Kirby Air Riders
Als Nintendo im Frühling endlich die erste Rutsche an Spielen für die Switch 2 ankündigte, da hatte wohl niemand auf seiner Bingokarte stehen, dass sich Nintendo von allen Spielen, die seit langer Zeit auf ihr Revival warten (Fans von F-Zero müssen jetzt ganz stark sein), ausgerechnet für den GameCube-Titel Kirby Air Ride aus dem Jahr 2003 entscheidet. Mal ganz abgesehen von der Frage, ob es neben Mario Kart World direkt noch einen zweiten Funracer im ersten Jahr der neuen Konsole gebraucht hätte, wundert man sich, wieso Game-Design-Koryphäe Masahiro Sakurai ausgerechnet sein vielleicht schlechtestes Werk nochmal aus der Versenkung holt und ein S ans Ende hängt. Wir gehen in unserem Test auf Spurensuche.
Keine Fortsetzung, kein Remake, sondern…?
Wenig Spieltiefe, viel zu wenig Inhalt und ermüdendes Gameplay: Kirby Air Ride war damals in erster Linie eines; schlecht. Der Pitch des Funracers wirkte auch schon auf dem Papier kurios: die Vehikel von Kirby und seinen Freunden beschleunigen automatisch und der Spieler muss lediglich lenken und gelegentlich den A-Knopf drücken, wenn er bremsen und dabei seinen Turbo aufladen möchte. Das ist besonders bei engen Kurven nützlich, welche man so eng durchdriftet, bevor man dann mit einem Speed-Boost rausbeschleunigt. Drückt man den A-Knopf in der Nähe von Gegnern, werden diese eingesaugt und versorgen Kirby für kurze Zeit mit einer Spezialattacke.
Zum Einsatz kommt dieses Spielprinzip in insgesamt 3 Spielmodi: Air Ride ist der Hauptmodus, bei dem man über eine Hand voll phantasievoller Strecken brettert. Top Ride ist quasi das identische Spiel, nur aus der Vogelperspektive. Diese Variante spielt sich wuseliger und noch arcadiger, macht nach der ersten halben Stunde aber ähnlich wenig Spaß. Der dritte Modus City Trial schließt das Trio ab und ist vielleicht der kreativste von allen. Hier flitzen alle Spieler für eine begrenzte Zeit durch eine frei befahrbare, grafisch pottenhässliche Stadt und sammeln dabei eine Vielzahl von Gegenständen, mit denen sich die Fahreigenschaften des eigenen Rennboliden verbessern lassen. Nach Ablauf der Zeit wird eine zufällige Challenge gespielt, bei der sich kluges Sammeln der Items mit etwas Glück in einen Sieg verwandeln lässt. Dieser Spielmodus ist hauptverantwortlich dafür, dass Kirby Air Ride eine Art Cult Following entwickelt hat. Die Kombination aus Sandbox-Racing und Minispiel war damals recht kreativ und konnte manche Fans im Multiplayer stundenlang vor der Konsole fesseln. Trotzdem fiel der Titel bei fast allen Kritikern durch. Longplays auf YouTube sind kaum länger als eine Stunde und geben einen ungefähren Eindruck davon, wie dünn das Spiel damals wirklich war.
Über 20 Jahre später ist dieser Titel aber nun als Kirby Air Riders zurück. Genau wie James Cameron bei seinem Sci-Fi-Klassiker Aliens hat Serienvater Masahiro Sakurai einfach nur ein S an den Titel gehängt. So hat es zumindest den Anschein, denn wenn man Kirby Air Riders das erste Mal anschmeißt, traut man seinen Augen kaum. Es gibt die gleichen 3 Modi: Air Ride, Top Ride und City Trial. In den Renn-Modi beläuft sich der Umfang auf weniger als ein Dutzend Strecken und im Modus City Trial gibt es nur eine einzige Spielumgebung. Was geht hier vor sich? Eine Fortsetzung ist Kirby Air Riders also definitiv nicht. Also eher ein Remake? Auch falsch. Nach ein paar Runden wird recht schnell klar: wir haben es hier mit einer Neuinterpretation zu tun. Oder vielleicht eher mit einer “Ultimate-isierung”. Dass sowas keine schlechte Idee ist, hat Sakurai ja schon mit Super Smash Bros. auf der Switch bewiesen.
Eine weitere Game Design Masterclass von Masahiro Sakurai
Das Kirby Air Riders die eindeutige Handschrift des Smash Bros. Mastermind Sakurai trägt, erkennt man sofort. Hinter den teils unscheinbaren Symbolen des Hauptmenüs findet sich ein Feuerwerk an Optionen. Jede noch so kleine Besonderheit an Steuerung, Kamera und Spielgefühl lässt sich konfigurieren und auf die persönlichen Vorlieben zuschneiden, bis hin zur Angabe, welche Musikstücke mit welcher Wahrscheinlichkeit in unterschiedlichen Modi laufen sollen. Sage und schreibe 750 Achievements verteilen sich auf die einzelnen Spielmodi und jedes von ihnen schaltet etwas frei. Sei es ein neuer Charakter, Fahrzeug, Sticker, Effekt oder Decal.
Kirby Air Riders ist also ein wahrer Unlockathon. Es gibt Spielerprofile mit Visitenkarten, die sich bis ins kleinste Detail gestalten lassen und auch die Rennboliden können mit Stickern, Farben, Decals, Mustern und Effekten penibler gestaltet werden als eine Insel in Animal Crossing New Horizons. Deswegen lassen sich die fertigen Kreationen dann auch in einem eigenen Ingame-Shop online an andere Spieler verkaufen. Natürlich geht das. Es ist ein Sakurai-Spiel. Auch wenn sich am Spielumfang im Vergleich zum Vorgänger also fast nichts geändert hat (Trotz mehr Fahrern und Fahrzeugen ist Kirby Air Riders nur ein Bruchteil von dem was man heute von Mario Kart kennt), schreit jeder Modus nur danach sich an ihm festzubeißen.
Spielerisch hat sich im Kern zwar fast nichts geändert, trotzdem erhebt sich Kirby Air Riders auf merkwürdige Weise zu einem Funracer mit Progaming-Anspruch. Es gibt um die 25 Fahrer, die alle unterschiedliche Eigenschaften bringen. Auch die Rennboliden haben dedizierte Eigenschaften, sodass man zahllose Stunden mit der Suche nach der perfekten Kombination verbringen kann. Auch in den Rennen selbst gibt es viele Neuerungen im Detail, sei es ein Windschatten oder kleine Boosts beim Einsaugen von Gegnern, Treffen von anderen Fahrern oder sauberen Landungen nach einer Flugeinlage. Außerdem füllen alle diese Aktionen eine neue Spezialleiste, die dann den Einsatz einer besonderen Attacke ermöglicht.
Darüber hinaus ist Kirby Air Riders konzeptionell ein Spiel, welches immens davon profitiert, dass man es nun online spielen kann. Da ist es nur folgerichtig, dass man den City Trial Modus nun mit bis zu 16 Leuten gleichzeitig spielen kann. Das Spielareal wurde dementsprechend vergrößert, bietet mehr zu entdecken und hält mehr Variation bei Items und City Trial Events bereit. Das hebt den kompletten Modus fast auf ein höheres Level und platziert ihn als Battle Royale. Leider sind die Challenges, die man im Anschluss an den City Trial Run spielt inhaltlich nach wie vor eher seicht. Darüber hinaus muss man Kirby Air Riders auch in Gänze ein ganz wichtiges Kompliment aussprechen: es ist Nintendos detailliertester Onlinetitel seit Splatoon 3. Bei Multiplayer-Sessions mit Freunden kann man gemeinsam in einem Fahrerlager herumwuseln, abhängen und einzelne Rennen starten. Es gibt tägliche und zeitlich begrenzte Events und die vielen Konfigurationsmöglichkeiten erstrecken sich natürlich auch in den Online-Multiplayer hinein. Da wirkt es fast schon kurios, dass ausgerechnet die Nintendo Switch 2 Kamera bislang nicht unterstützt wird.
Es ist nicht alles Gold was glänzt
Eines ist klar: Sakurai und sein Team haben Kirby Air Riders in fast allen Belangen komplett auf Links gedreht und von Grund auf überarbeitet. Umso erstaunlicher ist es aber, dass es nun zwar viel mehr zu entdecken gibt als im GameCube-Original, aber fast genauso wenig zu sehen. So ist das Spiel etwa für Solisten gänzlich uninteressant. Das ist wohl auch Sakurai irgendwann bei der Entwicklung aufgefallen, weshalb es ein neuer Modus mit dem Namen Road Trip ins Spiel geschafft hat. Dieser ist aber ähnlich unspannend wie die Solo-Modi der letzten Smash Bros. Spiele und versucht die recht dünnen Spielinhalte mit stetig veränderten Spielparametern neu in Szene zu setzen.
So spielt man im Roadtrip mehrere Etappen, bei denen ihr automatisch eine dreispurige Straße entlang fahrt. Regelmäßig tauchen hier neue Mini-Challenges vor dem Spieler auf, der durch das Wechseln der Spur eine Challenge wählt. Dann spielt man etwa ein Air Ride Rennen bei dem man beim Ablauf der Zeit erster sein muss, ein City Trial bei dem man möglichst schnell einen Schlüssel und eine dazugehörige Schatztruhe finden soll oder ein Top Ride Duell, bei dem man von allen Spielern die meisten Items sammeln muss. Besonders knifflige Challenges werden einem als Boss-Matches verkauft und am Ende einer Etappe gibt es eine kurze Videosequenz, die eine kleine belanglose Story erzählt. Spielspaß will bei diesem Roadtrip aber nicht wirklich aufkommen. Es wirkt lieblos zusammengewürfelt und auch wenn es erstaunlich ist, in wie viele Variationen sich das Spielprinzip von Kirby Air Riders in diesem Modus aufgesplittet, so kommt aber kein richtiger Spielfluss zu Stande, da diese Challenges selten länger als eine Minute andauern.
Fazit:
Kirby Air Riders ist eine beeindruckend komplexe Überarbeitung des GameCube-Originals, dass insbesondere dank der herausragenden Online-Funktionen und den zahllosen freischaltbaren Kleinigkeiten das Potential hat zu einem Multiplayer-Evergreen zu werden. Dennoch leidet auch Kirby Air Riders genau wie sein Vorgänger unter seinem seichten Gameplay-Kern. Viel zu schnell hat man das Gefühl alles gesehen zu haben, sei es im Road Trip, Air Ride, Top Ride oder City Trial. Zudem beißt sich die wuselige Natur dieses Funracers mit der suggerierten Komplexität durch die umfassenden Online-Funktionen. Selbst wer also keinen Wert auf umfassende Solo-Modi legt und in erster Linie auf Multiplayer-Action aus ist, sollte sich den Kauf gut überlegen. Auf längere Sicht fehlt Kirby Air Riders die nötige Abwechslung.