Die E3 ist das Weihnachten des Gaming-Kalenders. In diesem Jahr fällt sie für Nintendo-Fans aus. Denn außer dem neuen Zelda-Spiel gibt es 2016 nichts zu sehen.

Immerhin - Nintendo betreibt Erwartungsmanagement. Normalerweise verspricht man vor der Messe mehr, als man halten kann, und zieht damit in steter Regelmäßigkeit den Zorn der Fans auf sich; wie 2015, 2013, 2012 und viele Male zuvor. 2016 ist es anders. Nintendo macht von vornherein klar: Von uns braucht auf der E3 in diesem Jahr niemand irgendetwas erwarten.

Die heute kommunizierte Mitteilung zum anstehenden E3-Programm staubt geradezu vor Blutleere. Kurzform: Nintendo will auf der E3 massig neue Gameplay-Videos zu The Legend of Zelda zeigen, erst mit einer Präsentation, dann mit einem eintägigen Demo-Livestream. Sonst ist nichts für die E3-Woche angekündigt. Dass es auf der E3 neue Infos zu Zelda geben würde, war, gelinde gesagt, eine Selbstverständlichkeit. Dass es jedoch der einzige Inhalt des Messeauftritts sein wird, zeugt von Verzweiflung oder Anmaßung.

Zelda statt Digital Event statt Pressekonferenz

Nintendo wird das Spiel am 14. Juni ab 18:00 Uhr deutscher Zeit ausführlich vorstellen, im Marketing-Format „Nintendo Treehouse“. Das ist genau der prominente Zeitslot zu Beginn der Messe, der sonst den großen Pressekonferenzen oder zuletzt den Digital Events oder Direct-Episoden vorbehalten war. Sie entfallen nun ganz offenbar. In dem Stream werden Reggie Fils-Aimé, Bill Trinen, Eiji Aonuma und Co. durch den Titel führen, seinen Namen enthüllen, auf die Story und die neuen Gameplay-Mechaniken eingehen. Schön und gut.

Doch The Legend of Zelda erscheint erst 2017, womöglich nicht einmal zum Launch der Nintendo NX-Konsole im März, die eigentlich ja alle viel mehr interessiert. Bis zum Launch dauert es also noch mindestens ein Dreivierteljahr. Ein Dreivierteljahr, in dem Nintendo offenbar keine Geschäfte zu betreiben gedenkt. Sonst würde man die wichtigste Gaming-Messe der Welt doch nutzen, um anzukündigen, wofür Kunden 2016 ihr Geld ausgeben sollen. 

Nun ist es verständlich, dass Nintendo im Angesicht des entscheidenden Launches einer neuen Konsole, die offensichtlich noch nicht reif für eine Präsentation ist, keine allzu breite Produktpalette zu zeigen hat. Doch ist man wirklich so verzweifelt, hat man wirklich so wenig, dass ein einziges Spiel einen ganzen Messeauftritt füllen muss? Wären nicht kurze Impressionen zum neuen Paper Mario oder neuen Spielen für den 3DS, auf dem doch dieses Jahr der Fokus liegen soll, wenigstens eine Auflockerung gewesen?

Spoiler-Alarm

Dazu kommt ein weiterer Aspekt: Wer die E3 verfolgt, wird am Ende einen großen Teil des Beginns von The Legend of Zelda bereits kennen. Story, erste Zwischensequenzen, mehrere Dungeons, große Teile der Spielwelt – sie alle werden ausführlich und kommentiert zu sehen sein. Die Überraschung des Selbstspielens, die Nintendo sonst doch immer so hochhält, wird dadurch vermiest oder, um im Fachjargon zu bleiben: gespoilert. Wer sich nicht spoilern lassen möchte, muss der E3-Berichterstattung in diesem Jahr wohl fernbleiben. Weihnachten fällt diesen Sommer aus.

Armes Zelda

Ob es The Legend of Zelda für Wii U und NX gut tut, die Last einer ganzen E3 allein zu tragen, wird sich indes zeigen müssen. Um den zusammengekürzten E3-Auftritt irgendwie zu rechtfertigen, muss Nintendo um Zelda schon jetzt einen Nimbus des ultimativen Videospiels aufbauen. Das kreiert eine Erwartungshaltung, die das fertige Spiel kaum wird erfüllen können, geschweige denn die Demo. 

The Legend of Zelda für Wii U und NX wird sicherlich ein interessant anzusehendes und spaßig zu spielendes Videospiel, wahrscheinlich mit exzellenten Production Values und meisterhaftem Level-Design. Doch es erscheint als 19. Hauptteil einer 30 Jahre alten Adventure-Reihe, die jetzt eine offene Spielwelt als größte Neuerung mitbringt. Offene Spielwelten habe mehrere Entwickler in der Spielewelt des 21. Jahrhunderts bereits meisterlich umgesetzt. Ob The Legend of Zelda für Wii U und NX wirklich so revolutionär, so atemberaubend wird, bloß weil es einige (in der Tat) mitunter veraltete Zelda-Konventionen bricht …?

Nintendos E3-Ankündigung ist für Fans vor allem eines: schade. Eine spannende E3-Show mit vielen neuen Titeln, über die man im Guten oder im Kritischen diskutieren könnte, wird es nicht geben; die neue NX-Konsole bleibt vorerst ein Mysterium, Wii U und Nintendo 3DS müssen 2016 ein Dasein der Auslaufmodelle fristen. Und The Legend of Zelda muss die Bürde des Erlösers und Heilsbringers tragen, die bislang so vielen zu schwer war.