Mighty No. 9
Kickstarter fungiert nicht nur als Plattform für interessante Indie-Titel, sondern wird immer wieder auch zum Finanzieren von größeren Projekten gebraucht, für deren Entwicklung kein Investor gewonnen werden konnte. Ein solcher Titel ist Mighty No. 9, das von Keiji Inafunes neuem Studio Comcept entwickelt wurde, nachdem Capcom sowohl Mega Man Universe als auch Mega Man Legends 3 den Geldhahn zudrehte.
Mighty No. 9 sollte ein würdiger geistiger Nachfolger der Mega Man-Serie
werden, die von Capcom nur noch für dreiste Handyspiele und ständige
Re-Releases der NES-Klassiker gebraucht wird. Nach dem eher
durchwachsenen Echo der internationalen Fachpresse haben wir uns nun
selbst ein Bild von dem Action-Platformer gemacht und uns außerdem
angesehen, wie sich die Wii U-Version technisch schlägt.
Neue Ideen sind nicht gleich gute Ideen
Mighty No. 9 orientiert sich als Jump'n'Shoot sehr deutlich an der Mega Man-Serie, bringt jedoch auch eine eigene Spielmechanik mit: Durch einen Druck auf die Schultertaste kann Hauptfigur Beck einen kurzen Dash ausführen - auch mehrmals hintereinander und mitten in der Luft. Dieses Manöver ist an sich aus Mega Man X bekannt, bildet in Mighty No. 9 jedoch ein Kernelement der Spielmechanik, da es zum Besiegen von Gegnern verpflichtend ist. Mit eurer Armkanone könnt ihr Gegner und Bosse lediglich schwächen - um sie auszuschalten, müsst ihr sie anschließend mit einer Dash-Attacke direkt treffen. Auch die aus dem Original bekannte, sehr direkte Steuerung wurde im Prinzip über den Haufen geworfen: Nicht selten stolpert Beck nach einer Landung ein paar Schritte weit durch die Gegend, was euch die Kontrolle über den Protagonisten nimmt. Auch sonst fühlt sich die Steuerung extrem unpräzise an, was insgesamt zu einem eher unangenehmen Spielgefühl führt, das sich auch nach mehreren Stunden Eingewöhnungszeit nicht bessert.
In vielen anderen Aspekten ist sich Inafune treu
geblieben: So darf Beck die ersten acht Levels des Spiels in einer
beliebigen Reihenfolge absolvieren und erhält nach einem siegreichen
Bosskampf eine Spezialfertigkeit von seinem Widersacher. Auch der
berüchtigte Schwierigkeitsgrad der NES-Titel ist intakt - doch während
diese meist fordernd und motivierend waren, fühlt sich Mighty No. 9 an
wie ein ständiger Kampf mit der unpräzisen Steuerung. Da ihr alle Gegner
mit riskanten Nahkampf-Manövern ausschalten müsst und Beck komisch
durch die Gegend stolpert, werdet ihr ständig getroffen, was durch die
üppige Lebensenergie des Protagonisten und einen mehrmals pro Level
verwendbaren Energietank wieder mitigiert wird. Echte Gefahr geht also
eigentlich nur von den vielen Todesfallen aus, die Beck beim kleinsten
Fehler sofort umbringen und manchmal nur überwunden werden können, wenn
ihr schon wisst, was auf euch zukommt. Auch die Bosskämpfe sind
knallhart und können frühestens nach einigen Fehlversuchen überwunden
werden, wenn ihr die meisten Angriffsmuster erlernt habt.
Katastrophale Wii U-Portierung
Bereits
im Vorfeld konnte sich Mighty No. 9 nicht mit Ruhm bekleckern, wenn es
sich in Trailern und Screenshots zur Schau stellte. Die Optik ist
technisch auf N64-Niveau und auch stilistisch eher öde, da ein Großteil
des Spiels aus grauen Fabrik-Levels besteht. Die lieblose Gestaltung mit
zum Teil arg verpixelten Texturen und statischen 3D-Figuren, die noch
nicht einmal beim Sprechen ihren Mund bewegen, sind angesichts des
Kickstarter-Budgets von 4 Millionen Dollar ein echtes Armutszeugnis.
Dazu gesellen sich wirklich störende Ladezeiten: Nach jedem virtuellen
Ableben und sogar beim Öfnen des Optionsmenüs starrt ihr gut und gerne
20 Sekunden lang auf einen schwarzen Bildschirm. Und während viele
Tester bereits beim Spielen der Versionen für PS4 und Xbox One starke
Performance-Probleme vermelden mussten, ist die uns vorliegende Wii
U-Version in dieser Hinsicht eine echte Katastrophe.
Gefühlt
produziert die Engine deutlich weniger als 30 Bilder pro Sekunde, und
das omnipräsente Ruckeln macht die ohnehin fragwürdige Steuerung zu
einer echten Tortur. Dazu kommt, dass das Spiel fast im Minutentakt
komplett einfriert, um dann nach einer knappen halben Sekunde eine
zweistellige Anzahl von Frames einfach zu überspringen. Treten diese
technischen Fehler innerhalb einer brenzligen Platforming-Sequenz auf,
habt ihr keine Überlebenschance. Ein besonders krasses Beispiel ist der
Abschnitt am Ende von Pyros Level, in dem Beck herabregnenden
Feuerbällen und umstürzenden Kühltürmen ausweichen muss, während ihm
gleichzeitig der Boden unter den Füßen wegbricht. Diese Sequenz zwingt
die Framerate so stark in die Knie, dass sie in der Wii U-Version fast
unspielbar ist.
Fazit:
Betrachtet man das
nach drei Jahren Entwicklungszeit entstandene Endprodukt, ist die
Erkenntnis unumgänglich, dass sich Inafune mit Mighty No. 9 gehörig
übernommen hat. Die schlechte Spielengine lässt durchblicken, dass
Comcept mit der bei Null beginnenden Entwicklung eines ehrgeizigen
Projekts, das ohne die Unterstützung eines erfahrenen Publishers
realisiert werden musste, einfach überfordert war. Neue Ideen im
Spieldesign und fordernde Bosskämpfe lassen zwar etwas Potential
erkennen, doch insgesamt kann Becks Debüt nicht annähernd den hohen
Kaufpreis von 19,99€ (plus zusätzliche Kosten durch Day-One-DLC)
rechtfertigen. Wer Mighty No. 9 kauft, bezahlt in erster Linie für Keiji
Inafunes Namen in den Credits.
Doch während sich Besitzer der
Versionen für Xbox One und PS4 lediglich mit einem enttäuschenden
Durchschnitts-Platformer abfinden müssen, ist die von uns getestete und
bewertete Wii U-Version aufgrund der extremen Performance-Probleme eine
ausgewachsene Katastrophe. Der Spieler befindet sich in einem ständigen
Kampf mit der unpräzisen Steuerung und den konstanten Rucklern, welche
jeglichen Spielspaß im Keim ersticken lassen. Regelmäßig geht die
Framerate so tief in den Keller, dass dadurch jegliche Spielbarkeit
verloren geht. Eine derartige technische Umsetzung ist gänzlich
inakzeptabel und wir können Wii U-Besitzer nur vehement darum bitten,
Inafunes großen Namen zu ignorieren und ihre Aufmerksamkeit stattdessen
echten Geheimtipps wie Shantae oder Freedom Planet zu widmen.
Es kommt ein beschissenes Spiel das auf der WiiU auch noch am allerbeschissensten läuft....
Kurz und knapp: man hätte das Spiel ausschließlich für PC, Mac und Linux releasen sollen und erst dann mit den Portierungen beginnen. Währenddessen hätten die Entwickler ja ein bisschen Gratis-DLC bringen können, denn die Käufer der Retail-Versionen dann 4 free kriegen.