Stardew Valley
Gut nachgemacht ist halb gewonnen
Sieht man sich die Harvest Moon-Serie an, so sind viele wiederkehrende Elemente erkennbar: Die Aufteilung des Jahres in vier Monate, die den vier Jahreszeiten entsprechen, mit simulierten Tagen die etwa 15 Minuten dauern; die Aufteilung der Spielwelt in eine Farm, eine Stadt und kleinere Randgebiete; oder die einzelnen Dorfbewohner, die ihren eigenen Tagesabläufen nachgehen und den Protagonisten irgendwann in ihr Herz schließen, wenn er oft mit ihnen redet oder ihnen Geschenke macht. All diese Elemente findet man genauso oder in leicht abgewandelter Form auch in Stardew Valley wieder. Das allein ist kein Verbrechen: Viele große Klassiker sind klar von anderen Spielen inspiriert und kupferten zahlreiche Elemente ab.
Zu Beginn des Spiels erstellt ihr einen Protagonisten, dessen Geschlecht und Aussehen ihr frei wählen könnt. Eure Einstellungen haben keinerlei Einfluss auf den Spielverlauf - nicht mal auf eure Partnerwahl, da ganz im Sinne der Inklusion alle Bewohner von Stardew Valley bisexuell sind. Anschließend seht ihr eure Hauptfigur an einem bedrückend deprimierenden Arbeitsplatz, von dem sie jedoch jäh erlöst wird, nachdem sie von ihrem Großvater eine Farm geschenkt bekommt. Kurz darauf beginnt ihr neues Leben in Pelican Town, das abgeschnitten von der Außenwelt existiert und - abgesehen von einem modernen Supermarkt - in der Vergangenheit festhängt. Neben einem Tante-Emma-Laden, einer Bar mit Videospielautomaten und einer Bücherei mit Museum findet ihr in dem kleinen Örtchen auch einen klassischen Schmied und eine Viehzucht.
Nach eurer Ankunft werdet ihr zunächst von Bürgermeister Lewis begrüßt, bevor euch das Spiel einige rudimentäre Tutorial-Aufgaben gibt. Nach Erfüllung einer dieser Aufgaben sagt euch ein Pop-Up, wie toll ihr das gemacht habt, und es fällt etwas Geld vom Himmel. In dieser allerersten Phase des Spiels wirkt Stardew Valley fast wie ein Handyspiel, entwickelt sein Gameplay jedoch bereits nach kurzer Zeit sehr positiv weiter. Ein paar Stunden später werdet ihr einige langfristige Ziele ausmachen können, die wir an dieser Stelle nicht vorwegnehmen wollen. Eine klare Richtung ist im Spieldesign jedoch erkennbar: Die meisten der großen Aufgaben drehen sich um das Vervollständigen von umfangreichen Item-Sammlungen. Und das ist ziemlich motivierend, da es den Sammlertrieb weckt, der irgendwie in jedem von uns drinsteckt.
Geld wächst nicht auf Bäumen - aber fast
Doch bevor ihr in Stardew Valley größere Ziele in Angriff nehmen könnt, müsst ihr zunächst eure Farm auf Vordermann bringen. Nachdem die Felder von Unkraut, Ästen und Steinen befreit sind, könnt ihr euch in der Stadt Samen kaufen und Gemüse anpflanzen, das einige Tage später mit Gewinn weiterverkauft werden kann. Habt ihr genug Geld und Rohstoffe beisammen, könnt ihr euren Gemüseanbau mit Sprinkleranlagen automatisieren, Obstbäume pflanzen oder Ställe bauen, in denen sieben verschiedene Tierarten untergebracht werden können. Das ein oder andere überraschende Extra dürft ihr ebenfalls erwarten. All diese Einkommensquellen sind natürlich mit täglichen Aufgaben verbunden - Pflanzen müssen gegossen und Tiere gefüttert werden.
Wer auf das Farmleben keine Lust hat, kann sich in den umliegenden Gebieten nach weiteren Einkommensquellen umsehen. Die Wälder in Stardew Valley beherbergen wilde Pflanzen, mit denen sich etwas Taschengeld verdienen lässt, und einige Flüsse und Seen, in denen zahllose Fische ihr Heim gefunden haben. Etwas mehr Zeit mitbringen solltet ihr für einen Ausflug in die Minen, wo ihr mit einer Spitzhacke auf Schatzsuche gehen könnt - wertvolle Artefakte und Mineralien könnt ihr verkaufen oder im Museum ausstellen lassen. Im Bergwerk und an bestimmten anderen Orten des Spiels findet ihr sogar einige Gegner, die sich mit Waffengewalt ausschalten lassen und ebenfalls ein paar Items mit sich herumtragen - eine spielerische Herausforderung stellen diese Kämpfe jedoch nicht dar. Diese Aktivitäten bringen euch nicht nur Bargeld ein: Die erwirtschafteten Güter könnt ihr alternativ dazu nutzen, um bessere Werkzeuge zu erhalten oder Maschinen herzustellen, die euch das Farmleben erleichtern und euer Tageseinkommen steigern können.
Ein weiterer Aspekt des Spiels ist die Stadt Pelican Town mit ihren etwa 30 Einwohnern. Nach einigen Stunden Spielzeit werdet ihr euch in dem virtuellen Dorf blind zurechtfinden und die Persönlichkeit der meisten Dorfbewohner erkannt haben. Wenn ihr mit den Bewohnern redet, Aufgaben für sie erfüllt oder ihnen Geschenke macht, steigt euer Freundschafts-Level mit den einzelnen NPCs, den ihr jederzeit im Optionsmenü einsehen könnt. Habt ihr euch hinreichend eingeschleimt, erfahrt ihr in kurzen Events neue Details über das Leben der einzelnen Figuren und werdet schnell feststellen, dass auch in einem idyllischen Bilderbuchdorf das Leben alles andere als perfekt ist.
Öfter mal nichts Neues
Wer sich beim Lesen des letzten Abschnitts nun etwas gelangweilt fühlte, weil man all das schon aus den zahlreichen Harvest-Moon-Titeln kennt, hat guten Grund dazu. Man findet zwar hier und da ein paar kleine Regeländerungen und neue Gemüsesorten, doch ein entscheidendes Gameplay-Element, mit dem sich Stardew Valley von seinem Vorbild abheben würde, gibt es nicht. Selbst das Bekämpfen von Monstern ist seit Rune Factory keine Neuheit mehr. Dasselbe gilt allerdings auch umgekehrt: Harvest Moon bietet im Vergleich zu Stardew Valley keinen Mehrwert, das Ein-Mann-Projekt kann problemlos mit der etablierten Serie mithalten. Und somit wird Stardew Valley nicht nur durch seinen niedrigeren Preis, sondern auch durch die Verfügbarkeit auf anderen Plattformen als dem 3DS zu einer echten Alternative.
Obwohl Stardew Valley eine noch lebendige Serie abkupfert, kann es in einem bestimmten Aspekt dann doch Nostalgie-Punkte sammeln. Denn während sich die aktuellen Harvest Moon-Teile in einer ziemlich hässlichen 3D-Grafik präsentieren, orientiert sich der Indie-Titel stilistisch am SNES-Original und zaubert eine wunderschöne, zweidimensionale Pixeloptik auf den Bildschirm. Dabei gehört es zu den wenigen Spielen, die diesen Grafikstil nicht nur als Alibi missbrauchen, sondern mit vermeintlich veralteten Mitteln einen optisch ansprechenden und zeitlosen Grafikstil umsetzen. Dafür spricht vor allem die Detailverliebtheit: Liebevolle Animationen versüßen euren Alltag in der virtuellen Welt, wenn etwa ein aufgeschrecktes Eichhörnchen zum nächstgelegenen Baum rennt oder eure Katze platt wie ein Teppich in der Sommerhitze herumliegt. Auch der Soundtrack hat einiges zu bieten, präsentiert euch jedoch keine Chiptune-Musik, sondern Musikstücke in CD-Qualität. Wer das Spiel besitzt, kann den digitalen OST auf Steam für kleines Geld erwerben - eine lohnenswerte Investition.
Doch genau wie seine idyllische Spielwelt ist auch Stardew Valley nicht vollkommen perfekt. Für Konsolenspieler wird vor allem die schlechte und provisorisch wirkende Gamepad-Unterstützung ein Problem darstellen: Einer meiner beiden Controller wurde vom Spiel gar nicht erst erkannt, und falls euer Pad mit dem Spiel funktioniert, müsst ihr alle Menüs mit einem Mauszeiger bedienen, der via Analogstick über den Bildschirm bewegt wird. Dieser Mauszeiger ist leider fehlerhaft implementiert, sodass es immer wieder zu Problemen kommt und beispielsweise eure Axt einen Blumenkohl anstelle eines Holzscheites trifft. In einigen Fällen ist der Mauszeiger beim Öffnen eines Menüs nicht erschienen, sodass wir dieses nicht bedienen konnten - ein massives Problem, wenn das Menü nur über Eingabe mit dem simulierten Maus-Cursor wieder geschlossen werden kann. Außerdem hat Stardew Valley Schwierigkeiten, seine auf zwei Ingame-Jahre ausgelegte Spielzeit mit Leben zu füllen. Nach dem Anbruch des zweiten Jahres hat sich das Gameplay etwas verbraucht und es kommen keine neuen, interessanten Aufgaben mehr hinzu. Wer von Stardew Valley trotzdem nicht genug bekommen kann, darf in einem Endlos-Modus beliebig lange weiterspielen.
Fazit:
Wie so viele Indie-Titel vor ihm ist Stardew Valley ein Liebesbrief an einen großen Klassiker. Das Projekt übernimmt fast all seine Spielelemente aus seinem offensichtlichen Vorbild und erfindet dabei wenig neu, lässt aber gleichzeitig keine Features vermissen. Obwohl es sich um einen kleinen Download-Titel handelt, muss sich Stardew Valley auch vor aktuellen Ablegern der Harvest Moon-Serie nicht verstecken. Tatsächlich kann der Newcomer gegen den alten Hasen sogar einige Stiche landen - vor allem mit seinem detaillierten 2D-Grafikstil, der die plumpe und hässliche 3D-Optik der letzten Harvest Moon-Titel klar aussticht. Mit unzähligen Aufgaben und versteckten Extras, die euch mindestens 30-40 Stunden lang unterhalten werden, bietet die Bauernsimulation ein unverschämt gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Wer jetzt zur PC-Version greift, muss allerdings eine schlechte und fehlerhafte Gamepad-Unterstützung verschmerzen können. Von diesem Problem abgesehen ist Stardew Valley ein sehr liebevoll entwickeltes Spiel, das wir allen virtuellen Farmern (und denen, die es werden wollen) nur wärmstens ans Herz legen können.
Von uns getestet: PC-Version