Pikmin 4
Alle Macht dem kleinsten Mann! Mit Pikmin 4 setzt Nintendo seine Echtzeitstrategie-Reihe fort und präsentiert euch jetzt den ersten Teil, der exklusiv für die Nintendo Switch erstellt wurde und mit neuen Welten, Charakteren und Spielmodi aufwartet. Wie sich das spielt und ob der Neuling genauso viel Spaß wie seine Vorgänger macht, haben wir uns für euch einmal genauer angesehen.
Unterwegs als Retter der Retter des größten Pechvogels der Galaxis
Captain Olimar hat es wirklich nicht leicht im Leben. Nachdem er schon in den ersten drei Teilen der Serie mit allen möglichen Unglücken zu kämpfen hatte, würde man ihm ja eigentlich ein wenig Ruhe und Entspannung gönnen. Doch das Schicksal hat offenbar andere Pläne mit dem knuffigsten Raumfahrer der Galaxis und so kommt es, dass er ein weiteres mal mit seinem Raumschiff Dolphin auf einem fremden Planeten notlanden muss. Zwar kann er noch einen Notruf absetzen und damit die intergalaktische Rettungstruppe alarmieren, die sich auch sofort auf den Weg macht, aber Olimars Pech scheint sich, sehr zum Leidwesen seiner Retter, nicht nur auf ihn zu beschränken, denn auch das Raumschiff der Helfer gerät außer Kontrolle und muss auf dem Planeten PNF-404 notlanden. Eine hoffnungslose Lage, wäre da nicht ein einzelner junger Rettungs-Rekrut, der eigentlich noch viel zu unerfahren ist, um an derartigen Missionen teilzunehmen. Als letztes Mitglied mit einem funktionierenden Raumschiff liegt es jetzt wohl oder übel an ihm, alle Beteiligten wieder nach Hause zu holen und damit den Tag zu retten.
Schon mit dem oberen Absatz dürfte klar sein, dass Pikmin 4 in Sachen Storytelling keine neuen Maßstäbe setzen möchte. Die Geschichte wurde auf jüngere Spieler ausgerichtet und bietet zumindest in den ersten zwei Dritteln des Spiels einen relativ vorhersehbaren Handlungsstrang. Erst im letzten Drittel wartet eine kleine Überraschung auf euch. Wir halten uns mit Spoilern an dieser Stelle aber zurück. In der Zeit bis zum Abspann entwickelt sich die Handlung zwischen den einzelnen Missionstagen, wenn ihr in eurer Basis mit den anderen Charakteren sprecht oder eine neue Aufgabe erhaltet. Wie für viele Nintendo-Spiele üblich, wartet Pikmin 4 erneut mit allen möglichen niedlichen Charakteren und Monstern auf und auch Kämpfe bleiben wieder wie gewohnt entspannt, sodass der Titel problemlos mit oder neben Kindern gespielt werden kann.
Neuer Charakter-Editor, gutes altes Spielprinzip
Bevor es mit der Rettung aber losgeht, schickt euch das Spiel nach dem Intro und einer kurzen Einführung, in der ihr die Grundlagen des Spiels lernt, in den Charakter-Editor. Zum ersten mal könnt ihr eure Figur mit überschaubaren Mitteln selber gestalten und auch hinterher zu jeder Zeit anpassen. Das wäre zwar nicht nötig, ist aber natürlich ein nettes Extra. Mit dem fertig erstellten Charakter in der Tasche geht es nun endlich an eure Aufgabe: Die Rettung von Captain Olimar, euren Kameraden und, wie sich schnell zeigt, auch allen möglichen anderen Figuren, die aus unterschiedlichen Gründen auf PNF-404 abgestürzt sind. Es scheint grundsätzlich nicht der beste Planet für einen Besuch zu sein.
Das Spielprinzip bleibt im großen und ganzen identisch mit dem der ersten Teile: An der Seite von Pikmin, kleinen Samenkorn-großen Wesen erforscht ihr ein Gebiet, bekämpft Gegner, löst Rätsel und sammelt Gegenstände ein, durch die ihr Verbesserungen für eure weiteren Missionen freischalten könnt. Pikmin gibt es in insgesamt neun Varianten und jede bringt eigene Besonderheiten mit sich, sodass ihr sie überlegt einsetzen müsst. Rote Pikmin sind zum Beispiel immun gegen Feuer und allgemein gute Kämpfer, blaue Pikmin können in und unter Wasser Aufgaben erledigen und dunkelgrau-steinerne Pikmin halten besonders viel aus und können sich gegen Glaswände werfen, um diese zu zertrümmern. Da ihr zu jeder Zeit höchstens drei unterschiedliche Arten von Pikmin mit euch führen könnt, gilt es ein wenig zu planen, welche Truppen ihr später im Feld befehligen wollt. Wer unentschlossen ist, kann per Knopfdruck aber auch einfach das System entscheiden lassen, welche Pikmin euch aktuell folgen sollen.
Die Steuerung der zum Teil über hundert kleinen Figuren geht wie schon in den Vorgängern in den meisten Fällen sehr gut und unkompliziert. Mit den Schultertasten wählt ihr zwischen den euch zur Verfügung stehenden Figuren aus und schickt diese mit einem weiteren Knopfdruck ins Feld, wo sie sich nahezu selbständig anhand des Objektes, zu dem ihr sie schickt, an ihre Aufgabe machen. Bei Gegnern und Hindernissen greifen sie an, während Gegenstände auf direktem Weg zur Basis getragen werden, wo sie dann auf euch warten. Mit einem weiteren Tastendruck könnt ihr alle Pikmin in einem großen Bereich und später sogar quer über die Karte zu euch rufen. Bei all diesen Aktionen gilt es aber immer wachsam zu sein, da eure Pikmin euch blind gehorchen. Schickt ihr wasserscheue Pikmin in einen See, werden sie artig ins Wasser marschieren, um die gestellte Aufgabe zu erledigen und dabei mit großer Wahrscheinlichkeit ertrinken. Ähnlich läuft es mit anderen Elementen und es kann vorkommen, dass sich an einem gefundenen Schatz, der von einer Mindestmenge Pikmin getragen werden muss nicht genug von ihnen versammeln, die dann angestrengt an ihm zerren, ohne ihn auch nur einen Pixel weit bewegen zu können. Eine Karte des Gebietes hilft euch in vielen Fällen aber, den Überblick zu behalten und später freischaltbare Funktionen zeigen euch an, ob Pikmin untätig in der Gegend herumstehen oder nicht.
Neue Funktionen, treue Gefährten und verpasste Gelegenheiten
Neben den Pikmin ist der Weltraumhund Otschin euer wichtigster Gefährte, den ihr auch direkt am Anfang des Spiels findet. Im Verlauf des Spiels und dank einiger Upgrades verwandelt sich Otschin in das Gegenstück eines Taschenmessers, wenn er euch und euren Pikmin über Land und Wasser als Transportmittel dient, Gegner angreift oder Gegenstände mit der Kraft von bis zu 100 Pikmin durch die Gegend transportiert. Auf Wunsch könnt ihr Otschin auch direkt steuern, was in einigen Missionen auch erforderlich ist, da der Hund nachdem er ausgewachsen ist nicht mehr durch Gitterstäbe passt, durch die euer Charakter und die Pikmin problemlos schlüpfen können. Tatsächlich hätte die Funktion, Otschin steuern zu können, eigentlich der ideale Ansatz für den lokalen Koop-Modus sein können und es ist schade, dass Nintendo den Modus nicht auf diese Weise umgesetzt hat. Stattdessen übernimmt der erste Spieler im Koop die komplette reguläre Steuerung des Spiels, während der zweite Spieler Steinchen und andere Objekte auf Gegner und Gegenstände schießen darf. Das mag zwar sinnvoll sein, wenn ihr mit einem Kind spielt, dem ihr noch keine zu große Rolle im Spiel geben wollt, wird ältere Mitspieler aber kaum begeistern. Ähnliche Koop-Ansätze hatte Nintendo schon in den “Mario Galaxy”- und “Mario Odyssey”-Spielen und auch da war es schwer, jemanden dazu zu bewegen, Gegner mit Kristallen zu bewerfen oder Marios Mütze durch die Gegend fliegen zu lassen.
Was zu zweit aber ein wenig lahmt, macht alleine umso mehr Spaß und Pikmin bietet in seinen knapp 40 Stunden Spielzeit einen gesunden Wechsel aus Erforschung, Kampf und einfachen Rätseln, durch den die Zeit verfliegt. Die im ersten Teil noch bestehende Begrenzung, durch die das Spiel innerhalb von 30 Missionstagen abgeschlossen sein musste, hat es auch im aktuellen Teil nicht wieder in das Spiel geschafft, sodass ihr euch komplett frei und ohne Druck austoben könnt. Einzig die Regel, dass ihr und eure Pikmin bei Sonnenuntergang wieder bei eurem Raumschiff sein müsst, hat weiterhin bestand, sodass ihr in den 15 Minuten, die ein Spieltag dauert, gut planen solltet, welche Ziele ihr verfolgt, damit euch die Nacht nicht überrascht, was euch mitunter viele Pikmin kosten kann. Solltet ihr aber doch einmal einen Fehler machen und viele oder alle eurer Pikmin verlieren, bietet euch das Spiel die Möglichkeit, die Zeit um ein paar Minuten zurückzudrehen, sodass selbst grobe Schnitzer, von ein paar Minuten verlorener Zeit abgesehen, kaum Konsequenzen haben.
Die Erforschung der Oberwelt ist noch lange nicht alles
Neben der regulären Erkundung der Welt bietet Pikmin 4 noch allerlei Nebenaktivitäten, die aber nicht weniger relevant für die Handlung des Spiels sind. In den Leveln befindliche Röhren führen zu Dungeons, in denen ihr seltene Pikmin oder Charaktere, die gerettet werden möchten, findet. Dabei arbeitet ihr euch durch mehrere Ebenen, die mit allen möglichen Fallen, Rätseln und Gegnern gefüllt sind, bis ihr euch in der untersten Etage dem Boss des Dungeons stellt. Hier gilt es vergleichsweise einfache Angriffsmuster zu durchschauen und auf diese richtig zu reagieren, um die Gegner ohne größere Verluste besiegen zu können. Die Kämpfe wurden schön und zum Teil auch leicht fordernd gestaltet und machen Spaß, kommen aber leider nicht an die spürbar epischeren Kämpfe gegen die Bosse der vorherigen Teile heran. Ein wenig mehr Wow-Faktor hätte dem Spiel an dieser Stelle gut getan. Um keinen Druck aufkommen zu lassen, vergeht die Spielzeit in den Dungeons außerdem deutlich langsamer als an der Oberwelt, was auch sehr gut ist, da spätere Verliese gerne mehr als 15 Minuten brauchen, um zu ihrem Ende zu kommen. Praktischer Weise kann der Besuch eines Dungeons aber zu jeder Zeit unterbrochen werden, wenn euch (im realen Leben) die Zeit fehlt. Das Spiel speichert euren Fortschritt im Dungeon, sodass ihr bereits absolvierte Ebenen nicht wieder besuchen müsst. Zusätzlich zu den Verlies-Röhren gibt es noch gesonderte Dandori-Röhren in denen ihr entweder gegen einen K.I.-Gegner oder gegen die Zeit Punkte sammeln müsst, indem ihr mit einer vorgegebenen Pikmin-Truppe Gegner besiegt und Gegenstände zu eurer Basis bringt. Dandori ist (wenig überraschend) ein japanisches Wort, das (zumindest im Kontext des Spiels) eure Fähigkeit zu planen beschreibt und in den Matches in Form erreichter Punkte gemessen wird. Je besser, schneller und effizienter ihr eure Pikmin die in den Matches gestellten Aufgaben erledigen lasst, desto mehr Punkte und damit Dandori erhaltet ihr. Schafft ihr einen vom Spiel gesetzten Mindestwert oder in K.I.-Matches mehr Punkte als euer Gegner, rettet ihr zur Belohnung einen Laubling - einen Raumfahrer, der während seines Aufenthaltes auf dem Planeten in ein Wesen verwandelt wurde, dem dichtes Laub am ganzen Körper wächst. Für ihre Heilung bietet das Spiel eine weitere neue Nebenaufgabe: Die Nacht-Missionen, in denen ihr an der Seite von (nur in diesen Missionen verwendbaren) Leucht-Pikmin Lichtbauten für einige Minuten gegen anrückende Gegner verteidigen müsst. Das Tower-Defense Spielprinzip schafft weitere Abwechslung und belohnt euch bei Erfolg mit ein wenig Medizin mit der ihr einen oder mehrere Laublinge wieder zurückverwandeln könnt. Die so geretteten Raumfahrer sind euch nicht nur sehr dankbar, sondern bieten euch zum Teil auch weitere Boni oder Nebenmissionen an, mit denen ihr Ressourcen verdienen könnt, um eure Ausrüstung sowie die Fähigkeiten von Otschin weiter zu verbessern.
Zusätzlich zum Abenteuer-Modus bietet euch das Spiel im Hauptmenü auch den Dandori-Modus an, in dem ihr, vergleichbar mit den Röhren im Abenteuer-Modus, eure organisatorischen Fähigkeiten in sechs Leveln unter Beweis stellen könnt. Hier habt ihr die Wahl, alleine oder kooperativ gegen die K.I. oder zu zweit gegeneinander anzutreten. Kooperativ wird aber auch in diesem Modus wieder ein Spieler zum Steinchen schleudern “verdammt”, während der andere den Großteil der Steuerung übernimmt. Es bleibt zu hoffen, dass Nintendo hier im nächsten Teil eine spannendere Lösung anbietet oder in diesem Teil überraschend noch ein entsprechendes Update nachreicht.
Pikmin so weit das Auge reicht
Technisch gibt sich Pikmin 4 keine Blöße und kommt auch mit mehr als hundert Figuren auf dem Bildschirm nicht ins Schwitzen. Alles wird sauber dargestellt und ist sowohl auf dem heimischen Fernseher, als auch auf dem Display der Konsole gut zu erkennen. Der für die Pikmin-Reihe typische Soundtrack unterlegt das Spiel mit fröhlichen Melodien, hält sich aber oft gezielt zurück, sodass er auch nach Dutzenden Stunden nicht nervig wird. Für die Charaktere wurde auf eine verständliche Synchronisation verzichtet und so beschränken sich die Figuren auf kurze Gruß-Laute ehe euch ihr Text eingeblendet wird. So fällt die schönste Sprechrolle im Spiel den Pikmin zu, die in entspannten Momenten gemeinsam ein kleines Lied singen. Das ist zwar ebenfalls nicht verständlich, ist aber immer wieder nett zu hören. Auch bei der Steuerung, die in Pikmin-Spielen fast wichtiger als die Grafik ist, läuft alles reibungslos. Besonders positiv fällt hier neben der generell sehr guten Leistung das Steuerkreuz auf, das ihr mit vier Sonder-Befehlen belegen könnt, die ihr gerne oder häufiger benutzt. So können der Einsatz von bestimmten Gegenständen oder Wechsel des gesteuerten Charakters schnell und einfach vorgenommen werden, was dem Spielfluss sehr zugute kommt. Die guten Ladezeiten runden das Geschehen ab.
Fazit:
Pikmin 4 präsentiert eine gute Mischung aus alten und neuen Spielideen und könnte damit der beste Teil der Serie sein. Das Spiel hält sauber die Balance zwischen entspanntem und forderndem Gameplay und fühlt sich durch seine vielen Modi, die es mit in das Hauptspiel einstreut, immer wieder abwechslungsreich und belohnend an. Einzig der etwas lahme Koop-Modus und die Abwesenheit wirklich ikonischer Endgegner hält den Titel davon ab, hier eine Bestnote einzusammeln, wobei das Spiel auch mit diesen Kritikpunkten noch für jeden Spieler interessant sein sollte, wenn ihr nicht gerade eine massive Abneigung gegen das Genre im Besonderen habt. Technisch läuft Pikmin einwandfrei und der zusätzliche Dandori-Duell-Modus bietet euch die Möglichkeit, das Spiel auch nach dem Durchspielen noch einmal rauszuholen, um euch kurze Kämpfe mit einem Freund zu liefern.
Pikmin 4 ist im Handel und im Eshop erhältlich und Fans der Serie können unbesorgt zugreifen.