Call of Cthulhu
H.P. Lovecrafts literarisches Erbe und speziell seine 1926 publizierte Kurzgeschichte „Cthulhus Ruf“ haben bereits etliche Videospiele, Bücher und Filme entstehen lassen oder zumindest inspiriert. Unter dem Namen Call of Cthulhu gibt es seit den 1980ern ein Pen-and-Paper-Rollenspiel und 2005 wurde Call of Cthulhu: Dark Corners of the Earth für die erste Xbox veröffentlicht. Das neuste Loveraft-Videospiel vom französischen Entwicklerstudio Cyanide verzichtet wie das Pen-and-Paper-RPG auf einen Untertitel oder Beinamen. Unser Test klärt, ob die 2018er-Version von Call of Cthulhu dem ehrwürdigen Titel gerecht wird, oder nur ein laues Horror-Lüftchen darstellt.
Die Story
Es ist das Jahr 1924. Der Bostoner Privatdetektiv und Kriegsveteran Edward Pierce wird regelmäßig von schrecklichen Alpträumen geplagt. Weil zu allem Überfluss die Kanzlei nicht sonderlich gut läuft, sucht er sein Wohl nicht selten am Boden eines Whiskeyglases. Trotzdem bekommt er eines Tages wohlhabenden Besuch. Der reiche Stephen Webster möchte, dass sich Pierce mit einem überaus seltsamen Fall befasst. Websters Tochter, die passionierte Künstlerin Sarah Hawkins, ist zusammen mit ihrem Sohn und ihrem Ehemann bei einem Brand in ihrer abgelegenen Villa ums Leben gekommen. Vorher soll sie schon eigenartige Visionen gehabt haben, die sich in bizarren, furchteinflößenden Gemälden widerspiegeln.
Die örtliche Polizei hat den Brand längst als Unfall abgestempelt, aber Webster vermutet, dass mehr dahintersteckt. Er schickt Pierce daher in das düstere, stets von Nebel verhangene, ehemalige Walfänger-Örtchen Darkwater, um dort den Tod der Künstlerin zu untersuchen. Dass Websters Sorgen nicht unbegründet sind, zeigt sich schneller als Pierce lieb sein kann. Bereits beim ersten Besuch der Kneipe am Hafen wird klar, dass die Anwohner nicht gut auf Fremde zu sprechen sind. Sie haben offenbar etwas zu verbergen, und zwar mehr als nur die illegalen Destillerien, mit denen sie der Prohibition trotzen. Die Story kann allgemein gut unterhalten, kommt aber nicht ohne Logikfehler aus und verlässt selten B-Movie-Niveau.
Detektivspiel mit einem Hauch Horror
Erste Trailer oder Screenshots ließen Call of Cthulhu zum Teil wie ein Survival-Horrorspiel à la Amnesia: The Dark Descent, Soma oder sogar das blutrünstige Outlast erscheinen. Tatsächlich müssen wir uns als Edward Pierce hin und wieder vor okkulten Mönchen, feindseligen Wachen oder einem widerlichen Monster – dem Shambler – in Schränken verstecken, aber insgesamt ist das Spiel eher mit storylastigen Detektivspielen wie Sherlock Holmes - The Devil's Daughter vergleichbar. Klassische Horrorelemente wie Jump Scares oder Passagen, in denen Pierce von dem oben genannten Shambler, der direkt aus Silent Hill stammen könnte, gejagt wird, kommen so selten vor, dass die Entscheidung der USK, dem Spiel eine Altersfreigabe ab 16 Jahren zu verpassen, absolut nachvollziehbar ist.
Publisher Focus Home Interactive bezeichnet Call of Cthulhu als „investigatives RPG“ und trifft damit den Nagel auf den Kopf. Pierce untersucht alleine oder mit Verbündeten, wie dem gutmütigen Inspektor Bradley, verschiedene Schauplätze auf der Insel Darkwater, um so nach und nach Sarahs Verschwinden aufzuklären. Dabei streift Pierce unter anderem durch die alte Hawkins-Villa, durch ein geheimes Tunnelsystem tief unter Darkwater oder durch eine Klinik, in der den Kranken nicht wirklich geholfen wird. Ein großer Fokus liegt dabei auf dem Erkunden der einzelnen Gebiete und dem Rekonstruieren verschiedener Vorfälle. Um Letzteres zu bewerkstelligen, dürfen wir an besonders interessanten Schauplätzen immer wieder in den sogenannten Rekonstruktionsmodus wechseln. Dieser verleiht dem Bildschirm kältere Farben und zeigt uns mit Hilfe gespenstischer Silhouetten Visionen vergangener Zeiten. Die nachgestellten Szenen sind cool aufgemacht, es ist allerdings mehr als schade, dass Pierce den Rekonstruktionsmodus nur an vorgegebenen Orten einsetzen- und immer erst nach dem Auffinden sämtlicher Hinweise wieder verlassen kann. So ist es unmöglich Hinweise zu übersehen. Trotz einer semi-offenen Welt mit teilweise mehreren Lösungswegen und Herangehensweisen bei bestimmten Rätseln fühlt sich Call of Cthulhu dadurch sehr linear an.
Rollenspielelemente erhält Call of Cthulhu durch eine Handvoll Fähigkeitspunkte, die wir gleich zu Beginn des Spiels in verschiedene Kategorien investieren dürfen. Zu diesen Kategorien zählen verhältnismäßig alltägliche Attribute wie Stärke oder Redegewandtheit, aber auch ungewöhnlichere wie Entdeckung, Ermittlung, Medizinkunde, Okkultismus und Psychologie. Mit einem hohen Entdeckungswert findet Pierce öfter Bücher, mit denen er seine Medizin- oder Okkultismuswerte verbessern kann. Mit mehr medizinischem Wissen tut sich Pierce dann beispielsweise beim Untersuchen von Leichen oder seltsamen Medikamenten leichter, geschult im Umgang mit okkulten Bräuchen erkennt er dagegen schneller Zusammenhänge zwischen alten Symbolen oder bizarren Gegenständen an Tatorten. Indirekt eröffnen die unterschiedlichen Fähigkeiten zudem verschiedene Gesprächsoptionen während Dialogen, wobei es nicht immer klar ist, welche Option wir welcher Fähigkeit verdanken.
Technisch altbacken
Die (zugegebenermaßen kleine) Welt von Call of Cthulhu bietet viele Details und eine zum Schneiden dicke, düstere Atmosphäre. Pierce lässt sich in der Egoperspektive außerdem absolut präzise und ohne Framerateeinbrüche oder Pop-Ups durch die unterschiedlichen Gebiete steuern, aber die Technik lässt sich dennoch bestenfalls als zweckmäßig beschreiben. Es ist mehr als offensichtlich, dass Cyanide Studios keine Motion-Capturing-Technik einsetzen konnte, denn die vielen Charaktere im Spiel kommen äußerst hüftsteif daher. Die Animationen wirken schwerfällig, Mundbewegungen passen nicht zu den Äußerungen der Charaktere. Die Charaktermodelle an sich sind künstlerisch stimmig, wirken aber zu oft wie Holzpuppen. Schöner sind die Umgebungen, doch auch hier finden wir schnell Makel. Die verwendeten Texturen sind zwar meist von angenehm hoher Qualität, aber kommen durch das Fehlen bestimmter Shader nicht immer so zur Geltung wie sie es sollten. Manche Licht- und Wettereffekte wirken zudem äußerst unnatürlich. Dem Nebel in Darkwater sieht man beispielsweise jederzeit an, dass er aus einem Filter besteht, der wenig dynamisch über das Bild geklatscht wurde, während manche Gegenstände oder NPCs in bestimmten Gebieten keinen Schatten werfen. Alle Lichtquellen im Spiel scheinen mit dem stets gleichen Effekt seltsam zu dampfen. Insgesamt erinnert Call of Cthulhus Grafik zu häufig an die vergangene Konsolengeneration. Immerhin darf die akustische Seite des Spiels als rundum gelungen bezeichnet werden. Die englische Sprachausgabe kann überzeugen, die Hintergrundgeräusche und die dezent eingesetzte musikalische Untermalung passen stets zum Geschehen.
Fazit:
Call of Cthulhu lebt von einer düsteren, mystischen Atmosphäre, einigen interessanten Rätseln und vor allem einer subtil-gruseligen Story im Lovecraft-Stil, wobei letztere trotz besserer Momente nicht immer überzeugen kann. Die Steuerung ist einwandfrei, die Grafik ist jedoch nicht mehr als zweckmäßig und die RPG-Elemente wirken aufgesetzt. Der Endkampf gegen den Shambler verkommt zudem zu einer unnötigen Trial-and-Error-Passage, und mit sieben bis acht Stunden Spielzeit ist das Detektivabenteuer darüber hinaus äußerst kurz geraten. Spieler, die auf gruselige Abenteuer stehen und für ein längeres Spiel gerade keine Zeit haben, dürfen einen Blick riskieren, sollten sich aber nicht mit zu hohen Erwartungen nach Darkwater begeben.
Von uns getestet: PlayStation-4-Version