Test

Final Fantasy VII Rebirth

Von Andreas Held am 12.03.2024

Final Fantasy VII Remake wurde nach seinem Release nicht ganz ohne Kontroversen diskutiert. Mittlerweile dürfte es ein offenes Geheimnis sein, dass das Team um Tetsuya Nomura nicht einfach nur die Story des PlayStation-Klassikers nacherzählen wollte. Stattdessen spielten die sogenannten Whispers eine tragende Rolle - fliegende braune Mäntel, die für die meisten Bewohner von Midgar unsichtbar sind und offenbar die Aufgabe haben, das Schicksal in bestimmten Bahnen zu halten. Am Ende des Spiels besiegen wir Sephiroth und die Whispers, was sofort die Frage aufwarf, ob der Nachfolger von Final Fantasy VII Remake überhaupt noch irgendetwas mit dem Original aus den 90er Jahren zu tun haben wird - oder ob Cloud, Tifa, Barrett, Aerith und Red XIII möglicherweise in derselben Spielwelt eine komplett neue Handlung erleben würden. Eine komplett neue Handlung gab es dann zumindest im DLC Final Fantasy VII Remake EPISODE INTERmission, in dessen Rahmen wir Yuffie auf eine Mission in Midgar begleiteten und auf bisher völlig unbekannte Charaktere stießen. Nun geht es weiter: Der Nachfolger von Final Fantasy VII Remake heißt Final Fantasy VII Rebirth.

Einstieg mit Fragezeichen

Auf den ersten Blick scheint es so, als setze Final Fantasy VII Rebirth unmittelbar nach dem Ende seines Vorgängers an. Cloud und seine Truppe wurden nach dem Kampf gegen den Whisper-Tornado unter Betontrümmern begraben und ihre bewusstlosen Körper von Shinra gefangen genommen. In der Rolle des eigentlich verstorbenen Zack müssen wir nun versuchen, zumindest Aerith zu befreien - mit zweifelhaftem Erfolg. Nach kurzer Zeit zweifele ich außerdem an meiner geistigen Gesundheit: Haben wir am Ende von Final Fantasy VII Remake nicht gesehen, wie die Party erfolgreich aus Midgar geflohen und durch das unter freiem Himmel liegende Brachland gewandert ist? Ein kurzer Blick auf Youtube verrät: Mein Gedächtnis ist in Ordnung, Nomura hat halt einfach nur eine ausgeprägte Vorliebe für verworrene Handlungen.

Nach dem zehnminütigen Intro gibt es dann plötzlich einen Schnitt und wir sehen das Hotel in Kalm - das alle Charaktere inkl. Aerith wohlbehalten erreicht haben. Ab hier normalisiert sich das Spiel und verläuft wieder weitestgehend parallel zum Original: Nach dem Durchspielen der Nibelheim-Episode ist unser nächstes Ziel die Chocobo-Farm, wo wir uns einen Reitvogel besorgen müssen, der uns sicher durch die Sumpflandschaft im Süden bringt. Dort lauert nämlich der Midgardsormr, der sich 1997 noch Midgar Zolom schimpfte.

JRPG-Klassiker trifft auf Radiotürme

Bevor wir Sephiroth durch die Mithril-Minen verfolgen, können wir optional noch sehr viel Zeit in der Graslandschaft östlich von Kalm verbringen - denn Square-Enix hat die grobpixelige Weltkarte mit ihren aus gefühlt 20 Polygonen bestehenden Gebirgsketten durch eine riesige Open World ausgetauscht, die sich erschreckend eng an der klassischen Ubisoft-Formel orientiert. So müssen wir allen Ernstes Radiotürme erklettern und aktivieren, um weitere Icons auf der Weltkarte freizuschalten, die uns verschiedenste optionale Aufgaben stellen. Damit das nicht langweilig wird, warten neben den üblichen Fetch-Quests und Sammelaufgaben auch einige optionale Bosskämpfe oder abgedrehte Minispiele auf ihre Entdeckung. Vor allem bei den Minispielen hat sich Square-Enix kaum kreative Grenzen gesetzt und unter anderem bekannte Videospiele wie Fall Guys oder Wave Race persifliert. Auch ein Sammelkartenspiel ist mit Queen's Blood wieder dabei.

Die Open World macht Final Fantasy VII Rebirth auch zu einem kleinen Umfangsmonster - wollt ihr alle optionalen Ziele erfüllen, könnt ihr dutzende Stunden mit Streifzügen über die Kontinente der virtuellen Welt verbringen. Langweilig werden diese auch deshalb nicht, weil Final Fantasy VII Rebirth deutlich herausfordernder ist, als man es von Square-Enix erwartet hätte. Selbst im Rahmen der Hauptstory können euch manche Gegner ganz schön einheizen, sodass alle, die sich ein entspanntes Spielerlebnis wünschen, lieber auf den niedrigeren der beiden Schwierigkeitsgrade ausweichen sollten. Selbst auf diesem könnte es jedoch ziemlich knifflig werden, Final Fantasy VII Rebirth zu 100% zu beenden, da die im Rahmen von Sidequests auftauchenden Minispiele oder die optionalen Zusatzbedingungen, die wir bei Kämpfen gegen seltene Monstervarianten erfüllen müssen, oft ebenfalls alles andere als einfach sind.

Wo wir gerade beim Thema sind: Das Kampfsystem haben die Entwickler, wie zu erwarten war, praktisch unverändert aus dem Vorgänger übernommen und lediglich um einige Features erweitert. Es geht also immer noch darum, mit normalen Angriffen unsere ATB-Leiste aufzuladen, was uns die Ausführung von stärkeren Spezialfähigkeiten oder das Wirken von Magie ermöglicht. Mit der richtigen Strategie können wir unsere Gegner aus der Balance bringen, vorübergehend kampfunfähig machen und sie anschließend mit einem dicken Schadensbonus vermöbeln. Die meiste Komplexität bezieht das Kampfsystem aus der Fülle an Offensivaktionen, von denen jedoch nur die wenigsten regelmäßig zum Einsatz kommen. Da wir unseren Charakter in Echtzeit steuern, können wir außerdem jederzeit versuchen, gegnerischen Angriffen auszuweichen oder diese zu parieren - allerdings ist Final Fantasy VII Rebirth kein klassisches Action-Spiel, sodass ständige Gegentreffer und in der Folge der Einsatz von Heilzaubern oder Heilungsitems praktisch unvermeidbar sind. Obwohl die Kämpfe wirklich Spaß machen könnte man also kritisieren, dass das Kampfsystem letztendlich nur einen Kompromiss zwischen einem klassischen, menübasierten JRPG-Kampfsystem und einem modernen Action-RPG wie Elden Ring darstellt und deshalb sein Potential in keiner dieser beiden Richtungen voll ausschöpft.

Volle Punktzahl bei der Kür

Kompromisse müssen wir auch bei der Technik machen, denn wie so oft in dieser Konsolengeneration stellt uns Final Fantasy VII Rebirth vor die Wahl zwischen 30 FPS bei 4K oder 60 FPS bei einer geringeren Auflösung. Das Open-World-RPG ist dabei der erste Titel, den ich tatsächlich im Qualitäts-Modus spiele, da die niedrigere Framerate angesichts des Gameplays kaum ins Gewicht fällt und die Optik einen wirklich deutlichen Sprung nach vorne macht - im 60-FPS-Modus ist das Bild nämlich leider ziemlich unscharf und verwaschen. Um uns die 30 FPS schmackhafter zu machen, bietet die große Spielwelt nicht nur atemberaubende Landschaftszüge auf, sondern überzeugt auch mit vielen liebevollen Details, die wahrscheinlich irgendwann mal in einem Youtube-Video mit dem Titel "100 Dinge, die du über Final Fantasy VII Rebirth nicht wusstest" gezeigt werden. Das klare Highlight sind aber wie schon im Vorgänger die Charakter-Designs, die zum Besten gehören, was die Spieleindustrie momentan zu bieten hat. Abzüge gibt es lediglich für die nach wie vor etwas lächerliche Physik-Engine: Die meisten Objekte haben praktisch kein Gewicht, sodass wir kaum durch ein Hotel oder ein Restaurant gehen können, ohne dass Stühle, Tische und anderen Möbelstücke von uns umgerannt werden und meterweit durch die Gegend fliegen. Das sieht einfach nur albern aus.

Die Charaktere machen derweil nicht nur optisch viel her, sondern verfügen auch über ausgeprägte Persönlichkeiten. Insbesondere Aerith und Tifa dürften bei vielen männlichen Spielern den Wunsch wecken, dass sie im echten Leben solche Freundinnen hätten. Tatsächlich hat Square-Enix sogar versucht, ein Freundschafts-System in den zweiten Teil der Remake-Trilogie einzubauen: Durch das Absolvieren von Nebenquests und den Einsatz von Team-Attacken können wir unsere Bindung zu den Figuren vertiefen, was in den Städten durch Smilies angezeigt wird, die neben den Charakteren eingeblendet werden. Da Final Fantasy VII Rebirth für JRPG-Verhältnisse nicht sehr textlastig ist und mit wenigen, kurzen Cutscenes auskommen muss, ist dieses System jedoch nicht annähernd so stark ausgeprägt wie vergleichbare Elemente in Persona oder Like A Dragon. Trotzdem ist das Remake ein Spiel mit überraschend viel Herz und überaus sympathischen Charakteren, das sich des Öfteren selbst nicht ernst nimmt und mir auf diese Weise immer wieder ein breites Grinsen ins Gesicht zaubern konnte.

FAZIT:

Ein kurzer Blick auf Metacritic verrät, dass Final Fantasy VII Rebirth sowohl in der Kritiker- als auch in der Userwertung ein gutes Stück besser dasteht als sein Vorgänger, der seinerzeit schon alles andere als schlecht bewertet wurde. Das ist kein Zufall, denn Final Fantasy VII Rebirth ist ein sehr ehrgeiziges Projekt, wie wir es von der profitorientierten AAA-Industrie nur noch sehr selten zu sehen bekommen. Während viele andere Studios ihre Spiele auf das Nötigste zusammenkürzen, um ihre Gewinne zu maximieren, ist das Open-World-RPG vollgestopft mit liebevollen Details, die es vermutlich gar nicht gebraucht hätte, um sowohl Fans als auch Kritiker zu überzeugen. Natürlich ist auch der zweite Teil nicht perfekt, aber zugegebenermaßen handelt es sich bei den meisten Kritikpunkten, die wir in diesem Review aufgezählt haben, um ziemliche Spitzfindigkeiten. Allein die Open World hebt das Sequel auf ein ganz anderes Level, und durch die vielzähligen und abwechslungsreichen Nebenaufgaben, die abgedrehten Minispiele, den überraschend fordernden Schwierigkeitsgrad und die liebenswerten Charaktere setzt sich die Neuinterpretation des PlayStation-Klassikers von vielen anderen Großproduktionen und letztendlich auch von seinem Vorgänger ab. Final Fantasy VII Rebirth ist nicht einfach nur ein gutes Spiel unter vielen - stattdessen darf es sich zusammen mit Titeln wie Elden Ring oder Baldur's Gate 3 als eines der besten Spiele dieser Konsolengeneration feiern lassen.

Unsere Wertung:
9.5
Andreas Held meint: "Eines der besten Spiele aller Zeiten bekommt eines der besten Remakes aller Zeiten."
Final Fantasy VII Rebirth von Square-Enix erscheint am 29.02.2024 für PlayStation 5. Wir haben die Version für PlayStation 5 getestet. Für diesen Test wurde uns ein Rezensionsexemplar von Square-Enix zur Verfügung gestellt.
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