Vampire Survivors
Nicht besonders groß, nicht besonders hübsch und dennoch eines der besten Indie-Spiele der letzten Jahre. Wenn ihr gar keine Lust darauf habt, diesen Test zu lesen, dann reicht der vorherige Satz eigentlich schon aus, um Vampire Survivors angemessen zu beschreiben und ihr könnt theoretisch direkt in den Eshop ziehen, um euch den Titel für fünf gut investierte Euro zu holen. Für alle anderen, die es aber doch lieber ein wenig genauer wissen wollen, haben wir uns den Titel auf der Nintendo Switch einmal zur knoblauchbehangenen Brust genommen. Wie sich das Abenteuer auf Nintendos Handheld schlägt, könnt ihr hier lesen.
Dracula hat Lust auf eine Pizza
Die Geschichte von Vampire Survivors spielt im ländlichen Italien des Jahres 2021. Tausende Monster sind unter der Führung des düsteren Bisconte Draculó in die Region eingefallen und terrorisieren dort Land und Bevölkerung. Um ihnen Einhalt zu gebieten, machen sich alle möglichen tapferen Recken, allen voran die Familie Belpaese, auf den Weg und eröffnen die Jagd auf Draculó, seine Anhänger und sowieso alles, was über Reißzähne verfügt.
Soweit die Rahmenhandlung, die ihr hiermit aber getrost wieder vergessen könnt, da sie für den weiteren Verlauf des Spiels absolut nicht von Belang ist. Die ähnlich klingenden Namen der Charaktere und Waffen wie die Peitsche, Kreuze und Weihwasser ziehen Parallelen zu den Castlevania-Spielen und stellen vielleicht sogar eine leichte Verbeugung vor der Serie dar. Doch darüber hinaus verzichtet das Spiel minimalistisch auf Dialoge, Zwischensequenzen und alle anderen bekannten Mittel, um euch irgendeine Geschichte zu erzählen und reduziert sich selbst auf die Action des Gameplays. Monster sind da, ihr haut sie um, Ende.
Einfach zu spielen mit enormem Umfang
Wie die Geschichte ist auch das grundlegende Spielprinzip relativ einfach erklärt: Ihr steuert euren Charakter durch auf euch zukommende Monster-Massen und versucht möglichst lange am Leben zu bleiben. Eure Waffen, die automatisch Gegner angreifen, sorgen dabei für eine gewisse Chancengleichheit, wobei sich jede von ihnen anders verhält. Einige Waffen schießen oder schlagen in eure Laufrichtung, andere greifen automatisch das nächste Monster an und wieder andere schießen zufällig oder in festgelegten Richtungen in die Gegend. Besiegte Gegner lassen Erfahrung in Form von Kristallen fallen, die ihr einsammeln müsst und mit jedem Level Up erhaltet ihr eine Schatzkiste, die mehrere zufällige Gegenstände enthält, von denen ihr immer eins für die aktuelle Runde auswählen könnt. Mehr als zwei Dutzend Waffen stehen zur Auswahl, von denen ihr in jedem Lauf insgesamt sechs mit euch führen könnt und sie alle sind gleichzeitig aktiv und können mehrfach aufgewertet werden. Neben den Waffen gibt es noch mehrere Dutzend Gegenstände, die euch und eine jeweils zugehörige Waffe zusätzlich verstärken können, was zum einen unzählige Kombinationsmöglichkeiten bietet, zum anderen aber auch immer ein wenig Glück bei den in den Truhen gefundenen Gegenständen benötigt. Gerade am Anfang habt ihr keine Möglichkeit den Inhalt der Truhen steuern zu können, während ihr später Gegenstände ausschließen oder euch eine neue alternative Truhe geben lassen könnt, um hoffentlich mehr Glück zu haben.
Abhängig vom Spielmodus gilt ein Lauf als erfolgreich, wenn ihr nach 15 oder 30 Minuten noch am Leben seid. Ab diesem Moment jagt euch der Tod in seiner roten Variante, der euch ohne besonders starke Builds in Sekunden vernichtet. Jede weitere Minute, die ihr überlebt, ruft weitere Tode herbei, bis ihr früher oder später besiegt werdet. Im Anschluss gibt es eine schnelle Abrechnung, bei der auch erreichte Erfolge und damit freigespielte Boni aufgelistet werden. Hier gewinnt das Spiel massiv an Umfang denn neben neuen Waffen, Verstärkern, Charakteren (jede Figur startet mit einer anderen Waffe und damit anderen Voraussetzungen) und Leveln schaltet ihr auch neue Spielmodi und Mechaniken frei, um das Spiel langfristig interessant zu halten. So könnt ihr mit der Zeit Spieltempo und Schwierigkeitsgrad erhöhen, die Rundendauer halbieren, mit zusätzlichen besonderen Verstärkungen spielen, die Zahl der mitführbaren Waffen reduzieren oder bestimmte Gegenstände für den Erhalt aus der Truhe von vorneherein ausschließen. Die schiere Masse der möglichen kombinierbaren Spielweisen und Freischaltungen sorgt dafür, dass es 40 bis 60 Stunden dauern kann, ehe ihr alles erspielt habt. Wollt ihr (auch wenn es nicht nötig ist) jedes Gebiet mit jedem Charakter schaffen, steigt die Spieldauer ein weiteres mal deutlich an. Die beiden DLCs, die für jeweils zwei Euro angeboten werden und neue Gebiete, Charaktere, Waffen und Monster bereithalten, erweitern den Umfang zusätzlich und auch so reicht der Entwickler immer wieder neue Gebiete und Modi kostenlos nach. Zuletzt wurde zeitgleich mit dem Release der Switch-Version des Spiels ein vollwertiger Couch-Koop-Modus für bis zu vier Spieler veröffentlicht, der sich ebenfalls sehr gut spielt. Nicht dass es den benötigt hätte, damit das Spiel sein Geld wert wäre.
Im Koop-Modus teilt ihr euch mit euren Mitspielern nicht nur den Bildschirm, sondern auch die Beute. Level Ups zählen für die ganze Gruppe und belohnen reihum einen von euch mit einer Beutetruhe und damit mit Ausrüstung, die ihr entweder wie gewohnt nutzen, oder aber an eure Mitspieler weiterreichen könnt. Auf diese Weise müsst ihr euch mit euren Freunden gezielt absprechen, damit jeder von euch die Monster auf andere Weise bekämpft. Um euch nicht übermächtig werden zu lassen, reduziert der Koop-Modus, abhängig von der Zahl der Spieler, auch die Menge der Waffen, die jeder von euch mit sich führen kann, da vier Spieler mit jeweils sechs Waffen auf einem einzelnen Bildschirm absolut unaufhaltbar wären. Ob sich der Spielmodus langfristig lohnt, müsst ihr selbst entscheiden. Auf der einen Seite, könnt ihr zu viert einige Erfolge und Freischaltungen viel schneller erspielen, als wenn ihr das Spiel mit jedem Charakter einzeln spielt. Auf der anderen Seite kann es mit drei Mitspielern und 100 Gegnern auf dem Bildschirm auch einmal unübersichtlich werden und gerade am Anfang müsst ihr euch mit euren Mitspielern präzise absprechen, um auf dem gemeinsamen Bildschirm Angriffen gemeinsam ausweichen zu können. Rennt jeder in eine andere Richtung, bleibt ihr schnell am Bildschirmrand hängen und seid den Monstern um euch herum ausgeliefert.
Im Rausch des Erfolges
Dass Vampire Survivors trotz seiner schlichten Aufmachung alleine auf Steam von fast 200.000 Spielern zu 98% positiv bewertet wurde, kommt, wenn wir vom bereits erwähnten Umfang einmal absehen, nicht von ungefähr. Denn Luca Galante, der erste Entwickler des Spiels, arbeitete vorher als Entwickler in der Glücksspiel-Industrie und designte das Spiel nicht nur sehr fordernd, sondern auch extrem belohnend. Immer stärker werdende Waffen, regelmäßig erscheinende Truhen mit Beute, herumspringende Goldmünzen und Kristalle werden mit allerlei Lichteffekten und einem Gegner-Zähler kombiniert, der schnell mal 50.000 (und mehr) besiegte Gegner zeigt. All das sorgt bei Spielern für die Ausschüttung des Glückshormons Dopamin und wird von vielen Spielstudios dazu verwendet, um euch Lootboxen und andere kosmetische Gegenstände zusätzlich zum Spiel zu verkaufen. Vampire Survivors hätte diesen Weg vermutlich leicht gehen können und bei einem Kaufpreis von fünf Euro hätte man es dem wachsenden Entwicklerteam vermutlich sogar nachgesehen. Doch statt dessen motiviert der Titel durch seine Machart nur dazu, nach jedem “Game Over” doch nochmal eine Runde zu spielen und bietet, von der Information, dass ihr im Eshop die beiden DLCs kaufen könnt einmal abgesehen, keine Werbung oder sonstige Einblendung, um den Gewinn des Studios künstlich in die Höhe zu treiben. Tatsächlich funktioniert die Motivation, das Spiel immer wieder zu spielen so gut, dass wir schon wieder dutzende Stunden in den Test der Switch Version investiert haben, obwohl das Spiel auf Steam schon mit allen erreichbaren Erfolgen durchgespielt worden ist.
Low Pixel Bling Bling
Als Vampire Survivors Ende 2021 als Early-Access-Version veröffentlicht wurde, fehlte dem Titel noch der Feinschliff, sodass das Spielgeschehen mit den richtigen Waffen und genügend Gegnern auf dem Bildschirm zwar keine Grafikkarte, dafür aber die CPU eines Mittelklasse PCs ins Schwitzen bringen konnte. Schlichte Grafik ist das eine, aber die Verwaltung von zum Teil hunderten sich gleichzeitig bewegenden Figuren, die auch noch miteinander interagieren, ist grundsätzlich keine einfache Aufgabe. Dementsprechend gespannt waren wir auf die Leistungen des Tegra X1 Prozessors in der Switch und freuen uns berichten zu können, dass sich die Konsole vorbildlich schlägt und das Spiel fast immer sehr sauber läuft. Nur ein einziges mal konnten wir die Konsole an ihre Grenzen bringen, was sich in dem Spiel darin äußert, dass alles flüssig, aber in Zeitlupe abläuft, was hin und wieder sogar von Vorteil sein kann. Akustisch bietet der Titel einen umfangreichen Soundtrack, der für jedes Gebiet eine andere stimmige Melodie bietet und Soundeffekte, im Stil älterer Videospiele, was bei der gesamten Aufmachung logischerweise gut passt. Die einfach gehaltene Steuerung funktioniert in jeder Spielweise sauber und problemlos und auch die Ladezeiten sind erwartungsgemäß kurz. Optisch wird Vampire Survivors wohl niemanden zum Jubeln bringen, doch die Grafik funktioniert auf kleinen und großen Bildschirmen gleichermaßen und lässt euch alles im Überblick behalten. Nur im Koop kann es ein wenig wuselig werden, da das Spiel sich in dem Modus nicht auf einen der Charaktere zentriert. Als Abhilfe bietet es euch in dem Modus aber farbige Umrandungen und bemüht sich damit meist erfolgreich, der Lage Herr zu werden.
Fazit:
Vampire Survivors ist eines dieser Spiele, das alles richtig macht und eindrucksvoll beweist, dass ein gutes Spielprinzip keine prachtvolle Grafik benötigt, um Spaß zu machen. Stattdessen stützt sich der Titel auf seinen ausgezeichneten Umfang, Mechaniken, die euch ewig bei Laune halten können und eine Technik, die den Versionen auf leistungsstärkeren Plattformen in nichts nachsteht. Wenn ihr nur ein wenig Spaß an kurzweiligen Actionspielen habt, solltet ihr euch Vampire Survivors auf jeden Fall einmal genauer ansehen. Wer keine fünf Euro übrig hat, kann das Spiel hier in abgespeckter Version im Browser spielen oder es sich kostenfrei und mit Werbeeinblendungen aufs Telefon oder Tablet herunterladen. Wer sich das Spiel aber leisten kann und mag, findet es bereits im Eshop.