Tomb Raider: Definitive Edition
Ein Reboot ist immer eine knifflige Sache. Die Herzen von neuen Fans wollen gewonnen werden, ohne die alten zu verprellen und so mancher Versuch, einer etablierten Serie neues Leben zu verleihen, endet in einem Debakel, das die gesamte Reihe letztlich für alle Beteiligten und Interessierten verdirbt. Im Fall des Reboots der “Tomb Raider”-Serie von 2013, das, im Auftrag vom damals neuen Publisher Square Enix, von Crystal Dynamics realisiert wurde, lief zum Glück aber alles glatt. Vom alten Ballast (und einer Menge Polygone in der oberen Torso-Region der Protagonistin) befreit, erzählen die drei Teile der Survivor Trilogie die Geschichte der ersten Abenteuer einer jungen Lara Croft und gehören damit für mich zu den besten Spielen, die die “Tomb Raider”-Serie je hervorgebracht hat. Jetzt ist der erste Teil eben dieser Trilogie ohne große Ankündigung und damit für viele überraschend auf der Nintendo Switch und Switch 2 veröffentlicht worden und musste natürlich direkt von mir einmal getestet werden. Ob der Titel auch nach zwölf Jahren noch begeistern kann, erfahrt ihr in den kommenden Absätzen.

Jünger, aber immer noch eine Croft
Unser Abenteuer beginnt an der Seite einer 21-jährigen Lara Croft, die sich auf ihrer ersten großen Expedition unter der Leitung des Archäologen Dr. Whitman befindet, um das verloren geglaubte Königreich Yamatai zu finden. Doch schon im Vorspann geht alles schief, als das Schiff der Expedition in einem Sturm vor einer geheimnisvollen Insel sinkt und Lara und ihre Kameraden sich mit den mörderischen Inselbewohnern konfrontiert sehen. Verletzt und schutzlos entkommt Lara ihren Häschern nur mit knapper Not und muss im weiteren Verlauf nicht nur das Geheimnis der Insel lüften, sondern auch noch ihre Freunde retten, um die Heldin zu werden, die wir nun schon seit 30 Jahren kennen. Dabei präsentiert uns Crystal Dynamics zunächst keine knallharte Action-Ikone, sondern eine verletzliche und ängstliche junge Frau, die im Kampf ums nackte Überleben erst durch die Umstände zum Äußersten getrieben wird, statt jede Bedrohung gleich mit zwei Pistolen zu klären. Diese Abkehr von der aus den alten Spielen bekannten Femme Fatal, die auch durch die fast schon familiäre Bindung unterstrichen wird, die Lara zu ihren Freunden im Spiel pflegt, zeigt den Charakter in einem realistischeren und damit auch sympathischeren Licht, das sich auch im Design des Charakters widerspiegelt. Denn statt Hotpants und hauchengen Tanktops darf Lara endlich einmal lange und (in unterschiedlichen Skins) funktionale Kleidung tragen. Eine willkommene Abwechslung, die einer der ersten weibliche Hauptrollen in einem Action-Adventure verdient Rechnung trägt.

Spielerisch gewohnte und gut umgesetzte Kost
In den knapp 15 Stunden, die ihr während Laras Abenteuer in Yamatai verbringt, erforscht ihr schießend, kletternd und Rätsel lösend nach und nach die gesamte Insel. Das Gameplay entspricht dementsprechend dem eines üblichen Action-Adventures und kann gut mit Spielen wie der Uncharted Reihe oder dem jüngsten Abenteuer von Indiana Jones verglichen werden. Wie für die Tomb Raider-Spiele üblich, steuert ihr Lara aus der Sicht der Verfolgerkamera durch die einzelnen schlauchförmigen Gebiete, die bei Bedarf auch später immer wieder besucht werden können. Für den Kampf mit Gegnern stehen euch diverse Waffen und Manöver zur Verfügung, die ihr mit verdienter Erfahrung und in der Welt gesammelter Ausrüstung noch weiter aufwerten könnt. Der Schwierigkeitsgrad bleibt in allen Passagen durchgehend fair und oft stehen in den Leveln kleine Hilfsmittel wie explodierende Fässer, mit denen ihr Gegner mit einem gezielten Schuss besonders effektiv besiegen könnt. So waren es eher die kleinen Quicktime-Events die hin und wieder im Spiel auftauchen und bei denen ihr im richtigen Moment eine angezeigte Taste drücken müsst, die uns hin und wieder ein Leben gekostet haben, wenn wir bei einem Angriff oder einem Hindernis, dem wir auf diese Weise hätten ausweichen müssen nicht schnell genug reagiert haben. Das Spiel speichert aber oft und automatisch, sodass eine Niederlage euch nur unwesentlich nach hinten wirft und ihr es direkt noch einmal versuchen könnt. Auch die Rätsel, auf die ihr immer wieder stoßt, sind in der Regel nach kurzer Überlegung gut zu schaffen, sodass sich Tomb Raider im Vergleich zu älteren Titeln relativ entspannt spielt. Bei Bedarf kann der Schwierigkeitsgrad aber auch jederzeit nach oben oder unten angepasst werden. Neben ihrer regulären Sicht verfügt Lara über einen ausgezeichneten Überlebensinstinkt, den ihr jederzeit aktivieren könnt. Die Welt färbt sich in diesem Modus grau und für euch interessante Gegenstände, die sich in Sichtweite befinden, werden besonders hervorgehoben, sodass sich Gegner, für Rätsel relevante Teile und sammelbare Gegenstände leichter aufspüren lassen. Die Zahl der Collectibles ist dabei nicht gerade gering, geht aber insgesamt noch in Ordnung, zumal das meiste eh auf eurem Weg liegt und ihr mit der dadurch verdienten Erfahrung Laras Fertigkeiten an Lagerfeuern verbessern könnt. Viele dieser Lagerfeuer dienen auch als Schnellreise-Station, was den erneuten Besuch einzelner Regionen spürbar vereinfacht.

Der ständige Wechsel zwischen Kämpfen, Rätseln und Jump’n’Run-Passagen sorgt für jede Menge Kurzweil, sodass unnötige Längen ausbleiben und das Spiel auch durch immer neue Entwicklungen in der Handlung stets interessant bleibt. Die Entscheidung der Entwickler, Lara in ihren neuen Abenteuern nicht mehr mit ihren beiden Pistolen auszustatten, sondern einen Bogen zu ihrer Hauptwaffe zu machen, verleiht den Kämpfen gegen die Gegner ein komplett neues Spielgefühl und bietet durch den geringen Geräuschpegel der Waffe neue strategische Möglichkeiten, die durch die freischaltbaren Upgrades noch verstärkt werden. Heimlicher Star des Spiels sind aber die einzelnen Level, die Crystal Dynamics immer wieder in spektakulären Jump’n’Run-Sequenzen zerstört, während ihr um euer Leben klettert und rennt. So vergeht die Zeit im Spiel wie im Flug, obwohl der Titel im Durchschnitt nicht viel länger oder kürzer als die anderen Teile der Reihe ist.
Für spielerischen Mehrwert sorgen neben dem skalierbaren Schwierigkeitsgrad auch drei Mehrspieler-Modi, in denen ihr euch auf der Seite der Überlebenden oder der Solarii ans Leder müsst: In Rettungseinsätzen versuchen überlebende Spieler medizinische Ausrüstung zu einem Ziel zu bringen, während die Solarii sie aufhalten. Im Hilferuf-Modus müssen die Überlebenden einen Funkturm zu besetzen, während sie von den Solarii ebenfalls wieder aufgehalten werden. Der dritte Modus ist ein klassischer Deathmatch-Modus.

Gut, aber nicht perfekt
Technisch hinterlässt Tomb Raider gemischte Gefühle. Denn obwohl es super ist, dass der Titel nicht nur auf der Switch 2 sondern auch auf der Switch veröffentlicht wurde und auf beiden Plattformen flüssig läuft, ist es doch schade, dass die grafischen Features, die für die Portierung zur Switch ausgeschaltet wurden, auch bei der Switch 2 Version des Spiels fehlen. So wurden für die Switch Version Schatten, Vegetation und die Animation von Laras Haaren heruntergeschraubt, womit das Spiel grafisch mit der Version auf der PlayStation 3 verglichen werden kann. Auf der Switch 2 schafft der Titel dank FSR die 4K Auflösung, die mit 60 Bildern pro Sekunde super aussieht und sich auch genauso gut spielt. Doch die reduzierten Features, allen voran der Schattenwurf von Charakteren und Laubwerk, lässt die Spielwelt im direkten Vergleich vergleichsweise blass und leer wirken, was ein wenig schade ist. Hier müssen wir der Fairness halber aber auch anmerken, dass Tomb Raider trotz der Mängel immer noch gut aussieht und sich auch toll spielt. Es hätte halt nur ein wenig mehr sein dürfen, gerne auch in Form eines zuschaltbaren Quality-Modus, der (soweit nötig) die Framerate reduziert. Die Steuerung funktioniert sehr gut und nahezu intuitiv, lässt aber eine Motion Aiming Funktion vermissen, die die Feuergefechte mit Gegnern noch ein wenig dynamischer hätte gestalten können. Noch etwas, das mit einem Update gerne nachgereicht werden kann. Bei der Synchronisation, der generellen Audioqualität und der Ladezeit gibt sich der Titel aber keine Blöße. Alles läuft sauber und ohne spürbare Probleme, sodass wir mit der Technik grundsätzlich zufrieden sind. Zusätzlich zum eigentlich Spiel erhaltet ihr alle möglichen Skins für Lara, die bei der Grundversion einzeln nachgekauft werden mussten, womit der Preis des Spiels in etwa dem auf anderen Plattformen entspricht, wenn man hier das Grundspiel mit den in der Definitive Edition enthaltenen Features einzeln nachkaufen würde. Sparfüchse, die keinen Wert auf bezahlte Skins legen, können dementsprechend noch ein paar Euro sparen, indem sie das Spiel auf anderen Plattformen kaufen. Doch auch die aktuell im Eshop geforderten 18 Euro sind für den Umfang und die Qualität des Titels mehr als fair.

Fazit:
Tomb Raider verliert auch zwölf Jahre nach seiner ursprünglichen Veröffentlichung nichts von seinem Charme und funktioniert auch auf Nintendos tragbaren Konsolen ohne größere Probleme. Die im Verhältnis etwas zu stark reduzierten Grafikdetails der Switch 2 Version sind ein wenig schade und lassen auf ein zukünftiges Update hoffen. Doch auch so überzeugt der Titel durch seine Handlung, die schön gestaltete Spielwelt und das durchdachte Gameplay, womit mir eigentlich nur noch zu hoffen bleibt, dass Aspyr auch die anderen beiden Teile nachreichen wird. Fans von Action-Adventures, die den Titel noch nicht gespielt haben und zumindest ansatzweise neugierig sind, können bedenkenlos zugreifen.