Test

Mighty No. 9

Von Andreas Held am 25.06.2016

Kickstarter fungiert nicht nur als Plattform für interessante Indie-Titel, sondern wird immer wieder auch zum Finanzieren von größeren Projekten gebraucht, für deren Entwicklung kein Investor gewonnen werden konnte. Ein solcher Titel ist Mighty No. 9, das von Keiji Inafunes neuem Studio Comcept entwickelt wurde, nachdem Capcom sowohl Mega Man Universe als auch Mega Man Legends 3 den Geldhahn zudrehte.

Mighty No. 9 sollte ein würdiger geistiger Nachfolger der Mega Man-Serie werden, die von Capcom nur noch für dreiste Handyspiele und ständige Re-Releases der NES-Klassiker gebraucht wird. Nach dem eher durchwachsenen Echo der internationalen Fachpresse haben wir uns nun selbst ein Bild von dem Action-Platformer gemacht und uns außerdem angesehen, wie sich die Wii U-Version technisch schlägt.

Neue Ideen sind nicht gleich gute Ideen

Mighty No. 9 orientiert sich als Jump'n'Shoot sehr deutlich an der Mega Man-Serie, bringt jedoch auch eine eigene Spielmechanik mit: Durch einen Druck auf die Schultertaste kann Hauptfigur Beck einen kurzen Dash ausführen - auch mehrmals hintereinander und mitten in der Luft. Dieses Manöver ist an sich aus Mega Man X bekannt, bildet in Mighty No. 9 jedoch ein Kernelement der Spielmechanik, da es zum Besiegen von Gegnern verpflichtend ist. Mit eurer Armkanone könnt ihr Gegner und Bosse lediglich schwächen - um sie auszuschalten, müsst ihr sie anschließend mit einer Dash-Attacke direkt treffen. Auch die aus dem Original bekannte, sehr direkte Steuerung wurde im Prinzip über den Haufen geworfen: Nicht selten stolpert Beck nach einer Landung ein paar Schritte weit durch die Gegend, was euch die Kontrolle über den Protagonisten nimmt. Auch sonst fühlt sich die Steuerung extrem unpräzise an, was insgesamt zu einem eher unangenehmen Spielgefühl führt, das sich auch nach mehreren Stunden Eingewöhnungszeit nicht bessert.

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In vielen anderen Aspekten ist sich Inafune treu geblieben: So darf Beck die ersten acht Levels des Spiels in einer beliebigen Reihenfolge absolvieren und erhält nach einem siegreichen Bosskampf eine Spezialfertigkeit von seinem Widersacher. Auch der berüchtigte Schwierigkeitsgrad der NES-Titel ist intakt - doch während diese meist fordernd und motivierend waren, fühlt sich Mighty No. 9 an wie ein ständiger Kampf mit der unpräzisen Steuerung. Da ihr alle Gegner mit riskanten Nahkampf-Manövern ausschalten müsst und Beck komisch durch die Gegend stolpert, werdet ihr ständig getroffen, was durch die üppige Lebensenergie des Protagonisten und einen mehrmals pro Level verwendbaren Energietank wieder mitigiert wird. Echte Gefahr geht also eigentlich nur von den vielen Todesfallen aus, die Beck beim kleinsten Fehler sofort umbringen und manchmal nur überwunden werden können, wenn ihr schon wisst, was auf euch zukommt. Auch die Bosskämpfe sind knallhart und können frühestens nach einigen Fehlversuchen überwunden werden, wenn ihr die meisten Angriffsmuster erlernt habt.

Katastrophale Wii U-Portierung

Bereits im Vorfeld konnte sich Mighty No. 9 nicht mit Ruhm bekleckern, wenn es sich in Trailern und Screenshots zur Schau stellte. Die Optik ist technisch auf N64-Niveau und auch stilistisch eher öde, da ein Großteil des Spiels aus grauen Fabrik-Levels besteht. Die lieblose Gestaltung mit zum Teil arg verpixelten Texturen und statischen 3D-Figuren, die noch nicht einmal beim Sprechen ihren Mund bewegen, sind angesichts des Kickstarter-Budgets von 4 Millionen Dollar ein echtes Armutszeugnis. Dazu gesellen sich wirklich störende Ladezeiten: Nach jedem virtuellen Ableben und sogar beim Öfnen des Optionsmenüs starrt ihr gut und gerne 20 Sekunden lang auf einen schwarzen Bildschirm. Und während viele Tester bereits beim Spielen der Versionen für PS4 und Xbox One starke Performance-Probleme vermelden mussten, ist die uns vorliegende Wii U-Version in dieser Hinsicht eine echte Katastrophe.

Gefühlt produziert die Engine deutlich weniger als 30 Bilder pro Sekunde, und das omnipräsente Ruckeln macht die ohnehin fragwürdige Steuerung zu einer echten Tortur. Dazu kommt, dass das Spiel fast im Minutentakt komplett einfriert, um dann nach einer knappen halben Sekunde eine zweistellige Anzahl von Frames einfach zu überspringen. Treten diese technischen Fehler innerhalb einer brenzligen Platforming-Sequenz auf, habt ihr keine Überlebenschance. Ein besonders krasses Beispiel ist der Abschnitt am Ende von Pyros Level, in dem Beck herabregnenden Feuerbällen und umstürzenden Kühltürmen ausweichen muss, während ihm gleichzeitig der Boden unter den Füßen wegbricht. Diese Sequenz zwingt die Framerate so stark in die Knie, dass sie in der Wii U-Version fast unspielbar ist.

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Fazit:

Betrachtet man das nach drei Jahren Entwicklungszeit entstandene Endprodukt, ist die Erkenntnis unumgänglich, dass sich Inafune mit Mighty No. 9 gehörig übernommen hat. Die schlechte Spielengine lässt durchblicken, dass Comcept mit der bei Null beginnenden Entwicklung eines ehrgeizigen Projekts, das ohne die Unterstützung eines erfahrenen Publishers realisiert werden musste, einfach überfordert war. Neue Ideen im Spieldesign und fordernde Bosskämpfe lassen zwar etwas Potential erkennen, doch insgesamt kann Becks Debüt nicht annähernd den hohen Kaufpreis von 19,99€ (plus zusätzliche Kosten durch Day-One-DLC) rechtfertigen. Wer Mighty No. 9 kauft, bezahlt in erster Linie für Keiji Inafunes Namen in den Credits.  

Doch während sich Besitzer der Versionen für Xbox One und PS4 lediglich mit einem enttäuschenden Durchschnitts-Platformer abfinden müssen, ist die von uns getestete und bewertete Wii U-Version aufgrund der extremen Performance-Probleme eine ausgewachsene Katastrophe. Der Spieler befindet sich in einem ständigen Kampf mit der unpräzisen Steuerung und den konstanten Rucklern, welche jeglichen Spielspaß im Keim ersticken lassen. Regelmäßig geht die Framerate so tief in den Keller, dass dadurch jegliche Spielbarkeit verloren geht. Eine derartige technische Umsetzung ist gänzlich inakzeptabel und wir können Wii U-Besitzer nur vehement darum bitten, Inafunes großen Namen zu ignorieren und ihre Aufmerksamkeit stattdessen echten Geheimtipps wie Shantae oder Freedom Planet zu widmen.

Unsere Wertung:
4.0
Andreas Held meint: "Mighty No. 9 ist ein enttäuschender und belangloser Action-Platformer, dessen Wii U-Version durch massive Performance-Probleme komplett zerstört wird."
Mighty No. 9 erscheint für PC und PlayStation 4 und Wii U und XBox One. Wir haben die Version für Wii U getestet.
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8 Kommentare:
Belphegor)
Belphegor
Am 25.06.2016 um 14:42
Zumindest wird es ein Wii U Update geben um die Performance-Probleme zu lösen!
Vyse)
Vyse
Am 25.06.2016 um 16:58
Der Patch ist bereits verfügbar und ich habe die gepatchte Version gespielt, der hat also nicht allzu viel gebracht. Nur die Ladezeiten sind nach dem Patch etwas weniger störend.
zocker-hias)
zocker-hias
Am 27.06.2016 um 16:27
Ja das glaubst auch nur du, dass damit die größten Probleme gelöst werden.... :D
Dr_Lobster)
Dr_Lobster
Am 25.06.2016 um 15:08
Auch wenn Nintendo diesmal ausnahmsweise nichts dafür kann ist es doch irgendwie bezeichnend für die aktuelle Lage:
Es kommt ein beschissenes Spiel das auf der WiiU auch noch am allerbeschissensten läuft....
Gast)
Gast
Am 25.06.2016 um 15:47
Damit ist also auch Keiji Inafune Geschichte! Mal sehen wie er mit ReCore abschneidet, wobei das Spiel schon jetzt ein belanglosen Eindruck macht.
Wolf-Link)
Wolf-Link
Am 25.06.2016 um 20:06
Damit ist das Spiel endgültig von meiner Liste geflogen. Auch wenn es von Anfang an nicht gut aussah wollte zumindest einen bzw euren Test abwarten.
XParasX)
XParasX
Am 25.06.2016 um 21:55
Keiji Inafunes Statement auf den Shitstorm bezüglich Mighty No.9 war... Es ist zwar nicht Perfekt aber besser als Garnichts...... Naja Kickstarter halt zum Glück lasse ich von sowas die Finger........
SantiagoWinehouse)
SantiagoWinehouse
Am 26.06.2016 um 07:29
Schade, das Spiel sah vielversprechend aus!
Tim)
Tim
Am 26.06.2016 um 08:11
Wirklich eine ziemliche Unverschämtheit: Da werden Fans auf Kickstarter mit Hilfe eines bekannten Entwicklernamens erst Millionen aus der Tasche gezogen, obwohl dann kurze Zeit danach auf mysteriöse Weise doch ein Publisher auftritt. Und dann strotzt das fertige Spiel vor handwerklichen Fehlern, die einfach darauf hindeuten, dass man dem Spiel nicht genug Zeit gegeben hat - eigentlich ist das ja ein klassisches Problem einer Entwicklung mit einem (naturgemäß) profitorientierten Publisher im Hintergrund. Aber dass das in der Intensität jetzt auch bei einem weitgehend communityfinanzierten Spiel auftritt, ist schon sehr ärgerlich für alle, die da Geld gespendet haben.
Samus_Aran)
Samus_Aran
Am 26.06.2016 um 11:24
Die Problematik wird sein, dass man sich trotz der großen Gelder aus der Community an diverse Publisher geschmissen hat, damit man die Releases auf den ganzen Zielplatformen hinbekommt. Das diese UNBEDINGT alle simultan erscheinenen mussten (Der Publisher will ja nur einmal Marketing machen) zeigt ja, dass dort von oben Druck gemacht wurde den Titel endlich fertigzustellen. Sicherlich gab es auch Kommunikationsprobleme mit den vielen externen Entwicklern.

Kurz und knapp: man hätte das Spiel ausschließlich für PC, Mac und Linux releasen sollen und erst dann mit den Portierungen beginnen. Währenddessen hätten die Entwickler ja ein bisschen Gratis-DLC bringen können, denn die Käufer der Retail-Versionen dann 4 free kriegen.
zocker-hias)
zocker-hias
Am 27.06.2016 um 16:26
Ja das glaubst auch nur du, dass damit die größten Probleme gelöst werden.... :D