Test

Fire Emblem Echoes: Shadows of Valentia

Von Tim Herrmann am 16.05.2017

Seit Fire Emblem Awakening kennt Nintendo nur eine Richtung für Fire Emblem: nach vorn, in den Massenmarkt. Nachdem die Serie jahrzehntelang ein solides Nischendasein gefristet hatte, werden Fans Ende 2017 voraussichtlich drei neue Fire Emblem-Releases zählen: die Smartphone-App „Heroes“, das Crossover Fire Emblem Warriors, das Ende des Jahres erscheinen soll, und Fire Emblem Echoes – Shadows of Valentia.

Der neue 3DS-Titel ist ein Remake von Fire Emblem Gaiden, einem NES- / Famicom-Titel von vor 25 Jahren, der es nie aus Japan herausgeschafft hat. Was ihn so besonders macht? Wie etwa Zelda II – The Adventure of Link hat sich der Titel einige außergewöhnliche Gameplay-Experimente erlaubt. Nintendo hat sich für die Neuentwicklung einige dieser Ideen genommen, sie mit neuen Einfällen vermischt und daraus ein Spiel kreiert, das nicht so recht hineinpassen will in die Serie der vergangenen Jahre.

Ein bisschen Schicksal

Alm und Celica sind ein Herz und eine Seele, seit Kindestagen. Doch ihre Pfade trennen sich schnell, schon zu Spielbeginn. Während Alm eine Widerstandsarmee anführt und in einen Fire Emblem-typischen Krieg zieht, unternimmt Celica eine spirituelle Reise. Der Spieler verfolgt ihre Geschichten auf dem Kontinent Valentia unabhängig voneinander, und natürlich doch eng miteinander verflochten.

Die komplette Story ist jetzt mit gesprochenem Text vertont. Was früher nur kurze Catchphrases und Soundschnipsel waren, sind jetzt echte englischsprachige Dialoge – selbst in Nebenpassagen. Die Sprachausgabe ist von hoher Qualität und es gibt ein Auto-Dialog-Feature, das die Gespräche automatisch ablaufen lässt. Allerdings sind sie recht hölzern geschrieben, versuchen zwanghaft, pathetisch-mittelalterlich zu klingen. Doch das ist nichts Neues für Fire Emblem. Generell bewegt sich die Geschichte auf dem Niveau der Vorgänger: Intrigen, Gewissenskonflikte, Schicksale – das klassische Konstrukt.

Zum Action-Adventure reicht’s noch nicht …

Eine lineare Weltkarte mit verzweigten Pfaden zeigt die Etappenziele der Protagonisten. Die bevorstehenden Kämpfe sind auf ihr schon zu sehen, rote Gegner blockieren den Weg oder bewegen sich frei umher. Nicht selten kommt es dabei zu Überraschungsangriffen. Ohne große Vorrede und Story stürzen sich die Helden in den Kampf – ein recht deutlicher Unterschied zu anderen Fire Emblem-Spielen, in denen fast jeder Kampf mit Pathos und Geschichte aufgeladen war. Im Gaiden-Remake gibt es deutlich mehr Kämpfe als früher, dafür ist nicht jeder eine epische Schlacht, sondern oft einfach nur ein schnelles Scharmützel.

Neben ihren Gegnern finden Alm und Celica in Valentia auch immer wieder Dörfer oder Verliese auf der Map: die wohl wichtigste Neuerung. In Städten oder Schlössern navigiert ihr wie in einem klassischen Point & Click-Adventure mit einem Sucher über das Bild, sprecht Menschen an oder sammelt herumliegende Items wie Orangen und Lanzen ein.

Nicht so in den Dungeons. Alm und Celica laufen wie in einem 3D-Action-Adventure frei durch die Verliese. Auch das ist ein Musterbruch innerhalb der Fire Emblem-Reihe. Viel zu bieten haben die Dungeons jedoch nicht. Treffen die Protagonisten herumirrende Gegner, startet unvermittelt eines dieser schnellen, sehr einfachen Fire Emblem-Scharmützel mit wenigen Gegnern, und nach jedem werden alle Helden wieder geheilt. In Schatztruhen, Fässern oder Kisten liegen zudem Items oder Münzen versteckt, die der Spieler mit einem Angriff freilegt.

Ein interessanter Ansatz sind die Dungeon- und Dorf-Sequenzen für Fire Emblem allemal; man kann sie für die Zukunft gerne weiterdenken. Die Umsetzung in Echoes ist aber mehr als langweilig. Die Dungeons sind uninspiriert gestaltet, weisen keine innovative Spielidee auf und motivieren nur mit ihren Schätzen und Trainingskämpfen zum Durchkämmen; ein klassisches Crawler-Prinzip. Die Dörfer nerven manchmal mit völlig belanglosen Gesprächen und tristen Kulissen und Charakteren, die sich ständig wiederholen.

… und die Strategie ist etwas zurückgefahren worden.

Dungeons und Dörfer stehen jedoch auch in Fire Emblem Echoes – Shadows of Valentia klar hinter dem eigentlichen Spielinhalt: den Kämpfen. Dort hat sich einiges getan. 

Erstens: Die Spielfiguren tragen genau ein Item mit sich herum, etwa eine Stahllanze, einen Sakralring oder Manakraut. Es erhöht Angriff oder Abwehr, verleiht Spezialfähigkeiten oder liefert als Heilmittel einfach nur schnell Energie. Ihr entscheidet vor jedem Kampf, welchen Charakter ihr wie ausstatten wollt.

Zweitens: Es gibt kaum noch Waffenvorteile im Sinne des klassischen Waffendreiecks. Wer gegen wen wie gut und stark trifft, hängt von den Statuswerten der Charaktere ab, nicht von der Art der Waffe (Äxte sind gegen Schwerter beispielsweise nicht mehr kategorisch unterlegen).

Drittens: Die Kampfvorhersage wurde angepasst. Sie zeigt nicht mehr an, wie viel Schaden jeder Treffer verursacht, sondern nur noch, wie viel Rest-KP jeder Gegner nach einer Attacke mit X Angriffen übrigbehalten wird. Das zwingt den Spieler dazu, sich auf gut Glück in ein Duell zu stürzen oder selbst zu rechnen.

Viertens: Die Charakterkombos, die Doppelangriffe und die Unterstützen-Mechanik gibt es nicht mehr. Auch die Charakterbeziehungen stehen stärker im Hintergrund. Das nimmt dem Spiel ein taktisches Element, macht es aber auch weniger komplex.

Fünftens: Manche Charaktere funktionieren anders als gewohnt. Bogenschützen und Magier greifen beispielsweise auch aus einer Entfernung von drei oder mehr Feldern (oder direkt benachbarte Felder) an. Magier müssen für jeden Angriff einige KP opfern, dafür nutzen sich jedoch die Waffen nicht ab.

In Kombination ist all das nicht schwarzweiß „schlechter“ oder „besser“ als in anderen Fire Emblem-Spielen, sondern hauptsächlich „anders“. Wer sich auf die neuen Gegebenheiten einstellt, vollzieht damit ebenso intelligente Schachzüge wie in vergangenen Spielen. Wo ein taktisches Element der Vergangenheit wegfällt, haben die Entwickler neue geschaffen. Allenfalls sind die Elemente in ihrer Summe etwas einsteigerfreundlicher.

Kritik ist hingegen an anderer Stelle angebracht: Die Maps sind ziemlich simpel gestrickt, weisen nur selten clevere Layouts oder Gegnerkonfigurationen auf, die Spieler taktisch berücksichtigen müssten. Oft kämpfen die Helden auf großen, quadratischen Grünflächen mit vereinzelten Bäumen; ganz anders als etwa in Fates, wo ihr eure Truppe regelmäßig geschickt aufteilen musstet, um der anstürmenden Gegnerformationen Herr zu werden.

Darüber hinaus wirkt das Remake deutlich einfacher als seine Vorgänger. Im Test haben wir den Titel im „Schwierig“-Modus gespielt und das Permanent-Death-System eingeschaltet, sodass jeder Charaktertod ein Grund für einen Spielabbruch war (Tipp: L + R + Start + Select). Dennoch bietet kaum ein Kampf eine schier unüberwindbare Hürde. In den quasi unbegrenzt vorhandenen Kämpfen in Dungeons und auf der Map leveln die Charaktere recht zügig hoch. Schnell züchtet ihr starke gepanzerte oder magische Einheiten heran, die hocheffektive Kampftaktiken ermöglichen.

Zudem machen die Computergegner überraschend oft frappierende taktische Fehler, treten zum Beispiel fast besiegt und ohne Aussicht auf Überleben die Flucht ins nächste Lager an, um sich zu heilen, anstatt mit ihrem Ableben noch ein Loch in die gegnerischen Reihen zu schlagen. Das Spiel ist daher generell etwas gnädiger als Fire Emblem Fates im schwierigen Modus, weist einen schnelleren Spielfluss auf und unterstützt damit die höhere Zahl von kleineren, weniger epischen Schlachten.

FAZIT

In Fire Emblem Echoes: Shadows of Valentia haben Nintendo und Intelligent Systems mal ordentlich herumexperimentiert: mit neuen Gameplay-Elementen, neuen Spielmechaniken und einem neuen Ansatz im Storytelling. Nicht alle dieser Experimente sind geglückt. Die Action-Adventure-typischen Dungeons und Dörfer passen zum Beispiel prinzipiell gut ins Spiel, ihre Umsetzung ist jedoch langweilig und monoton. Die zahlreichen Änderungen an den Kampfmechaniken funktionieren ziemlich ordentlich. Etwas mehr taktischen Anspruch etwa im Map-Layout hätte sich das Spiel aber zutrauen dürfen – trotz seines Ansatzes, mehr und dafür weniger komplexe Kämpfe anzubieten, die selbst im schwierigen Modus schnell weggespielt sind. Die Präsentation bleibt insgesamt auf dem hohen Niveau von Fates, das Spiel ist jetzt sogar komplett englischsprachig vertont.

Fire Emblem Echoes – Shadows of Valentia taugt vor allem als Einsteigertitel für neue Fire Emblem-Fans, weil es weniger komplex ist. Doch auch Serienkenner dürfen beruhigt zugreifen. Wenn Nintendo die guten Ansätze des Remakes weiter reifen lässt, dürfen sie gerne im angekündigten Fire Emblem-Spiel für Switch, das 2018 erscheinen soll, eine Rolle spielen.

Unsere Wertung:
8.0
Tim Herrmann meint: "Ein einsteigerfreundliches Fire Emblem, das vieles anders macht als seine Vorgänger."
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2 Kommentare:
Vyse)
Vyse
Am 16.05.2017 um 19:33
Danke für das Review und auch die deutlichen Worte zum Schwierigkeitsgrad. Ich habe nichts gegen leichte Schwierigkeitsgrade, aber der Hard-Mode sollte auch entsprechend fordernd ausfallen.

Andererseits ist es eigentlich ganz gut, im vollgepackten Jahr 2017 auch mal ein Spiel aussortieren zu können. ^^
Denios)
Denios
Am 17.05.2017 um 13:09
hört sich cool, aber für Fire Emblem Fans auch ein kleines bisschen befremdlich an :D ich schau heut Abend mal, ob es schon da ist im Saturn^^