Mirror's Edge Catalyst
Als Electronic Arts Mirror's Edge im Januar 2009 veröffentlichte, war es schlichtweg das richtige Videospiel zur richtigen Zeit. Denn während die halbe Branche zusah, wie Activision mit Call of Duty große Erfolge einfuhr, und man sich anderorts über Shooter-Trends beklagte, demonstrierte das schwedische Studio DICE, wie man ein immersives Action-Abenteuer aus der Ego-Perspektive realisiert. Das Ergebnis stellte die wohl beste Interpretation eines Action-Titels aus der Ego-Perspektive für Konsolen seit Metroid Prime aus dem Jahr 2002 dar. Es dauerte dementsprechend nicht sehr lang, bis Mirror's Edge den Kultstatus erlangte. Seither werden Rufe nach einer Fortsetzung immer lauter. Mit Mirror's Edge Catalyst werden sie nun endlich erhört. Ob der Titel die hohen Erwartungen auch erfüllen kann, erfahrt ihr in unserem Test.
Alles (ein bisschen) beim Alten
Zunächst einmal der wichtigste Fakt vorweg: das neue Mirrors Edge versteht sich nicht als Fortsetzung, sondern eher als Neuinterpretation des Vorgängers. Demzufolge haben sich Kerngerüst und Story nicht verändert. Die Stadt Glass ist ein Dystopia der Zukunft, in der dank eines radikalen und totalitären Regimes Wohlstand herrscht und die Kriminalitätsrate gegen Null läuft. Dies ist allerdings nur aufgrund der strikten und ausnahmslosen Kontrolle der Massenmedien und Einwohner möglich. Eine zentrale Rolle nimmt dabei die Kruger Holding ein, deren Abteilung Kruger Security (K-Sec) den Willen der Führungsebene mit aller Gewalt durchsetzt.
Trotz aller Staatsgewalt gibt es jedoch immer noch einige Schwarzmarkthändler und Rebellen. Inmitten dieses Konstruktes operieren die Runner, denen auch die Hauptprotagonistin Faith angehört. Die Runner haben sich Parkours als Art der Fortbewegung zu Eigen gemacht und führen am Rande der Legalität Botengänge auf den Dächern der Stadt durch. Die Stimmung zwischen den Fraktionen ist angespannt und aufgeheizt. Als man Heldin Faith zum Spielbeginn aus ihrer Haft entlässt, wird sie schon kurz darauf zum titelgebenden Katalysator, der Ereignisse von unmessbarer Tragweite ins Rollen bringt. Der einzige große Unterschied im Vergleich zum geistigen Vorgänger ist nun der Spielaufbau an sich. In Mirror's Edge Catalyst spielt man nicht mehr eine Folge umfassender Level, sondern wird in eine offene Spielwelt geworfen.
Open World nach Schema F
Mirror's Edge war seinerzeit eine einzigartige Spielerfahrung. Daran hat sich im Kern auch nichts geändert, denn die Steuerung ist weitestgehend gleich geblieben. Faith wird mit den beiden Analogsticks gesteuert und sämtliche Sprung-, Rutsch- und Rempel-Aktionen werden über die vier Schultertasten ausgeführt. Dabei ist gutes Timing wichtig, da die Heldin sonst an Momentum und damit auch Geschwindigkeit verliert. Dies ist besonders in den Kämpfen wichtig, bei denen man sich mit den verschiedenen Tasten am Controller zur Wehr setzt. So könnt ihr schlagen, treten, einen Gegner zur Seite stoßen oder ausweichen.
Im Vergleich zum Original fühlt sich die Steuerung jedoch merklich träger an. Das Timing fällt also stärker ins Gewicht, umgekehrt fühlt sich eine kluge Verkettung von Bewegungen unter diesen Bedingungen aber auch sehr gut an und sorgt so für ein tolles Spielgefühl. Das Kampfsystem wurde allerdings unnötig verkompliziert und überfordert von Beginn an. Besonders stärkere Gegner blocken den Großteil aller Aktionen ohne Toleranz und verfallen in immergleiche Bewegungsmuster mit ebenso identischen Animationen, sodass man spätestens zur Mitte der Hauptstory resigniert und in den aufgezwungenen Kampfsituationen einfach ein Standardprogramm an Kampfbewegungen ausführt, ohne sich dabei dem Hauptwunsch der Spielmechanik hinzugeben: kreativ zu sein.
Auch außerhalb der Kämpfe geht dem Spiel dank der sogenannten Runner's Vision ein großer Teil seiner Kreativität verloren. Sie färbt Hindernisse in der Spielwelt rot ein, um anzuzeigen, welche Objekte für ein erfolgreiches Vorankommen beklettert werden wollen. In Mirror's Edge Catalyst geht dieses Feature nun noch einen Schritt weiter. Ein animierter roter Schweif zeigt hier ganze Laufrouten an. Dies ist in der großen offenen Spielwelt an und für sich zu begrüßen. Allerdings ist der Übergang von offenen Arealen zu den Inhalten der Story-Missionen so fließend, dass einem die Runner's Vision irgendwann ungewollt den Spielspaß nimmt. Während sie in offenen Spielwelt zur Orientierung unerlässlich ist, beraubt sie das Spiel in seinen teils undurchsichtig konstruierten Innenbereichen seines Puzzle-Faktors.
Was nicht passt, wird passend gemacht
Wer sich auf die Story-Missionen konzentriert, wird den Abspann bereits nach wenigen Stunden zu Gesicht bekommen. Nebenher gibt es eine Reihe an Nebenmissionen zu erledigen, die aber kaum weitere Tiefe in die generell sehr dünne und belanglose Story bringen. Der Rest ist Füllmaterial: Wettrennen, Botengänge auf Zeit, Kämpfe und haufenweise Sammelgegenstände. Wer alle Kartensymbole im Menü aktiviert, erhält einen Symbol-Wirrwarr, der jedes Assassin's Creed eindrucksvoll in seine Schranken weist. Darüber hinaus können alle Spieler eigene Herausforderungen erstellen und sie auf der Karte platzieren. Zwar lassen sich solche Symbole im Menü für die Kartenansicht deaktivieren, was sie aber nicht davon abhält, im Spiel selbst aufzutauchen.
So kann es passieren, dass man auf dem Weg zur nächsten Story-Mission an zahllosen Markern vorbeilauft, die unter Umständen absolut nichts zum Spielfortschritt beitragen. Diese Verwässerung ist schade, da man sich bei DICE hier und da schon Gedanken um eine sinnvolle Ausgestaltung der Spielwelt gemacht hat. Muss der Spieler etwa zwischen zwei Story-Missionen von A nach B gelangen, sind kleinere Herausforderungen des Öfteren in diesen Weg eingeflochten. Für Komplettverweigerer gibt es eine Schnellreise-Funktion.
Um den Spieler zur Absolvierung dieser ganzen Belanglosigkeiten zu motivieren, wurden die Fähigkeiten von Faith fragmentiert. Durch gesammelte Erfahrung erhaltet ihr zusätzliche Upgrade-Punkte, die ihr in die Bereiche Bewegung, Kampf und Ausrüstung investieren könnt. Diese Design-Entscheidung frustriert allerdings mehr, als sie nützt. Denn auch ohne die Upgrades kommt man gut durch das Hauptspiel. Nur eine Handvoll Fähigkeiten müssen irgendwann für das Vorankommen freigeschaltet werden, doch die dafür nötigen Upgrade-Punkte erhält man leicht durch das Absolvieren der Story-Missionen an sich. Wirklich elementare neue Eigenschaften wie etwa ein Greifseil gibt es im Rahmen der Story-Missionen ohnehin komplett kostenfrei. Im Kontrast dazu sind Aktionen wie die 180-Grad-Drehung oder das Abrollen nicht direkt verfügbar. So fühlt man sich vom Spiel eher gegängelt als motiviert.
Optik nicht gänzlich überzeugend
In Sachen Präsentation konnte man Mirror's Edge schon im Original kaum kritisieren. Für Mirror's Edge Catalyst trifft dies zumindest im auditiven Bereich ebenfalls zu. Dezent atmosphärische Elektro-Klänge halten sich zunächst im Hintergrund und gewinnen im Verlauf der Missionen immer mehr an Intensität, bis sie den Spieler förmlich durch die Korridore der abstrakten Bürokomplexe oder Baustellen peitschen.
Grafisch ist die Sache nicht ganz so einfach. Zwar ist der Titel ungemein durchgestylt, allerdings schafft er es dabei nicht, sich auf ein einheitliches Niveau festzulegen. Während die Frostbite-Engine in einigen Bereichen ordentlich die Muskeln spielen lässt, wirken andere Teile der Spielwelt eher generisch und lieblos. Über allem stehen aber die formidabel inszenierten Filmsequenzen, die zusammen mit der guten Synchronisation sehr überzeugen können. Auch scheint das Spielgeschehen schlicht und ergreifend zu schnell für das Konzept der offenen Spielwelt zu sein. Flüchtet man etwa über einen längeren Zeitraum hinweg vor K-Secs Schergen und bleibt dann stehen, kann man den Texturen um sich herum beim Nachladen zusehen und bestaunen, wie der Detailgrad der näheren Umwelt plötzlich zunimmt. Zusammen mit den vielen Markern für Aufgaben und Spieler-Herausforderungen leidet darunter auch die Immersion des Spiels.
Fazit
Mirror's Edge Catalyst versucht, das einzigartige Spielerlebnis des Serien-Erstlings mit einem Open-World-Konzept zu kombinieren. Dabei beweisen die Entwickler von DICE größtenteils zwar handwerkliches Geschick, ignorieren aber den Fakt, dass beide Konzepte an allen Ecken und Enden nicht wirklich zusammenpassen wollen. Das Ergebnis ist ein Spiel, das zwar seine grandiosen Momente hat, jedoch an zu vielen Stellen unter den Entscheidungen im Game-Design leidet und sich dadurch unausgewogen und sperrig anfühlt, wie man es gut an dem starren und unfertig wirkenden Kampfsystem sehen kann. Bei aller Kritik ist Mirror's Edge Catalyst aber natürlich ein gutes Spiel und Fans des Vorgängers werden gekonnt unterhalten. Der erhoffte große Wurf ist es aber leider bei Weitem nicht geworden.
Dann wurde der Nachfolger mit dem Verzicht auf Waffeneinsatz angekündigt und ich war Feuer und Flamme.
Ich hab jetzt mal via EAccess reingezockt.... Mir gefällt es nicht! Es ist nicht die nicht immer stimmige Grafikqualität, die mich stört. Es sind auch nicht die Kämpfe oder das Design.
Es ist halt Assassins Creed meets Shadow of Mordor in Arkham City ... nur halt in hell! Die absolut unterste 08/15 Openworld-Schublade wurde hier geöffnet im selbstvertrauen, dass Freerunning und gestylte Spielwelt ausreichen. Nein! Tun sie nicht!