Irgendwo in einem Kinderzimmer, das einem kleinen Jungen namens Sam gehört, liegt ein Bilderbuch, das die Geschichte vom Kampf des kühnen Knappen Jot gegen den schmierigen Schurken Grummweil erzählt. Zu Beginn des Spiels übernehmen wir die Kontrolle über den Protagonisten des Bilderbuchs, doch diesmal läuft alles anders als geplant: Grummweil ist nämlich dahintergekommen, dass er nur ein Charakter in einem Buch ist, sodass seine Niederlage schon vorbestimmt ist, da die Guten ja immer gewinnen. Mithilfe seiner magischen Kräfte löscht er Jot kurzerhand aus dem Buch und befördert ihn auf Sams Schreibtisch. Sein Plan hat jedoch einen Haken: Jot hat nun die Fähigkeit, jederzeit zwischen dem Buch und der vermeintlich realen Welt hin- und her zu springen, und kann den Inhalt des Buchs auf verschiedene Arten manipulieren.

A Jot Between Worlds

Innerhalb des Buchs spielt sich Der Kühne Knappe wie ein ganz klassisches 2D-Zelda, wobei wir immer auf einer Doppelseite des Bilderbuchs unterwegs sind. Verlassen wir diese über den Bildschirmrand, wird eben nicht zum nächsten Abschnitt gescrollt, sondern zur nächsten Seite vor- oder zurückgeblättert. Schon früh im Spiel erhalten wir die Fähigkeit, einzelne Worte in bestimmten Textpassagen zu verändern: Aus dem Satz "Das Tor war verschlossen" machen wir kurzerhand "Das Tor war geöffnet", was sich dann in der Spielwelt auch entsprechend auswirkt und Jot den Weg ins nächste Gebiet öffnet. Nach unserer ersten Begegnung mit Grummweil können wir das Buch auch von außen manipulieren und Beispielsweise eine Buchseite anheben, um darauf abgebildete Steine oder andere Hindernisse einfach wegrollen zu lassen.

Immer wieder müssen wir das Buch für längere Zeit verlassen und die 3D-Kunstwerke erforschen, die Sam auf seinem auffallend großen Schreibtisch errichtet hat. Bei unserem ersten Ausflug besuchen wir beispielsweise eine selbstgebastelte Mittelalterwelt mitsamt einer großen Burg. Finden wir Sams Buntstiftzeichnungen oder bestimmte andere Gemälde, können wir diese betreten und auf diese Weise an Wänden entlanglaufen, um neue Gebiete zu erreichen. Als Belohnung bekommen wir dann meistens ein neues Item, mit dem wir Hindernisse innerhalb des Buchs aus dem Weg räumen können.

Egal, obwohl wir im Buch oder auf dem Schreibtisch unterwegs sind: Der Kühne Knappe überzeugt von Anfang bis Ende durch die unglaubliche Kreativität der Entwickler. Wie in Undertale oder A Hat In Time können wir nie auch nur erahnen, welche abgedrehten Spielideen uns der Titel als nächstes vorsetzt. Sind wir gerade mal nicht damit beschäftigt, eines der kreativen Rätsel zu lösen, befinden wir uns wahrscheinlich in irgendeinem Minispiel oder einem Bosskampf, dessen Gameplay klar von einem Videospiele-Klassiker inspiriert ist.

Für Kinder und junggebliebene Erwachsene

Es sollte klar sein, dass sich Der Kühne Knappe klar an eine sehr junge Zielgruppe richtet, was sich vor allem im Schwierigkeitsgrad bemerkbar macht. Werdet ihr mal getroffen, was schon selten genug vorkommt, erhaltet ihr meist innerhalb von Sekunden ein Heilungsitem, das eure Lebensenergie vollständig wiederherstellt. Ist euch das Spiel aus irgendeinem unerklärlichen Grund trotzdem zu schwer, könnt ihr auf eine ganze Suite von Assistenzfeatures zurückgreifen und Jot bei Bedarf zu einer unverwundbaren Kampfmaschine machen. Ähnlich verhält es sich mit den Rätseln, deren Lösung meist sofort offensichtlich ist und die euch darüber hinaus die Möglichkeit bieten, euch jederzeit die Lösung vorsagen zu lassen - falls sie nicht ohnehin schon durch eine der zahlreichen erklärenden Textboxen vorweggenommen wurde.

Dass auch ältere Spieler mit Jots Abenteuer durchaus ihren Spaß haben können, ist nicht nur dem ideenreichen Gameplay, sondern auch der sehr liebevollen Präsentation zu verdanken. Sowohl die Bilderbuch-Optik als auch die fotorealistischen Schreibtisch-Sequenzen haben die Entwickler wunderschön umgesetzt; dazu läuft das Spiel - zumindest in der von uns getesteten PS5-Version - ohne Framerate-Probleme oder wahrnehmbare Ladezeiten über den Bildschirm. Lediglich der Soundtrack kommt selten über ein seichtes Hintergrundgedudel hinaus, hier wäre also definitiv mehr drin gewesen. Auch der Verkaufspreis ist, gemessen an der Spielzeit von unter zehn Stunden, vielleicht etwas happig - für Zelda-Fans bietet das kürzlich für Xbox und PC veröffentlichte Dungeons of Hinterberg jedenfalls ein deutlich besseres Preis-Leistungs-Verhältnis.

Einen weiteren deutlichen Kritikpunkt müssen wir außerdem noch äußern, denn zum jetzigen Zeitpunkt enthält das Spiel mindestens einen schweren Bug, der das Fortschreiten unmöglich machen kann. Gegen Ende des sechsten Kapitels erhalten wir ein Item, das wir entweder zum Weiterkommen in der Story oder zum Einsammeln eines Secrets benutzen können. Tun wir letzteres, befindet sich das Spiel in einem unlösbaren Zustand, da wir an dieser Stelle kein zweites Exemplar dieses Items bekommen können - obwohl der NPC, der uns das Item gibt, etwas anderes behauptet. Offenbar gibt es noch weitere Bugs, die das Voranschreiten an anderen Stellen verhindern oder (in der PS5-Version) den Erwerb einer bestimmten Trophäe unmöglich machen können.

FAZIT:

Bereits der kindliche eingedeutschte Titel lässt erahnen, dass sich Der Kühne Knappe gezielt an Spieler und Spielerinnen im Grundschulalter richtet. Entsprechend muss der Titel in einem Test auch bewertet werden, weshalb ich Aspekte wie den praktisch nicht vorhandenen Schwierigkeitsgrad und die belanglose Gut-gegen-Böse-Geschichte nicht so kritisch bewerten möchte, wie ich das bei anderen Titeln tun würde. Auf der anderen Seite könnten selbst erwachsene Spieler an dem ideenreichen und unvorhersehbaren Gameplay oder an der unglaublich liebevollen Präsentation des von 2D-Zelda-Titeln inspirierten Action-Adventures durchaus gefallen finden. Der Kühne Knappe ist ein Spiel, das die Kreativität und die Liebe zum Detail der Entwickler an jeder Ecke erkennen lässt und somit nicht nur Kinder, sondern auch junggebliebene Erwachsene durchaus in seinen Bann ziehen kann.