zugleich etwas mit einer Ärztin namens Mel am Laufen hat. Mel ist schwanger. Abby trifft auf zwei Jugendliche, ein Mädchen und einen Jungen, die einer Sekte entflohen sind. Dem Mädchen muss nach einem Kampf der Arm amputiert werden und Abby stiehlt Medikamente von ihren vermeintlichen Freunden, um zusammen mit Mel und Owen der Jugendlichen zu helfen. Der Junge haut dann ab, weil er um die Sicherheit seiner Mutter fürchtet. Abby riskiert ihr eigenes Leben, um seines zu retten. Als sie psychisch und körperlich völlig entkräftet zurückkommt, findet sie nur noch die Leichen ihrer von Ellie erschossenen Freunde vor.
Bis ich mit Abby wieder an dem Punkt angelangt war, an dem Ellies Geschichte vorher aufgehört hatte, gab es keine Möglichkeit mehr ein gutes Ende zu erhalten. Das war mir klar. Das Finale fand dann in zwei Teilen statt. Erst kämpfte ich als Abby gegen Ellie, dann als Ellie gegen Abby. Ich wollte weder mit der einen noch mit der anderen Person kämpfen – das lag aber daran, dass ich mir während all der Zeit mit beiden Frauen Wissen angeeignet hatte, das sie nicht besaßen. Ellies Hass auf Abby war aus ihrer Sicht genauso nachvollziehbar wie umgekehrt Abbys Hass auf Ellie.
Als Videospieler sind wir es alle gewohnt, bestimmte Handlungen auszuführen, ohne groß darüber nachzudenken. Eine Reflexion dieser Handlungen findet in der Regel nicht statt. In Super Mario müssen wir eben auf Gumbas hüpfen, in Call of Duty müssen wir Nazis töten, in GTA erschießen wir gleichermaßen Polizisten und Gangster. Wir sind als Spieler immer der Held oder zumindest ein Antiheld. Wir haben gelernt diese Muster als gegeben anzusehen und nicht zu hinterfragen. The Last of Us Part 2 dreht all das auf den Kopf.
Ich bin im Moment froh, The Last of Us Part 2 abgeschlossen zu haben. Ich will es nicht wieder spielen. Tatsächlich ist das Gameplay so gut, dass ich gewiss noch einmal ein paar der Level als Ellie oder Abby erforschen werde, aber im Moment hab ich genug davon. Das Spiel hat mich fertig gemacht, nicht weil es so schlecht, sondern weil es so gut ist; weil es genau das erreicht, was sich die Entwickler vorgenommen haben. Ich muss zugeben, dass mir manche Teile von The Last of Us Part 2 keinen Spaß machten – und doch bin ich froh, sie gespielt zu haben. Ich bereue es nicht, Ellie und Abby auf ihrer Reise begleitet zu haben, nicht einmal ansatzweise. The Last of Us Part 2 ist nicht spaßig, soll es aber auch nicht sein. Unabhängig davon ist es aber ein einmaliges Erlebnis.
Ich verstehe, wieso viele Spieler, die Ellie und Joel im ersten Teil liebgewonnen haben, wütend auf Naughty Dog sind. Ich verstehe, wieso viele das Spiel nicht mögen, und doch liegt hier ohne jeden Zweifel ein absolutes Meisterwerk vor; ein Meilenstein des interaktiven Storytellings und ein Spiel, das das Zeug hat, die Spieleindustrie nachhaltig zu verändern oder zumindest in den Köpfen der Spieler einen nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen.
"...ein Spiel, das das Zeug hat, die Spieleindustrie nachhaltig zu verändern"
Wenn man diese beiden Aussagen so nebeneinander stellt, kann man glaube ich am ehesten nachvollziehen, woher der Shitstorm kommt. Viele Leute haben vermutlich Angst davor, dass sich Videospiele generell in die Richtung entwickeln, keinen klassischen Spielspaß mehr bieten zu wollen. Meiner Meinung nach ist das auch nicht ganz unbegründet, denn der Trend ist klar erkennbar, vor allem in der Fachpresse wo die "Message" und die Story eines Spiels mittlerweile wichtiger zu sein scheinen als klassische Gameplay-Mechaniken, Erfolgserlebnisse oder stabile Framerates. Spiele wie A Hat in Time oder Nioh 2, die keine richtige Story bieten und nicht von Nintendo kommen, haben keine Chance mehr auf Metascores jenseits der 90, egal wie gut sie sind.
Im Kommentar wird eigentlich deutlich wie extrem gut Gameplay und Story in diesem Spiel verschwimmen. Das ist kein Spiel dessen cineastischen Cutscenes über das Standardgameplay hinwegtäuschen soll, ganz im Gegenteil, dass Gameplay wurde so designt, dass es zu jeder Zeit den Spieler das fühlen lässt was ND beabsichtigt. Hunde die in der ersten Hälfte total lästig und furchtbar waren (weil man sie nicht oder nur sehr schwer stealth killen kann) wachsen einem in der zweiten Hälfte ans Herz.
Dazu war bei auf Schwer der Puls im jeden Gefecht auf 180 und das nicht nur wegen der Knappheit und der Dynamik der Gefechte, sondern weil die Story eine geerdete Bühne schafft die das Gameplay sich ebenfalls zu Nutze macht.
Das Spiel gibt die Stabile Framerate, Erfolgserlebnisse und sehr ausgereifte Gameplay-Mechaniken, es lässt diese aber nicht für sich allein stehen sondern verschmelzt alles mit der Story zu einem Meisterwerk
Ich möchte aber ein wenig eine deiner Aussagen (und auch die Aussage von Kommentarschreiber Missing-Mushroom) relativieren: TLOU2 ist bei weitem nicht das erste Videospiel, in dem die Handlungen der "Protagonisten" kritisch hinterfragt werden und in dem die Grenzen zwischen Gut und Böse verschwimmen bzw. sogar komplett einreißen. Natürlich tun das die anderen Spiele selten so ausführlich wie es in TLOU2 der Fall zu sein scheint und vor allem stellen sie die fragwürdigen Handlungen auch nicht so realistisch dar, aber ehrlich gesagt müssen sie das für mich auch nicht, um mich trotzdem nachdenklich zu stimmen. Ich weiß, du schriebst ja auch "In der Regel" und ich will die Leistung von Naughty Dog hier ja auch nicht schmälern, sondern eben nur kurz anmerken: Es gibt auch andere Spiele als Super Mario und CoD, in denen wir unsere Handlungen nicht reflektieren, weil es nicht verlangt wird und im Gegenteil sogar stören würde. Überraschenderweise ein Beispiel von Nintendo: Fire Emblem Three Houses geht nämlich leicht in diese Richtung.
Ich werde TLOU2 übrigens nicht deshalb nicht spielen, weil es kein JRPG ist (das denken ja wahrscheinlich gerade die meisten, was ich niemandem verübeln kann^^), sondern weil es, obwohl ich die herausragenden Qualitäten des Spiels deutlich erkenne, so ziemlich alles verkörpert, was ich NICHT in einem Videospiel sehen will :D Ich mag keine Zombies, Survivalkram gefällt mir in der Regel auch nicht, ich habe überhaupt nichts gegen dramatische Stories, habe aber auch ganz gerne etwas Auflockerung zwischendurch und will mich eben nicht den gesamten Spieldurchlauf durchgehend schlecht fühlen, aber vor allem: Ich mag diesen "Realismus" einfach nicht, dem gerade größere westliche Studios nachjagen. Ich mag Videospiele, weil sie mich von unserer Realität in ihrer Gänze ablenken und auch wenn eine Zombieapokalypse natürlich wenig realistisch ist, so ist es ja doch die Spielwelt, die Grafik und das ganze Drumherum, es ist mir einfach noch zu nah an der Realität. Hoffentlich versteht man, was ich meine :D
Ich hab das Spiel nie gespielt, jedoch dachte ich zu erst an Nier: Automata.
Ansonsten stimme ich Denios in allen Punkten zu. Wenn ich mich schlecht fühlen will, schalte ich die Nachrichten ein, dazu brauche ich keine Videospiele.
Ansonsten kann ich es absolut nachvollziehen, wenn jemand kein Interesse an TLOU2 hat. Das hängt viel von den persönlichen Vorlieben und dem eigenen Geschmack ab. Ich fänd es auch absolut schrecklich, wenn es nur Spiele wie TLOS2 gäbe. Darauf hab ich echt keinen Bock. Aber als relativ einsamer Gegenpol zu den sonst üblichen Shootern oder Actionspielen ist TLOU2 genial.
Warum ist das bei Videospielen so ein Problem?
Meine Vermutung: Weil es einem Paradigmenwechsel bedeutet, der den Spielen ihre Unschuld nimmt. Vorbei sind die Zeiten in denen die Nintendo Formel "Du bist der Gute, der andere der Böse und die Prinzessin in Gefahr - töte alles und jeden und werde ein Held" ausgereicht hat, um einen Plot auszufüllen. Durch Spiele wie "TLoU2" wird das Medium erwachsen. Nicht wie ein frisch 18 jähriger, der jetzt endlich in den roten Bereich der Videothek darf (mir fiel keine bessere Analogie ein), sondern wie einer, der Verantwortung übernimmt und sich damit vielleicht und hoffentlich endlich zwischen all den anderen "traditionellen" Medien als ebenbürtig etabliert.
Wenn dem, rein hypothetisch, so wäre, wäre es unbequem, eben so wie das Erwachsen werden.
Man wäre plötzlich ein klein bißchen weniger speziell/geekig und man müsste sich auch mal mit Fragen auseinander setzen, vor denen manch einer (und auch daran ist grundsätzlich nichts verkehrt) eben gerade durch Spiele zeitweilig flüchten möchte. Aber dafür würde vielleicht eines Tages das Spielen eines Spieles auf einer intellektuellen Stufe mit dem Lesen eines guten Buches stehen, ohne dass es von Außenstehenden mit gerümpfter Nase als "Kinderkram" abgetan wird.
Ich persönlich finde, dass das zumindest eine Überlegung wert sein könnte.
Danke schön! Genau mein Gedanke!
Ich kann nicht verstehen, wieso es plötzlich beim Medium "Videospiel" ein Problem darstellt.
Ich würde einfach behaupten, es liegt daran, dass Menschen nie Schuld sein wollen.
In einem Film ziehen die Filmcharaktere die Konsequenzen und der Zuschauer schaut nur zu.
Im Spiel nimmt der Spieler jedoch die Kontrolle, worauf das Spiel einem mitteilt: "Jop, das alles warst DU!"
Die Analogie zu den Büchern, die im Schulunterricht gelesen werden, ist mir auch schon mehrmals aufgefallen, aber eher im negativen Sinne. Ich fand die durch die Bank weg furchtbar und muss immer wieder daran denken, wie wir im Deutschunterricht darüber diskutiert haben, welchen tieferen Sinn es hat dass sich die Hauptfigur ständig rasiert. Einige Leute scheinen zu wollen, dass Schüler in ein paar Jahrzehnten der Stealth-Sequenz im 5. Kapitel von Life is Strange irgendeinen Sinn andichten müssen (und wer in der Klassenarbeit schreibt "Dontnod gingen die Ideen und das Geld aus", bekommt eine 6). Ich fände diese Entwicklung furchtbar, aber mit The Last of Us Part 2 geht es halt ganz klar in diese Richtung.
Wenn ich mal so darüber nachdenke, welche Kunstwerke mich in meinem Leben wirklich bewegt haben, dann sind das immer solche gewesen, die zwar teilweise sehr emotional waren, die aber keine eindeutig erkennbare "Botschaft" in sich hatten. Ich denke da an Filme wie "Brügge sehen und sterben" oder Spiele wie Thimbleweed Park oder die Ace-Attorney-Reihe, bei der ich teilweise geheult habe wie ein Schlosshund. Auf der anderen Seite erinnere ich mich, wie wir in der Schule mal Roberto Begninis Film "Das Leben ist schön" gesehen haben, der randvoll mit Tragik und "Menschlichkeit" ist, der bei mir aber nicht die kleinste Gefühlsregung ausgelöst hat. TLOU 2 habe ich nicht gespielt und das auch nicht vor, aber nach allem was ich darüber gelesen habe finde ich den Shitstorm absolut verständlich. Ich will das Spiel keinesfalls schlechtreden. Aber man darf nie vergessen dass Ernsthaftigkeit weder ein Garant für emotionalen Tiefgang noch für künstlerische Qualität ist.
Sicherlich ist es schockierend mitanzusehen wie Joel getötet wird. Aber allein deswegen loszuziehen, um hunderte Menschen auf bestialische Weise abzustechen die mit der ganze Sache wenig bis garnichts zu haben, ist weder richtig noch sinnvoll noch nachvollziehbar.
Bei anderen Spielen passiert das zwar auch, aber die nimmt sowieso keiner ernst. The Last of us will aber sehr auf Realismus machen und scheitert daher völlig in dieser Beziehung.
Dass das restliche Gameplay nur daraus besteht durch die Botanik zu rennen um Patronen zusammen zu klauben die man dann ich die nächste Gegnerhorde pumpt, ist auch viel zu schwach um hier die Höchstnote zu zücken.
Ich glaube, du hast nie Rache empfunden. Wenn dies nicht der Fall ist und die Empathie fehlt, sich in die Lage rein zu versetzen, dann kann man schwer sagen, dass es "nicht realistisch" ist.
Ohne tief in mein Privatleben preis zu geben, kann ich aus eigener Erfahrung sagen: Hass kann sehr wohl das alles auslösen.
Wenn ich mir vorstelle, jemand würde einen Menschen, den ich liebe - wie Bruder, Mutter, Freundin - vor meinen Augen foltern und am Ende erschlagen. Ich denke, ich würde ebenfalls Hass für alle empfinden, die dabei waren und mir ggf. im Wege stehen.
Andere Beispiele aus der Realität sind Amokläufe, die aus purem Mobbing entstehen und der Täter nicht nur die verantwortliche "Schule", sondern jeden mitnimmt, der Teil des Schulkomplexes ist.
Ich wüsste nicht, wieso die Kommentare von Usern, die sämtliche Spoiler des Artikels lesen, keine Argumente bringen sollten, die sich auf Spoiler beziehen.