Mario & Sonic bei den Olympischen Spielen – Rio 2016
Das einst Undenkbare ist Routine geworden. Schon zum dritten Mal treten Mario & Sonic gemeinsam bei den Olympischen Spielen an. Unser Test zeigt: Die Formel funktioniert noch immer. Doch ohne zu begeistern.
Weil die Olympischen Sommerspiele in diesem Jahr in Rio de Janeiro stattfinden, präsentiert sich natürlich auch das Videospiel (das einzige mit der offiziellen Lizenz des IOC) ganz im Samba-, Sonne-, Sandstrand-Style – und erscheint auch erst jetzt, im Sommer, nachdem die Vorgänger immer schon im Herbst vor dem Olympia-Jahr auf den Markt kamen.
Olympia am Traumstrand
Der Strand ist nicht nur optisches Leitmotiv für das fünfte Spiel mit den Mario- und Sonic-Olympioniken, sondern auch der Ersatz für das Hauptmenü; er ist, wenn man so will, die „Spielwelt“. Bei jedem Spielstart findet sich euer Mii an der „Copacabana“ wieder. Der kleine Sandkasten ist dem weltbekannten Stadtteil von Rio mit seinem vier Kilometer langen, golden glänzenden Badestrand nachempfunden und dient als Tor zu den eigentlichen Spielinhalten: einfach die kleinen Toads, Roboter oder Hilfscharaktere ansprechen. Daneben gibt er nicht allzu viel her. Zufällig herumlaufende Charaktere aus dem Miiverse erzählen euch kleine, teils skurrile Info-Fetzen aus ihren Herkunftsländern oder spielen zur Deko miteinander Volleyball. Trotzdem: Schöner als irgendein Menü ist der Strand als Hub-Welt allemal.
Zwei unübersehbare Statuen verschaffen den Mii-Olympioniken Zutritt zum wesentlichen Teil des Spiels. Im Einzelmatch-Modus könnt ihr jede der 14 Disziplinen des Spiels einzeln spielen (allein oder mit bis zu drei Freunden) und dabei in die Haut eines Nintendo- oder SEGA-Charakters schlüpfen. Davon gibt es 30 Stück, die bekanntesten aus beiden Universen sind vertreten.
Daneben gibt es den Turniermodus. Er beinhaltet die gleichen Minispiele, arrangiert sie aber im Olympia-ähnlichen Format. Heißt: Bevor es im Finale um Gold, Silber oder Bronze geht, müssen die Athleten ein Viertel- und Halbfinale überstehen. Eines von drei angebotenen Turnieren könnt ihr zurzeit bestreiten. Danach gibt es wieder drei neue zur Auswahl. Ihr könnt in diesem Modus nur mit eurem Mii antreten, nicht mit Mario- & Sonic-Charakteren. Entsprechend tretet ihr auch gegen Miis anderer Spieler an, die das Spiel aus dem Nintendo Network empfängt. Ihre Leistungen entsprechen aber keinen realen Geistdaten, lediglich die Figuren sind dem Nintendo Network entnommen.
Der Titel ist zwar an Stellen wie dieser mit dem Internet verbunden, einen echten Online-Multiplayer-Modus gibt es aber nicht. Schwach. Lediglich indirekt könnt ihr gegen andere Spieler antreten, indem ihr in einem bestimmten Modus Mii-Geistdaten zu einzelnen Disziplinen herunterladet. Ansonsten ist der Titel ein rein lokales Multiplayer-Spiel, das allein auch weder viel Sinn ergibt noch viel Spaß macht. Für den lokalen Multiplayer-Modus braucht ihr aber natürlich drei weitere Wii-Remotes, der Pro Controller hilft euch nicht weiter, er ist nicht mit dem Spiel kompatibel.
Nach jedem Erfolg, sei es im Einzelmatch oder in Turnieren, bekommt ihr neben den obligatorischen Medaillen goldene Mario-Münzen und Sonic-Ringe. Ihr könnt sie eintauschen, um eure Miis für die Turnierwettkämpfe neu einzukleiden oder um Miiverse-Sticker zu kaufen. Dafür gibt es den „Mein Haus“-Teil des Spiels, ebenfalls vom Strand aus erreichbar. Da die Kostüme aber exklusiv in diesem Spiel Verwendung finden, ist das Ganze auf Dauer witzlos.
Wer in vielen Turnieren und / oder Einzelmatches erfolgreich ist, kann außerdem den Mario vs. Sonic- beziehungsweise Heldenmodus freischalten, einen K.O.-Modus, bei dem so viele Disziplinen nacheinander gespielt werden, bis alle Charaktere des eigenen oder des gegnerischen Teams besiegt sind.
BBBBBBB-A! – AAAAAAAAA-B
Und wie sind nun die 14 Disziplinen, welche frenetisch-freigeistigen Ideen halten sie für Mario & Sonic-Fans bereit? Nicht besonders viele. Im Olympischen Geiste werden die Sportarten zwar gern „Disziplinen“ genannt, bleiben im Kern jedoch simple Minispielchen. Enthalten sind unumgängliche Olympia-Klassiker wie der 100-Meter-Sprint, Schwimmen, Bogenschießen, Speerwurf, Tischtennis oder Dreisprung, neuerdings aber auch drei Mannschaftssportarten: Fußball, Rugby (2016 zum ersten Mal bei Olympia dabei) und Beach-Volleyball (darf nicht fehlen, umfasst schließlich Sand und Strand!). Ebenfalls im Olympischen Programm und etwas ausgefallener: Boxen, BMX, Reitsport, rhythmische Sportgymnastik (bitte mit Bowser oder Dr. Eggman durchführen) oder Tischtennis. Die drei Mannschaftssportarten gibt es zudem in je einer Mario-Variante, in der Items und Power-Ups vorkommen. Nur mit ihnen kommt das Spiel auf die 17 Disziplinen, die auf der Verpackung stehen – eine kleine, aber erwähnenswerte Verringerung des Umfangs im Vergleich zu den Vorgängern.
Die Minispiele funktionieren genauso, wie man sich das als semikreativer Spieler vorstellt: „Drücke im richtigen Moment den richtigen Knopf. Oder / und drücke ihn so schnell, wie du kannst!“ Obwohl sich jede Disziplin etwas anders steuert, ist das Schema eigentlich immer das gleiche: vor dem Start Schwung holen und durch möglichst häufiges Knopfdrücken Energie sammeln. Dann mit geschickten Knopfdrücken mannigfaltige Boosts erhaschen. Und zwischendurch immer wieder so schnell wie möglich drücken. Dieses Schema variieren fast alle Minispiele in Nuancen – beim BMX oder beim Schwimmen kommt es zum Beispiel darauf an, das Drücken richtig zu dosieren, beim Boxen und bei der Gymnastik geht es hingegen ausschließlich ums Timing und weniger um Kraft.
Insgesamt bleiben die Minispiele dabei denkbar flach. Zwar haben die Entwickler wieder Wert darauf gelegt, dass die Ergebnisse sich tatsächlich in Olympischen Dimensionen bewegen, doch letztlich bietet die Steuerung einfach nicht genug Tiefe, Variantenreichtum oder gar Präzision, um die Disziplinen über den Status eines seichten Glücks- oder Geschicklichkeitsspielchens zu hieven. Und auch die Bewegungssteuerung, die noch 2008 und 2012 bei den Peking- und London-Olympiaden die Hauptrolle übernahm (die Spiele erschienen für Wii), weicht einem eher stupiden Knopfdruck-Contest. Obwohl die Wii-Fernbedienung im Multiplayer-Modus zum Einsatz kommt, gibt es keinerlei Schüttel- oder Bewegungssteuerung.
Samba de Janeiro
Was dem Spiel an Inhalt und spielerischer Tiefe fehlt, will es durch durchgängige Brasilianifizierung wettmachen. Niemand wird zum Beispiel den rassigen Samba-Rhythmen entgehen können, die Mario & Sonics Rio-Abenteuer durchziehen. Jeder Ladebildschirm, jede Ergebnistabelle, jede Siegerehrung: Sie alle sind von Rasseln, Trompeten und anderen klischeebrasilianischen Instrumenten untermalt, oft sogar mit den immer gleichen Stücken. Manchmal geht das in dieser Penetranz und Frequenz ganz schön auf die Nerven, schließlich liegen zwischen zwei Ladebildschirmen oft nur wenige Sekunden.
Auch grafisch bleibt das Spiel voll bei Sonne und Strand. Simple Formen und Farben treffen auf zweckmäßiges Design, der ernstgemeinte Olympia-Lizenzspiellook vermischt sich angenehm mit Mario-typischem Fun-Sport-Style. Schön sind vor allem die Sandeffekte, Mario und Konsorten hinterlassen darin immer kleine Furchen. Und auch die Charaktermodelle und ihre Animationen sind als einziges Alleinstellungsmerkmal dieses Olympia-Lizenzspiels gut gelungen.
FAZIT:
Mario & Sonic bei den Olympischen Spielen Rio 2016 bleibt in jeder Hinsicht eine ziemlich erwartbare und wenig überraschende Minispielsammlung; daran ändert die offizielle Olympia-Lizenz wenig. Die 17 (bzw. 14) Minispielchen sind spielerisch nicht besonders anspruchsvoll und setzen auf schnelles Drücken aller möglichen Knöpfe des Wii U GamePads. Diese Ausrichtung könnte vor allem unerfahrene Spieler irritieren, die an die sehr intuitive Schüttelsteuerung der Wii-Vorgänger gewöhnt sind; sie kommt nicht mehr vor. Die Minispiele binden Nintendo und SEGA schön in einen stimmigen Olympia-Rahmen im Rio de Janeiro-Look ein, setzen damit aber keine stilistischen Ausrufezeichen. Wer nach einer simplen Spielesammlung für einen Abend mit Freunden sucht (echten Online-Multiplayer gibt es nicht), macht nichts falsch. Alle anderen bekommen ein Gesamtpaket, bei dem man hauptsächlich für die vielen großen und bedeutenden Lizenzen bezahlt, die in ihm verbaut sind.
Was mich aber eigentlich interessiert, wie funktioniert die Fußball Disziplin? Ich hatte die Leise Hoffnung hier wenigstens ein Stück Mario Strikers zu bekommen...
Sollte ich meine Vorbestellung etwa noch stornieren? :)