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Kommentar: Game on, Nintendo!

Von Jeremiah David am 27.06.2018

Unser Redakteur Schniko hat Nintendos aktuelle Situation zum Anlass genommen, um einen Artikel mit seiner persönlichen Meinung zum japanischen Videospielgiganten zu verfassen (LINK). Die ist - wen wundert’s - nicht allzu positiv ausgefallen, und mit seiner Kritik steht er sicher nicht ganz alleine da. Nintendos diesjähriger E3-Auftritt dürfte nur beinharte Fans wirklich zufrieden gestellt haben.

Außer Super Smash Bros. Ultimate hat Nintendo dieses Jahr für Vielspieler nicht mehr allzu viel in petto. Das Spiel scheint jedoch seinem Titel in mehrerlei Hinsicht gerecht zu werden: Es wird offenbar ein super Fun-Prügler mit ultimativer Charakterauswahl. Aber abgesehen davon hatte Nintendo auf der weltgrößten Videospielmesse nicht viel zu zeigen. Ist das allerdings Grund genug den Sand in den Kopf zu stecken (wie der gute Lothar einst so schön sagte)?

Um bei Lothars Vokabular zu bleiben: Bei Nintendo scheint etwas Sand ins Getriebe gerieselt zu sein. Nach einem famosen Launchfenster mit The Legend of Zelda: Breath of the Wild und Mario Kart 8 Deluxe sowie einem nicht weniger famosen Weihnachts-Lineup mit Super Mario Odyssey und Xenoblade Chronicles 2, entwickelt sich das Jahr 2018 ein wenig zu einer Geduldsprobe. Aber: Das war bei den Konkurrenzkonsolen nicht anders, und das, obwohl deren Launchtitel nicht annähernd die Qualität eines Zelda- oder Mariotitels hatten. Die PlayStation 4 kam mit Killzone und Knack auf den Markt, die Xbox One mit Forza 5, Dead Rising 3 und Ryse: Son of Rome. Systemseller sehen zweifelsohne anders aus, und was dann folgte war ebenfalls nicht berauschend. Weder Sony noch Microsoft waren in der Lage, 2014 wirkliche Granaten zu veröffentlichen. Beide Firmen hatten ordentlich Sand im Getriebe, aber beide schafften es, die metaphorischen Zahnräder wieder sauber zu bekommen. 2015 bot Microsoft Spielern laut eigener Aussage das „beste Spiele-Lineup in der Geschichte der Xbox“ und Sony liefert spätestens seit 2016 in relativ regelmäßigen Abständen überragende Exklusivtitel ab.

Es ist für einen Publisher nahezu unmöglich über einen längeren Zeitraum hinweg einen qualitativ wie quantitativ hochwertigen Support zu gewährleisten. Mit Entwicklungszyklen von bis zu fünf Jahren liegt das einfach in der Natur der Sache. Um wirklich regelmäßig AAA-Titel zu veröffentlichen, müssten Entwicklerstudios um Monate oder Jahre versetzt mit ihrer jeweiligen Arbeit beginnen, müssten im Idealfall immer gleich lang beschäftigt sein und sich immer strikt an vorgegebene Termine halten. Aber es sind einfach nicht alle Spiele gleich lang in Entwicklung und manchmal verspätet sich ein Titel schlicht und einfach.

Was zusätzlich nicht unerwähnt bleiben sollte: Nintendos bisheriger Output an Spielen im Jahr 2018 ist quantitativ betrachtet noch nicht einmal schlecht. Bisher gab es jeden Monat mindestens ein neues Nintendo-Spiel für die Switch. Im Prinzip also eine mehr als nur gute Quote, zumal die veröffentlichten Spiele auch qualitativ durchaus überzeugen konnten. Was jedoch den faden Beigeschmack erzeugt: Fast alle wichtigen Titel im 1. Halbjahr - bis auf Kirby Star Allies und Mario Tennis Aces - sind Wii-U-Ports oder richten sich eindeutig an eine ganz junge Zielgruppe (Nintendo Labo). Dass Nintendo aufwändige Projekte der letzten Generation einer größeren Spielerschaft zugänglich machen möchte, ist nur logisch und wirtschaftlich sinnvoll. Wer jedoch bereits eine Wii U zuhause hat und die Exklusivtitel kennt, darf aber natürlich berechtigt enttäuscht sein.

Erfolg macht sexy

Während die Switch jetzt also ein wenig unter einer Dürreperiode an echten Switch-Systemsellern leidet, so war das erste Jahr der Hybridkonsole tatsächlich sogar fast zu voll. Nintendo hätte Spiele zurückhalten können, um der Switch einen kontinuierlicheren Support zugkräftiger Spiele zu ermöglichen. ARMS und Splatoon 2 kamen praktisch zur gleichen Zeit auf den Markt und noch dazu mitten im sonst von Publishern so verschmähten Sommerloch. Hätte Nintendo nicht vielleicht ARMS zurückhalten können? Das hätte im Juni doch niemand vermisst, oder? Nintendo hat sich allerdings ganz bewusst dafür entschieden, möglichst viele Hochkaräter im ersten Switch-Jahr zu veröffentlichen. Unter dem Strich keine allzu schlechte Idee, immerhin hat sicherlich auch das gelungene Software-Lineup der Hybridkonsole zu den phänomenalen Verkaufszahlen beigetragen. 

Und auch wenn sich einige Spieler über die aktuelle Flaute ärgern, so könnte sich diese Strategie langfristig als sehr sinnvoll erweisen, denn Erfolg macht bekanntlich sexy. Mit fast 20 Millionen verkauften Einheiten steht die Switch heute beeindruckend gut da. Die Wii U wurde längst überholt. Publishern - ob groß oder klein - liefert Nintendo so 20 Millionen Gründe, um für das System zu entwickeln und auf kurz oder lang werden die Spieler das auch zu spüren bekommen. Mehr Spiele werden kommen, nicht nur von Nintendo.

Ich sehe was, was du nicht siehst

Schniko bezeichnete Nintendos E3-Präsentation als „unfassbar uninspiriert und einfach nur lausig“. Objektiv lässt sich dem kaum widersprechen. Nintendo hat auf der E3 mitnichten Begeisterungsstürme ausgelöst, aber vielleicht interpretieren wir zu viel in die miese E3-Präsentation hinein. Take Two Interactive hatte überhaupt keine Pressekonferenz, trotzdem wissen wir, dass der Publisher einige heiße Eisen im Feuer hat; nicht zuletzt Red Dead Redemption 2, das jetzt schon als möglicher GOTY-Titel gehandelt wird. Nintendo hat die frustrierende Angewohnheit auf der E3 nur bald verfügbare Titel zu zeigen. Dennoch wissen wir, dass noch viel mehr in Entwicklung ist. 

Ein Trailer zu Metroid Prime 4 hätte dem E3-Auftritt gut getan und viele Kritiker verstummen lassen, allerdings hätte das am tatsächlichen Lineup nichts geändert. Die E3 ist letztlich nur eine riesige Marketingveranstaltung und wir sollten uns davon nicht blenden lassen. Spiele wie Metroid Prime 4, das neue Hauptreihen-Pokémon-Spiel oder Yoshi wurden nicht gezeigt, aber sie werden kommen. Sogar Titel, von denen wir aktuell noch gar nichts wissen – ein neues Zelda, ein neues 3D-Mario, ein neues Animal Crossing oder Mario Kart sind so sicher wie das Amen in der Kirche und fast ebenso sicher ist: Wenn sie endlich das Licht der Welt erblicken, dann werden uns diese Titel wie schon so oft zuvor an den Bildschirm fesseln. Nintendospiele sind nicht immer das, was wir erwartet haben, und sie kommen nicht immer dann, wenn wir gerade spielen wollen, aber Qualität und puren Spielspaß kann man ihnen nur selten absprechen.  

Nintendos Konkurrenz ist nicht unsere Konkurrenz

Und wenn wir dann doch mal zu ungeduldig sind, wenn wir nicht auf das nächste Zelda oder Mario Kart warten wollen, oder wenn Nintendo einfach einige Zeit lang an den eigenen Interessen vorbei entwickelt, dann können wir uns die Zeit mit anderen Titeln vertreiben. Viel zu häufig sehen Nintendofans in den Spielen von Microsoft oder Sony böse Konkurrenztitel. Andersrum ist es genauso. Nintendo, Sony und Microsoft stehen natürlich alle in Konkurrenz zueinander, aber was hat das mit uns zu tun? Nichts. 

Markenloyalität bringt höchstens den Publishern etwas. Ist die Beziehung zu einem Hersteller gerade im Keller? Dann einfach mal fremdgehen. Samus wird nicht eifersüchtig, wenn wir zwischendrin ein bisschen mit Aloy oder Ori spielen. Mario beginnt nicht zu motzen, wenn wir ihm eine Pause gönnen, um stattdessen mit dem Master Chief auf die Jagd zu gehen oder mit Nathan Drake alte Tempel zu erkunden. Wer das nötige Kleingeld besitzt, sollte sich nicht von fehlgeleiteten Gedanken der Treue zurückhalten lassen. Ich finde: Wir sind nicht in erster Linie  Nintendospieler, Microsoft-Fans oder Sony-Jünger. Wir sind Gamer.  

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4 Kommentare:
Matthew1990)
Matthew1990
Am 27.06.2018 um 10:57
Der letzte Abschnitt ist meiner Ansicht nach der wichtigste. Ich habe oft das Gefühl, dass gerade die Leute mit 2-3 Konsolen, sich am meisten beschweren, dass Nintendo nichts bringt, obwohl sie genug Alternativen hätte. xD
Tobsen)
Tobsen
Am 27.06.2018 um 16:59
Das ist auch so. Bzw. zumindest ich kann für mich sagen, dass ich das so mache. Da ich eben 'ne PS4 hier stehen habe, habe ich halt die Konkurrenz in unmittelbarer Nähe und greifbar. Spiele ich Ni No Kuni 2 oder doch lieber Dark Souls remastered? Oder 2 oder 3 oder Bloodborne? Etc., etc. Diese Liste ließe sich wirklich beliebig verlängern (auch natürlich für X1-Besitzer und auch über andere Genres Hinweg. Sportspiele, Rennspiele, Egoshooter usw. - da sieht's auf Switch ja sogar noch übler aus als bei JRPGs). Also es (zumindest mir) fällt durch das Haben der PS4 extrem auf, was es auf Switch alles nicht gibt. Da reißt es für eben auch kein Mario Tennis raus. Daher eben mein Beschweren.
Und wenn man keine JRPGs mag, dann guckt man bei der Switch tatsächlich richtig in die Röher, ist leider so. Und dann ist man wie Nibez und hat Brot und ein paar eShop-Dinger auf dem Gerät.
Denios)
Denios
Am 27.06.2018 um 11:08
genau so sehe ich das auch. Und auch wenn alle die E3-Präsentation von Nintendo doof fanden, so war SmashBros der meistgetweetete Hashtag wähtend der Veranstaltung. Der Plan, sofern es denn einer war, ging wohl auf :D
Falcon)
Falcon
Am 27.06.2018 um 12:59
Schöner (Gegen)Kommentar! Ich für meinen Teil bin auch von der E3 enttäuscht und auch für mich gibt es dieses Jahr weniger Nintendo-Titel als 2017. Eben weil ich schon eine Wii U hatte.

Trotzdem liebe ich meine Switch und spiele sehr häufig darauf - gibt ja auch noch einige coole Indies und Third-Party-Games, die ich nicht nicht kenne. Insofern: Ich bin versorgt. Und andere Konsolen gibt es ja auch noch ;-)
Xangor)
Xangor
Am 28.06.2018 um 13:55
Hmmm...einerseits hab ich als Multikonsolero tatsächlich genug zum spielen. Andererseits bin ich von Big N momentan fast genauso enttäuscht wie von Microsoft. Bei der One stehen noch Gears 5 und FH 4 auf der Liste....Halo (6) Infinite kommt wohl schon für die Xbox Two auf die sich Microsoft schon jetzt konzentriert. Aber zurück zu Nintendo: Was ich nicht verstehe ist wo Pikmin 4 bleibt? Das sollte eigentlich schon längst fertig sein. F-Zero? Kid Icarus? Bayonetta 3? Starfox? 3D-Donkey Kong? 2D-Mario? etc. etc. Nintendo könnte so viel nachlegen, aber es kommt nichts....Am meisten Hits nach meinem Geschmack produziert aktuell tatsächlich Sony: God of War, Spiderman, The Last of Us 2, Ghost of Tsushima und Dragon Quest 11 (von Squareenix) kommt auch noch dieses Jahr für die PS 4. (Switch-Version???)
Es ist wirklich schade, dass Nintendo und Microsoft da aktuell nicht mithalten können...
Matthew1990)
Matthew1990
Am 28.06.2018 um 20:08
Bayonetta 3 wurde bereits geteasert, nur nicht auf der E3.
Xangor)
Xangor
Am 29.06.2018 um 09:40
Ja, mir ist klar, dass Bayonetta 3 angekündigt wurde. Aber mittlerweile würde ich gerne mehr sehen (Bilder) und wissen (Release 2019?). Warum ist es so ruhig geworden um das Projekt? Bei Pikmin 4 ist es noch schlimmer....