
Rune Factory: Guardians of Azuma
Um Hakama Inc. - das Studio unter Yoshifumi Hashimoto, das seit der Schließung von Neverland für die Rune-Factory-Serie verantwortlich ist - steht es momentan nicht gut. Nach dem enttäuschenden Rune Factory 5 schickte das Studio kürzlich Progress Orders ins Rennen - ein hauptsächlich aus Excel-Tabellen bestehendes JRPG Lite, von dem selbst die genügsamsten Genrefans wenig begeistert waren. Da dürfte es vielleicht sogar eine gute Nachricht sein, dass Rune Factory: Guardians of Azuma nicht von Hakama, sondern vom Marvelous First Studio entwickelt wurde, das Switch-Besitzern vielleicht durch Deamon X Machina bekannt ist.
Mittelalterliches Japan mal anders
Wie so viele Spiele in letzter Zeit verschlägt uns auch Rune Factory: Guardians of Azuma ins Samurai-Zeitalter. Stilistisch orientiert sich das Spinoff dabei vor allem an Pokémon Legends: Arceus und kombiniert das traditionelle Setting mit überzeichneten Anime-Charakterdesigns und vielen JRPG-Klischees. So werden wir zu Beginn des Spiels zwar ohne Erinnerungen, aber mit göttlichen Superkräften (wahlweise als Held oder Heldin) in die Spielwelt geschmissen. Diese ist nach einem apokalyptischen Ereignis ziemlich trostlos, was sich aber schnell ändern soll: Mit unseren Fähigkeiten können wir Bäume wiederbeleben, die uns anschließend wichtiges Holz liefern, das zum Bau von Häusern und zahlreichen anderen Gebäuden verwendet werden kann. Unsere Hauptaufgabe ist es nun, vier Dörfer - die jeweils nach den vier Jahreszeiten benannt sind - zu bereisen und dort den örtlichen Gottheiten zu alter Stärke zu verhelfen, indem wir die Siedlungen nach und nach wieder aufbauen. Im Kern ist Guardians of Azuma also ein Action-JRPG mit einer vereinfachten Städtebau-Simulation im Gepäck, so ähnlich wie ActRaiser auf dem SNES oder der PS2-Klassiker Dark Chronicle.
Leider kocht die Handlung des Spiels auch nach dem klischeehaften Intro weiterhin auf Sparflamme. Neben den kurzen und relativ einfallslosen Story-Strängen sind vor allem die Charaktere ein Problem, die fast nur dazu existieren, um der Hauptfigur Honig ums Maul zu schmieren. Bereits nach wenigen Stunden betonen sämtliche NPCs im Spiel immer wieder, dass sie uns zu ewiger Dankbarkeit verpflichtet sind und gar nicht wissen wie sie sich im Antlitz unserer grenzenlosen Heldenhaftigkeit verhalten sollen, weil wir gerade ein Stück Eisenerz an die örtliche Schmiede geliefert oder vier Zwiebeln gepflanzt haben. Und sobald wir ein- oder zwei Mal Smalltalk mit ihnen geführt haben, sind wir mindestens ihre Seelenverwandten, wenn denn nicht direkt ein romantisches Interesse geäußert wird.
Glücklicherweise können wir nach einigen oberflächlichen Interaktionen zumindest für einen Teil der Dorfbewohner jeweils eine eigene Questreihe freischalten, durch die wir sie etwas näher kennenlernen und später - unabhängig vom Geschlecht - optional auch heiraten dürfen. Hier entfalten die Figuren dann auch eine gewisse Tiefe und machen nicht selten eine kleine Persönlichkeitsentwicklung durch. Diese Nebenquests sind komplett optional, stellen aber das klare Highlight von Guardians of Azuma dar. Gerade deshalb ist es ärgerlich, dass Marvelous ausgerechnet hier den Rotstift angesetzt hat: Wenn ihr nicht die Deluxe Edition des Spiels oder den Day-One-DLC kauft, bleiben zwei der insgesamt 15 Questreihen hinter einer Paywall verborgen. Außerdem hat auch das neueste Spinoff das serientypische Problem, dass die begehrenswertesten Figuren überhaupt nicht gedated werden können - wie im echten Leben halt.
Einfach, einfacher, Rune Factory
Action-JRPG-Fans, die sich ein bisschen mit Serien wie Sword Art Online oder Nights of Azure auskennen, werden wissen dass die wenigsten Spiele in diesem Genre darauf ausgelegt sind, in irgendeiner Weise eine Herausforderung zu bieten. Rune Factory: Guardians of Azuma stellt hier natürlich keine Ausnahme dar. Zwar dürfen wir jederzeit aus drei verschiedenen Schwierigkeitsgraden wählen, aber selbst auf der höchsten Stufe können uns die meisten Gegner fast überhaupt nichts anhaben. Das liegt auch daran, dass die Monster insgesamt sehr zögerlich angreifen und uns somit im Ernstfall immer reichlich Zeit lassen, uns wieder zu heilen, bevor sie erneut in die Offensive gehen. Anders als in den meisten Genrekonkurrenten dürfen wir auf Wunsch auch solo spielen und uns ohne KI-Begleiter durch Azuma kämpfen, aber anspruchsvoller wird das Spiel dadurch auch nicht. Der niedrige Schwierigkeitsgrad der Kämpfe dürfte Genre- und Serienfans kaum stören; etwas ärgerlicher ist vielleicht die Tatsache, dass die Fundorte aller Sammelpunkte und Collectibles durchgängig auf der nicht abstellbaren Minimap angezeigt werden. Dadurch wird uns die Möglichkeit genommen, die Spielwelt auf eigene Faust zu erkunden und diese Dinge selbst zu entdecken.
Die Philosophie, dem Spieler alles möglichst einfach zu machen, setzt sich auch beim Städteaufbau-Aspekt fort. Eigentlich brauchen eure Bewohner nur ein Dach über dem Kopf und am Ende jedes Tages etwas Taschengeld aus der Siedlungskasse, um glücklich zu sein - und in der Praxis sind selbst diese beiden Dinge nicht unbedingt wichtig. Schlimmstenfalls kann es passieren, dass einzelne Siedler wieder abhauen, aber das ist bei meinem Test kein einziges Mal passiert - selbst dann nicht, als knapp 10% der Bewohner meines Frühlingsdorf obdachlos waren, weil ich schlichtweg zu faul war ihnen ein weiteres Haus hinzustellen. Das bedeutet im Umkehrschluss natürlich, dass ihr bei der Gestaltung eurer virtuellen Dörfer keinerlei Vorgaben befolgen müsst und euch somit frei nach Belieben austoben könnt. Eure Kreativität wird allerdings dadurch eingeschränkt, dass Gebäude und Dekorationen ausschließlich auf kleineren, extra für die Bebauung ausgewiesenen Flächen platziert werden dürfen.
Auch viele der bekannten Gameplay-Systeme der Serie wurden in Guardians of Azuma ein Stück weit vereinfacht. So müssen wir uns zum Beispiel nach einem kurzen Tutorial, in dem wir ein paar Rüben ernten, im Prinzip überhaupt nicht mehr mit dem Heranziehen von Pflanzen auseinandersetzen, da Aussaat, Bewässerung und Ernte vollautomatisch von unseren Bewohnern übernommen werden. Werkzeuge können zwar noch geupgraded wurden, allerdings ist uns nicht klar, welchen Effekt das haben soll - laut der Ingame-Beschreibung des Upgrades sei das verbesserte Utensil beständiger, was jedoch keinen Sinn ergibt, da Werkzeuge in Guardians of Azuma nicht kaputtgehen. Einen Schritt nach vorne macht die Serie hingegen bei der Technik - die gruselige Optik von Rune Factory 5 ist zum Glück Geschichte und Guardians of Azuma sieht so aus, wie ein Switch-Spiel mit relativ geringem Budget eben aussieht. Framerate-Einbrüche sind selten, aber leider deutlich wahrnehmbar - ansonsten machte die Technik auch in der uns vorliegenden Vorabversion einen soliden Eindruck. Beim Umfang haben sich die Entwickler ebenfalls nicht lumpen lassen, sodass Guardians of Azuma definitiv kein Spiel ist, das sich an einem Wochenende beenden lässt.
FAZIT:
Nach dem eher verkorksten fünften Teil lässt sich sagen, dass der Entwicklerwechsel dem Rune-Factory-Franchise definitiv gut getan hat, sodass wir nun nach 13 langen Jahren endlich wieder einen würdigen Serienvertreter bekommen - auch wenn Guardians of Azuma definitiv eher ein Spin-Off ist, das sich (ähnlich wie Frontier und Oceans) mehr auf seine Action-JRPG-Komponente konzentriert. Die Entwickler haben es dabei nicht nur den Spielern, sondern auch sich selbst ziemlich einfach gemacht und setzen auf simple, bewährte Gameplay-Konzepte, die kompetent umgesetzt sind und funktionieren, aber leider auch einen gewissen Ehrgeiz vermissen lassen. Rune Factory: Guardians of Azuma versucht nichts, was wir nicht schon in dutzenden anderen Action-JRPGs und Aufbauspielen gesehen hätten und kombiniert das simple Gameplay mit einem praktisch nicht vorhandenen Schwierigkeitsgrad. Genrefans, die bereits mit Ys Nordics oder dem Trials-of-Mana-Remake ihren Spaß hatten, werden sich daran nicht stören und sehr wahrscheinlich auch an Guardians of Azuma wieder ihre Freude haben, da der Titel trotz seines geringes Budget definitiv zu den besseren Vertretern seines Genres gehört.