Story

NplusX-Kommentar & -Test zum Mini SNES: Die theoretische Konsole

Von Tim Herrmann am 30.09.2017

Die ultimative Retro-Konsole

Nintendos Mini NES, eines der heißesten Herbstspielzeuge 2016, war eine Abhandlung der ersten Gehversuche des Mediums Videospiel; mit vielen recht schlecht gealterten Minimalismusspielchen, die man heute selbst mit einer gehörigen Portion Nostalgie kaum ernsthaft genießen kann.

Mit den 21 SNES-Spielen, die auf der neuen Mini-Konsole installiert sind, lässt sich hingegen auch heute noch richtig etwas anfangen. Spiele wie The Legend of Zelda: A Link to the Past, Super Metroid, Super Mario World oder Yoshi's Island sind ausgezeichnet gealtert und nach wie vor gut spielbar. Sie bilden die spielerische Grundlage für Nintendos heute stärkste Serien. Dazu kommen in Europa eher unbekannte oder lang nicht mehr gesehene Perlen wie das Super Mario RPG, EarthBound und Secret of Mana. Das gilt natürlich nicht für ausnahmslos jedes vorinstallierte Spiel. Doch insgesamt ist das Mini SNES spielerisch ein dramatisch besseres Angebot, als es noch das Mini NES war.

Die verbaute Hardware ist zwar identisch mit der des Vorgängers. Mit einem beigelegten zweiten Controller und einem praktischen Rückspul- beziehungsweise Speichersystem hält das Mini SNS aber auch ein paar Extras bereit, die den höheren Preis rechtfertigen. Ärgerlich und unverständlich bleibt nach wie vor, warum die Kabel der Controller so kurz geraten sind. Nur etwas länger als die des Mini NES sind sie; und zwingen damit alle mit einem normalgroßen Wohnzimmer dazu, sich ein Micro-USB-Verlängerungskabel zu kaufen oder vor der Zig-Zoll-Glotze auf dem Fußboden zu hocken. Immerhin: Auch das ist irgendwie Retro-Gaming. Ebenfalls gaga: Warum legt Nintendo kein Netzteil bei? Diese Hardware-Versäumnisse kann, darf und muss man am spielerisch tollen Mini SNES-Angebot kritisieren.

Den Test zum Nintendo Classic Mini: Super Nintendo Entertainment System können wir damit eigentlich kurz halten: Die Retro-Konsole ist eine Konzentration von spielerischer Brillanz und damit fast uneingeschränkt empfehlenswert. 

Ein Investitionsobjekt für Nerds

Aber wozu legt Nintendo sein Retro-Archiv zuletzt eigentlich in kleinen Sonderkonsolen neu auf? Die Intention dahinter passt voll in die Unternehmensstrategie: Seit Jahren arbeitet Nintendo konsequent daran, mehr Menschen in Kontakt mit seinen großen Marken zu bringen. Die kleinen Mini-Konsolen sollen mit erschwinglichen Preisen und einfacher Handhabung Menschen ansprechen, die lange Zeit nichts mehr mit Nintendo zu tun hatten; die aber vielleicht noch schöne Kindheitserinnerungen an die alte NES- und SNES-Zeit haben und zumindest nicht ganz ausschließen, wieder zu den Videospielen zurückzukommen.

Doch der Plan geht auch beim Mini SNES nur theoretisch auf. Zwar gibt es genug normale Leute, die Interesse hätten. Aber kaum ein normaler Mensch hat ein Mini NES bekommen. Und die normalen Leute werden vorerst wohl auch kein Mini SNES bekommen, den Nachfolger.

Es scheint, als sei der bisherige Bestand ausschließlich von findigen Nintendo- und anderen Gaming-Fans aufgekauft worden. Fans, die bestens informiert über die Vorbestellungssituation waren. Und Fans, die um den Sammler- und vor allem den Wiederverkaufswert des Produkts wissen. Das sind Fans, die man nicht zur Rückkehr zu Nintendo überreden braucht; sie haben Super Metroid mitunter im Original, für die Wii- oder Wii U-Virtual Console, haben die GBA-Neuauflage von The Legend of Zelda – A Link to the Past und Super Mario World (2) in seinen zahllosen digitalen oder physischen Re-Re-Re-Releases. Kurzum: Nintendo und die Händler haben durch die Freigabe des Bestands für Vorbestellungen den Markt bedient, den sie ohnehin immer bedienen. Aber haben sie auch neue Kunden erreicht? Fraglich.

Und welche Rolle spielt nun die künstliche Verknappung?

Es gibt kaum einen Zweifel daran, dass Nintendo beim Release des Mini NES gezielt weniger Einheiten produziert hat, als man hätte verkaufen können. Künstliche Verknappung nennt man dieses Marketing-Prinzip, das auch wunderbar funktioniert. Denn das, was man nicht haben kann, will man bekanntlich umso mehr.

Nintendo-of-America-Boss Reggie Fils-Aimé behauptet zwar, die Lieferknappheiten hätten sich nur aus einer „falsch kalkulierten Nachfrage“ ergeben (NplusX berichtete). Doch Nintendo hätte im Laufe des Jahrs 2016 oder des frühen 2017 nachsteuern und andere Fabriken mit der Produktion weiterer Einheiten beauftragen können. Stattdessen verkündete man im Frühjahr 2017, die Produktion des Mini NES sei beendet. Damals war die Produktionskapazität wohl schon für das Mini SNES freigegeben worden (NplusX berichtete).

Die neue SNES-Retro-Konsole soll jetzt noch bis ins Jahr 2018 hinein nachproduziert werden (NplusX berichtete); Nintendo versucht also zumindest, die Nachfrage im Weihnachtsgeschäft zu bedienen. In den ersten Wochen werden die klassischen Fans aber wohl die hartnäckigeren Kunden bleiben. Sie werden sich zuerst bedienen und den Markt weiter leer kaufen, sodass der ganz normale MediaMarkt-Kunde leer ausgehen könnte. Im Sommer 2018 soll dann eine weitere Charge des Mini NES folgen – anderthalb Jahre nach seinem ersten Release.

Nintendo hat gemerkt, dass die Verknappungsstrategie zwar gewirkt hat, aber in der falschen Zielgruppe. Begehrlichkeit hat das Mini NES bei vielen geweckt. Doch nur der leidenschaftliche Fan hat das Produkt so genau und akribisch verfolgt, dass er eines abbekommen hat. Der typische Familienvater, der gern mal wieder ein paar NES-Spiele aus seiner Kindheit spielen wollte, ist bei Nintendos Mini NES hingegen leer ausgegangen. Und es bleibt fraglich, ob er anderthalb Jahre später überhaupt noch Interesse daran haben wird. Ähnlich wird es jetzt beim Mini SNES laufen. Nintendo ist sozusagen Opfer seines eigenes Erfolgs. Das Produkt ist extrem erfolgreich; doch seine eigentliche Zielgruppe erreicht es zunächst kaum, weil eine andere es noch dringender will.

Sein Ziel erreicht Nintendo also voraussichtlich erst einmal nicht: Das Mini SNES wird vorerst nur bei wenigen Neukunden wieder das Interesse an Games wecken und sie zu Nintendo, der Switch-Konsole oder den neuen Spielen zurückführen. Zu den Spielen, die mittlerweile 20 Jahre lang optimiert und mitunter fast bis zur Perfektion weiterentwickelt wurden.

Nur registrierte Benutzer können Kommentare verfassen. Jetzt registrieren
3 Kommentare:
Jerry)
Jerry
Am 30.09.2017 um 16:35
Wenn man sich die Software und vor allen Dingen die Hardware so anschaut, dürfte Nintendos Gewinnspanne bei der normalen UVP bereits bei mindestens 40€ pro Einheit liegen, vermutlich mehr. Gefühlt 50% der Mini-SNES wurden zudem von Leuten gekauft, die die Geräte jetzt für 150€+ weiterverkaufen wollen, weil Nintendos Lieferengpässe 50m gegen den Wind zu riechen waren. Mit einer solchen Ar***loch-Politik verliert Nintendo imho das Recht sich jemals wieder über Emulatoren oder böse Fan-Projekte zu beschweren. So cool das Gerät auch sein mag, ich unterstütze sowas nicht.
TraxDave)
TraxDave
Am 02.10.2017 um 17:53
1. scheinen deine Schätzungen wohl deutlich daneben zu liegen.
2. finde ich es okay, frustriert zu sein, dass man keins bekommen hat. Aber das Statement an sich, dass Nintendo das Recht verliert, sich über Emulatoren etc. zu beschweren...naja ist einfach falsch, da hilft auch kein „imho“. ^^

Es werden schon noch genug Einheiten kommen, keine Sorge.
Pogo)
Pogo
Am 30.09.2017 um 18:58
In Spanien kostet es nur 80€ und war gestern einfach im Laden zu kaufen ohne vorbestellen oder früh Schlange stehen.
Spider-Man)
Spider-Man
Am 01.10.2017 um 23:18
Nun ja, Nintendo hat versprochen, das sie es bis nächstes Jahr produzieren werden und es genug zu Weihnachten geben wir.
Wer jetzt so blöd ist mehr als 99 euro maximal plus Versandkosten dafür zu bezahlen ist dämlich.
Bei uns bei expert war die Erstauslieferung sofort in der 1. Stunde weg.
Aber sie bekommen in den nächsten Woche 67 Stück geliefert.
Mal sehen ob die Aussagen von Nintendo stimmen werden.
Wer die Games in den ganzen Jahren noch nicht gezockt hat kann auch ein paar Wochen warten bis die Nachlieferungen rauskommen.