Test

Die Zwerge

Von Michael Prammer am 20.12.2016

Seit „Der Hobbit“ wissen wir: Zwerge sind cool. "Zeit also, dem kleinen, fleißigen Bergvolk ein eigenes Videospiel zu widmen", müssen sich die Bremer Jungs von King Art Games gedacht haben. Nun gibt es „Die Zwerge“ für den PC, die Playstation 4 sowie die XBOX One und wir haben uns in die Saga um die tapferen Handwerksmeister gestürzt.

Erzählerisches Höchstniveau

Fantasy-Fans und Leseratten wissen natürlich sofort, dass es sich bei „Die Zwerge“ um eine mehrteilige Buchreihe des erfolgreichen deutschen Autors Markus Heitz handelt. Der erste Teil dieser Bücher diente nun als Grundlage für die Geschichte des Videospiels. Das Projekt wurde mittels einer Kickstarter-Kampagne ins Leben gerufen und das Studio hat sich damit einer ganz großen Aufgabe gestellt. Die Story des Spiels handelt von Tungdil, einem Zwerg, der als Ziehsohn eines menschlichen Magiers aufwuchs und von seiner eigentlichen Herkunft nur aus Büchern weiß. Eines Tages wird Tungdil beauftragt, verschiedene Gegenstände zu einem ehemaligen Schüler des Magiers zu bringen. Diesen trifft der Zwerg allerdings nicht an und stolpert vielmehr in ein Abenteuer, in dem der Frieden des gelobten Landes, so der Name der Spielwelt, in Gefahr gerät. Die Story ist dabei bereits eines der großen Highlights im Spiel, die nur zu Beginn etwas Anlauf benötigt. Die Geschichte um Verschwörungen, Machtintrigen und die Kämpfe zwischen Zwergen, Elben und Orks hätte auch ohne weiteres aus der Feder eines gewissen J.R.R. Tolkien entstammen können.

„Die Zwerge“ ist ein taktisches Rollenspiel, das sich durch zwei wesentliche Elemente charakterisiert. Der erste Aspekt ist eine Landkarte des gelobten Landes, die wie eine Art Brettspiel wirkt. Hier wird Zug um Zug die Spielfigur von einem Feld zum nächsten bewegt, ehe man das aktuelle Questziel erreicht. Dabei wird pro Zug Nahrung verbraucht, die man durch Kämpfe oder Händler erhält. Ist diese Nahrung aufgebraucht, schränkt das den Bewegungsradius der Heldengruppe ein. Dargestellt wird diese, wie übrigens auch Feinde oder Händler, mit Holzfiguren. Das versprüht einen ganz besonderen Charme und lässt dank einiger verschiedener Handlungsmöglichkeiten an unterschiedlichen Stellen und Situationen Tabletop-Feeling à la „Das Schwarze Auge“ aufkommen. Auf den verschiedenen Feldern, die es zu bereisen gilt und die manchmal Dörfer, Städte oder kleine Lagerfeuer darstellen können, kommt es in regelmäßigen Abständen zu Events. Hier übernimmt der Spieler dann die Kontrolle eines von bis zu vier Helden und steuert seine Spielfigur in einer Diablo-ähnlichen Weise durchs eigentliche Spielgeschehen.

Zwerge sind nie alleine

Tungdil befindet sich als Hauptprotagonist immer in einer Truppe. Bis zu drei Mitstreiter lassen sich zusätzlich mitnehmen. Diese sollte man mit Bedacht wählen, da die Gruppenmitglieder unter Umständen unterschiedlich stark sind oder mal mehr oder weniger einstecken können. Je nach Mission - sei es flink aus einem Gebiet zu fliehen, oder möglichst viele Gegner zu vernichten - ist bei der Auswahl auch auf die unterschiedlichen Fähigkeiten zu achten. Man hat stets die Kontrolle über einen Charakter und kann diesen via Analogstick steuern. Die Zwerge schlagen im Übrigen automatisch auf ihre Gegner ein, man wählt lediglich die Spezialattacken aus, von denen jeder bis zu vier erwerben kann. Andere Mitstreiter holt man sich entweder mittels Tastendruck zur Seite oder wählt diese mit der Schultertaste aus. Wem das alles zu schnell geht, kann das Spiel zu jedem beliebigen Zeitpunkt der Schlacht einfach pausieren. Nun kann man im „Stillstand“ seine Krieger nacheinander auswählen und verschiedene Aktionen in aller Ruhe planen, ehe man das Spielgeschehen weiterlaufen lässt.

Ein echtes Alleinstellungsmerkmal ist das Kampfsystem, welches im Gegensatz zu anderen Genre-Vertretern komplett auf Physik basiert. Die Ork-Horden verfügen über ein entsprechendes Schwarmverhalten und eigene physikalische Eigenschaften. Versperren euch viele Einheiten den Weg, gibt es für euch ohne Weiteres kein Durchkommen. Im Gegenzug könnt ihr hier aber die Spielphysik mit Spezialfähigkeiten wie den Sprint oder Flächenattacken zu eurem Vorteil nutzen. So kämpften wir in der Intro-Sequenz auf einer großen Brücke gegen die Orkhorden, die wir dann mit gezielten Flächenattacken unserer Axt einfach in die Schlucht stießen. Was sich hier noch relativ einfach gestaltet, ist jedoch in späteren Massenschlachten nur mit geschicktem Einsatz der Pause-Funktion zu meistern. Hier kann man in aller Ruhe die Fähigkeiten und Stärken der einzelnen Mitstreiter ausspielen und sich so einen Vorteil in der Schlacht verschaffen.

Wer „Die Zwerge“ für eine gemütliche Feierabendklopperei hält, der sei gewarnt: Das Spiel ist bockschwer. Zwar gibt es drei Schwierigkeitsgrade, jedoch braucht es einiges an Übung und die richtige Auswahl der Spezialfähigkeiten, wenn man Erfolg haben möchte. Vor allem wenn es gegen mehrere Gegner geht, verliert man schon mal die Übersicht und verfängt sich schnell in den Gegner-Horden. Wenn es dann nicht schnell geht, erlebt man ruckzuck sein digitales Ableben. Etwas enttäuschend ist der Rollenspielaspekt, der bei dem Spiel etwas zu kurz geriet. Man steigt zwar im Level auf und kann alle paar Level zwischen zwei neuen Fähigkeiten wählen, jedoch ist bei Level 10 bereits Feierabend. Sich verändernde Attribute oder passive Talente gibt es bei "Die Zwerge" nicht. Auch bei der Ausrüstung wurde gespart: Man kann weder bei erlegten Widersachern noch bei Händlern neue Waffen und Rüstungen finden. Letztere halten immerhin Tränke und Nahrung zum Verkauf bereit. Außerdem findet man hin und wieder verschiedene Gegenstände, die man einem Charakter zuweisen kann und die diesem dann einen Bonus (z.B. sich regenerierende Lebensenergie oder Halbierung des genommenen Schadens) verabreichen.

Technik auf Konsolen von Gestern - Soundtrack überragend
Dann müssen wir an dieser Stelle die Technik behandeln und stellen fest, dass die Entwickler mit Konsolenumsetzungen wohl so ihre liebe Mühe haben. Das ist umso ärgerlicher, da "Die Zwerge" auf dem PC ohne nennenswerte Grafikfehler auskommt und zu beinahe jeder Zeit flüssig läuft. Eine butterweiche Optik trifft hier auf konstante Bildraten und lediglich die Ladezeiten hätten etwas kürzer ausfallen dürfen. Anders ist das Bild auf den aktuellen Spielkonsolen: das Spiel erreicht hier nur selten angenehme 30 Frames pro Sekunde, sondern liegt oft ein wenig darunter. Ferner ruckelt es hin und wieder in großen Schlachten, da das physikbasierte Kampfsystem die Konsolen an ihre Leistungsgrenzen treibt. Ebenfalls zu kritisieren ist die Oberweltkarte, bei der es manchmal extrem schwierig ist, einzelne Wegpunkte zu treffen, da die Kamera nervös herumzuckt. Solche technischen Fehltritte abseits der nicht optimalen Framerate trüben das Gesamtbild der Konsolen-Fassungen dann doch sehr. Das ist schade, denn die Optik ist im Grunde ganz nett anzuschauen und teilweise wirken die Gebiete und Bauten der Zwerge sehr atmosphärisch. Dazu kommen auf den Konsolen noch sehr langwierige Ladezeiten hinzu, die sich im Vergleich zur Heimcomputer-Variante fast verdoppeln. Doch wo Schatten ist, befindet sich meistens auch Licht und so müssen wir an der Stelle den überragenden Soundtrack loben, der wirklich meisterhaft geworden ist. Selbst auf der Übersichtskarte schallt ein epochaler Chor in die Lautsprecher, der einem Fantasy-Fan eine leichte Gänsehaut auf den Oberarm zaubert. Und die deutschen Synchronsprecher, samt dem Erzähler, sind einfach phänomenal und machen aus dem spielerischen Mittelmaß ein stimmiges Fantasy-Paket.

Fazit:
"Die Zwerge" ist ein solides taktisches Rollenspiel, das spielerisch zwar einige Finessen hat, jedoch von der Spieltiefe her nicht vollends begeistern kann. Dafür sind die Rollenspiel-Aspekte einfach etwas zu kurz gekommen, wobei die Kombination aus ruhigem Tabletop-Spiel und Diablo-ähnlicher Keilerei durchaus seine Reize versprüht. Technisch gesehen sind die Konsolen-Umsetzungen aber leider mit vielen ärgerlichen Fehlern behaftet und vor allem die Ladezeiten sind auf diesen Plattformen ein Graus. Wir haben die PlayStation 4-Variante getestet. Auf dem PC sind die Ladezeiten bedeutend kürzer ausgefallen und der Spieler genießt ein butterweich laufendes Spiel ohne größere Aussetzer - wer sich für die Zwerge interessiert, sollte also definitiv zur PC-Version greifen, für sie wäre unsere Wertung noch höher ausgefallen. In einem Punkt macht den Zwergen aber so oder so kaum einer etwas vor: in der grandiosen Inszenierung. Die tolle Geschichte wurde professionell synchronisiert und fesselt auch dank des überragenden Soundtracks für Stunden. Für Fantasy-Fans ist "Die Zwerge" also ein wahres Fest, sofern man einen Gaming-PC besitzt oder über die technischen Defizite der Konsolenfassungen hinwegsehen kann.

Unsere Wertung:
7.0
Michael Prammer meint: "Die Zwerge ist zwar spielerisch nur Mittelmaß, dafür aber von der Inszenierung her absolute Spitze. "
Die Zwerge erscheint für PC und PlayStation 4. Wir haben die Version für PlayStation 4 getestet.
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1 Kommentar:
Farbi11)
Farbi11
Am 20.12.2016 um 22:07
Die Technikwertung bezieht sich nur auf Konsolen, richtig? Vielleicht sollte man das im Kasten kenntlich machen, denn mangelhaft sieht doch ziemlich übel aus.