Tormented Souls 2
Das 2021 veröffentlichte Horrorspiel Tormented Souls (unseren Test dazu findet ihr hier) zählt für mich zu den angenehmsten Überraschungen, die ich bisher als Spieletester erleben durfte. Das Spiel, das sich als Hommage an die ersten Teile der Resident Evil- und Silent Hill-Teile sieht, ist sicher nicht frei von Mängeln, aber atmosphärisch ein Meisterwerk mit einigen der detailliertesten Umgebungen und besten Rätseln, die es in Videospielen zu finden gibt.
Seit Oktober diesen Jahres ist ein zweiter Teil erhältlich. Kann auch dieser überzeugen? Wir spannen euch in diesem Kurztest nicht lang auf die Folter: Die Antwort ist ganz klar "ja". Tormented Souls 2 macht genau da weiter, wo der erste Teil aufgehört hat. Alle Schwächen des Vorgängers sind vorhanden, aber ebenso die vielen Stärken, und wer Tormented Souls gespielt hat, kann sich das Lesen der nachfolgenden Zeilen eigentlich sparen. Entwicklerstudio Dual Effect betreibt keinen Verpackungsschwindel, sondern bietet uns eine konsequente Fortsetzung ohne dabei das Rad neu zu erfinden.

Schwestern auf Umwegen
Nach den Ereignissen im Wildberger Hospital ist Caroline mit ihrer zehnjährigen Schwester Anna unterwegs. Weil Anna immer wieder unter Albträumen leidet, steuern die beiden die Villa Hess an, ein Kloster beziehungsweise Krankenhaus im chilenischen Gebirge, das gleichzeitig als Resort dient und damit Entspannung verspricht. Nach ihrer Ankunft läuft aber mitnichten alles nach Plan. Anna wird von durchgeknallten Schwestern entführt, die ein wenig an die Kuttenträger aus Resident Evil 4 erinnern und offensichtlich unter der Fuchtel der bösartigen Mutter Lucia stehen. Caroline wird K.O.-geschlagen und wacht später mit einer Vielzahl übertrieben großer Akupunkturnadeln (naja, eigentlich sind es Dolche) im Körper auf. Weil Caroline bekanntermaßen hart im Nehmen ist, zieht sie die Messer aus ihrem Leib und macht sich sogleich unbeirrt auf die Suche nach Anna.
Die Story ist Trash und mehr Mittel zum Zweck, und die Cut-Scenes sehen noch immer aus als stammten sie aus einem Spiel der PS3-/Xbox360-Ära, sind aber dennoch unterhaltsam und so können auch Spieler, die den ersten Teil nicht kennen, bedenkenlos zugreifen, ohne irgendetwas zu verpassen.

Größer und blutiger
Tormented Souls 2 spielt sich genau so wie der erste Teil. Im Klartext heißt das: Wir steuern Caroline im Stile der Horror-Klassiker der 90er-Jahre etwas schwerfällig (aber keinesfalls langsam) durch famos detailliert ausgearbeitete Räume mit fixen Kameraperspektiven, ballern widerwärtige Gegner ab und lösen knackige, vielschichtige Rätsel, um die Story voranzutreiben und neue Gebiete erkunden zu dürfen. Auch die Silent-Hill-artige Parallelwelt ist wieder mit dabei und darf durch Spiegel oder VHS-Aufnahmen betreten werden. Gespeichert wird nach wie vor mit Tonbändern an entsprechenden Geräten. Eine Auto-Save-Funktion gibt es nicht, was dafür sorgt, dass beim plötzlichen Ableben unserer Protagonistin durchaus einiges an Spielfortschritt verloren gehen kann.
Die Unterschiede zum ersten Teil zeigen sich vorrangig nicht in der Qualität des Spiels, sondern im Umfang. Während wir in Tormented Souls praktisch nur im Wildberger Hospital und den Gewölben darunter unterwegs waren, bietet uns Tormented Souls 2 nicht nur die Villa Hess als Schauplatz, sondern eine ganze Ortschaft inklusive einem Museum, einem Einkaufszentrum mit allerlei Läden und einer heruntergekommenen Schule.
Was für die Umgebungen gilt, gilt auch für die Gegner: Auch hier bietet uns das Spiel gewohnte Kost, aber quantitativ mehr, womit nicht gemeint ist, dass wir von Gegnerhorden überrannt werden, sondern dass die Gegnervielfalt einfach größer ist. Ihr wolltet schon immer mal mit einer Nagelpistole gegen Zombie-Schweine oder verrückt gewordene Krabbenmenschen kämpfen? Hier könnt ihr es.
Auch das Gimmick mit dem Licht ist zurück: Caroline bekommt im Dunkeln panische Angst, kann mit ihrem Feuerzeug aber nur dann für Licht sorgen, wenn sie nicht gleichzeitig eine Schusswaffe halten muss. Das heißt, dass wir Gegner nur in ausgeleuchteten Gebieten bekämpfen können. Überall sonst müssen wir fliehen.
Und noch eine Sache haben die beiden Spiele gemein: Sie sind beide ab 16 Jahren freigegeben, und das, obwohl sie durchaus sehr blutige Horrorkost bieten. Vor allem beim zweiten Teil wundert mich die Wertung der USK angesichts einer Vielzahl zerstückelter Körper mit heraushängenden Gedärmen. Vielleicht wurde hier jedoch Gnade vor Recht gewährt, weil Caroline die Körper bereits so vorfindet und nicht selbst Hand anlegt. Gefallene Gegner lösen sich in Luft auf.

FAZIT
Was ist der größte Unterschied zwischen Tormented Souls und seinem Nachfolger? Nun, der erste Teil bietet trotz kleinerer Schwächen 8 bis 10 Stunden bester Survival-Horror-Unterhaltung. Tormented Souls 2 bietet im Gegensatz dazu trotz kleinerer Schwächen etwa 12 bis 15 Stunden bester Survival-Horror-Unterhaltung. Mit anderen Worten: Es ist alles wie gehabt, nur etwas größer. Die Cut-Scenes sind noch immer mies, die Story trashig, das old-school Kampfsystem eher rudimentär. Dem gegenüber stehen aber ein fantastisches Leveldesign, komplexe Rätsel und vor Details strotzende, hochatmosphärische Umgebungen, die nur so danach schreien, erkundet zu werden.