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Atelier Ryza 3: Alchemist of the End & the Secret Key

Von Andreas Held am 03.04.2023

Zwei Jahre sind seit den Ereignissen von Atelier Ryza 2 vergangen. Ryza ist in ihre Heimat, das Dorf Rasenboden auf Kurken Island im Königreich Roteswasser, zurückgekehrt. Eines Tages erscheint in der Nähe des Dorfs aus dem Nichts eine Inselgruppe, wo wir gleich in den ersten Minuten des Spiels unseren ersten Tutorial-Kampf absolvieren. Dabei hört Ryza eine Stimme in ihrem Kopf, die ihr das Alchemie-Rezept für einen Schlüssel beibringt. Schnell stellt sich heraus, dass die bloße Präsenz der neuen Inseln negative Auswirkungen auf Kurken Island hat: Handelsschiffe beschweren sich über den gefährlichen Seeweg und es kommt wieder vermehrt zu Erdbeben. Grund genug für Ryza, ihre alten Freunde auf ihre Heimatinsel einzuladen und den geheimnisvollen Ereignissen auf den Grund zu gehen.

Der dritte - und laut den Ankündigungen von Gust letzte - Teil der Atelier-Ryza-Serie tritt in nicht gerade kleine Fußstapfen: Offiziellen Zahlen aus dem März 2023 zufolge haben sich die beiden Vorgänger zusammen insgesamt 1,6 Millionen Mal verkauft. Zum Vergleich: Der teuer vermarktete PS5-Exklusivtitel Returnal schaffte es auf gerade einmal 560.000 abgesetzte Exemplare. Angesichts solcher Verkaufszahlen ist Atelier Ryza, auch wenn es von der westlichen Fachpresse weiterhin nahezu totgeschwiegen wird, eigentlich kein Nischentitel mehr. Den Erfolg hat Gust offenbar zum Anlass genommen, sich ambitionierte Ziele zu stecken: Die Spielwelt, die noch in Atelier Ryza 2 in viele kleine Gebiete unterteilt war (ähnlich wie wir es aus älteren Monster-Hunter-Teilen kennen), soll diesmal fast komplett ohne Unterbrechungen bereist werden können.

Im dritten Teil nichts Neues

Die Kampf- und Alchemiesysteme wurden praktisch unverändert und mit minimalen Erweiterungen aus dem Vorgänger übernommen. Die Auseinandersetzungen mit den in der Spielwelt herumlaufenden Monstern wurden allerdings ordentlich beschleunigt, sodass ihr nun praktisch gar nicht mehr auf die Regeneration von Aktionspunkten oder den Start der nächsten Kampfrunde warten müsst, sondern fast ununterbrochen eine Spezialattacke nach der anderen auf eure Gegner loslassen könnt. Nach einiger Zeit kann Ryza an bestimmten Punkten in der Spielwelt oder auch mitten im Kampf neue Schlüssel herstellen. Diese Werkzeuge können wir wiederum an den verschiedensten Stellen einsetzen, um zum Beispiel bessere Zutaten zu ernten, zufällig erscheinende Schatztruhen zu öffnen, stärkere Items herzustellen oder in harten Kämpfen einen kurzzeitigen Status-Buff zu erhalten. Anders als das Erforschen der Ruinen im zweiten Teil sind die Schlüssel somit keine komplett neue und eigenständige Spielmechanik, sondern lediglich eine Erweiterung für die vorhandenen Mechaniken - sodass sich das Gameplay insgesamt weniger frisch anfühlt.

Alle weiteren Anpassungen und Veränderungen sind eher subtiler Natur. Rezepte für neue Waffen und Rüstungen lernen wir diesmal nicht mehr durch das Verbessern der alten Rezepte, sondern über den Skill Tree - was effektiv bedeutet, dass wir zum Craften von Endgame-Equipment deutlich weniger Zutaten sammeln und vorbereiten müssen. Wer Herausforderungen mag, bekommt diesmal von Beginn an einen vierten Schwierigkeitsgrad angeboten, der seiner Bezeichnung "Very Hard" aber nur bei vereinzelten Bosskämpfen gerecht wird. Das liegt auch daran, dass Gust das Kampfsystem mittlerweile so stark vereinfacht hat, dass es nur noch sehr wenig Raum für schwierige Entscheidungen oder komplexe Taktiken gibt. Unverständlich ist, dass einige Quality-of-Life-Features aus dem zweiten Teil wieder gestrichen wurden: Beim Sammeln von Zutaten ist nicht mehr auf den ersten Blick ersichtlich, welche Items mit welchem Werkzeug abgebaut werden können, und auch die Möglichkeit, Heilungsitems außerhalb von Kämpfen einzusetzen, wurde wieder abgeschafft.

Sommerabenteuer in einer riesigen Spielwelt

Die komplette Spielwelt des ersten Teils darf auch im dritten Teil wieder bereist werden, ist diesmal jedoch entsprechend der Ankündigung nicht mehr in kleinere Gebiete unterteilt. Somit können wir ohne Unterbrechungen von Ryzas Waldversteck bis hin zum Turm in den Bergen laufen. Ganz so weitläufig wie die Spielwelten von Xenoblade Chronicles oder Genshin Impact ist Atelier Ryza 3 allerdings trotzdem nicht, denn im Prinzip wurden nur die bestehenden Gebiete durch enge Korridore miteinander verbunden. Die komplett neuen Gebiete machen da teilweise schon einen deutlich besseren Eindruck und überzeugen mit einer durchaus imposanten Weitsicht, die nur durch einen starken Unschärfe-Effekt (der im Foto-Modus deaktiviert werden darf, was wir für die meisten Screenshots in diesem Review getan haben) etwas getrübt wird.

Während sich die Entwickler mit neuen Features eher zurückhielten, haben sie beim Umfang definitiv nicht gegeizt. Atelier Ryza 3 fährt mit elf spielbaren Charakteren die größte Kämpfer-Riege der Seriengeschichte auf, und die Spielwelt ist mindestens doppelt so groß wie die der beiden Vorgänger. Die Struktur der Haupt-Story ist an klassische JRPGs angelehnt, in denen die Party mehrere Städte besucht und den dort lebenden Figuren im Rahmen einer in sich abgeschlossenen Handlung mit ihren Problemen hilft. Die verschiedenen Gebiete, die Ryza mit ihren Freunden und Freundinnen besucht, sind zwar nicht besonders zahlreich, dafür jedoch wirklich detailliert ausgearbeitet und bringen jeweils ihre ganz eigenen Hintergrundgeschichten und Kulturen mit. Am Ende der langen Spielzeit dürft ihr somit auf ein wirklich abwechslungsreiches Abenteuer zurückblicken.

Wie lange diese Spielzeit tatsächlich ausfallen wird, hängt dabei stark von eurem Spielstil ab. Atelier Ryza 3 ist vollgepumpt mit Sidequests und Nebenaufgaben, die manchmal recht umfangreich ausfallen und euch in zahlreichen kleinen Cutscenes weitere Details über die Charaktere und die Spielwelt näherbringen. Auch das Alchemie-System lädt wieder dazu ein, komplett darin zu versacken und Stunden in die Herstellung übermächtiger Items zu investieren. Obwohl Gust das Spieltempo in den Kämpfen und beim Herumlaufen in der Spielwelt deutlich erhöht hat (zeitweise fühlt es sich an, als würde ich das Remake eines Retro-JRPGs mit eingeschalteter Vorspulfunktion durchspielen) dürft ihr, wenn ihr euch mit allen Inhalten auseinandersetzt, mit einer Spielzeit von mindestens 40-60 Stunden rechnen.

Malerische Spielwelt mit Schönheitsfehlern

Die größte Stärke von Atelier Ryza ist und bleibt die audiovisuelle Gestaltung - daran hat sich natürlich auch im dritten Teil nichts geändert. Obwohl Gust nicht annähernd die Ressourcen zur Verfügung hat, die Studios wie Naughty Dog oder Playground Games für ihre Großproduktionen aufwenden können, konnte das kleine japanische Studio einige wirklich nett anzusehende Landschaften auf den Bildschirm zaubern. Der aus neuen und alten Stücken bestehende Soundtrack liefert wieder einige echte Ohrwürmer ab - insbesondere das neue Battle Theme ist eines der besten der Serie. Das alles untermalt die positive Grundstimmung des Spiels, dessen Handlung ohne einen Antagonisten und ohne großes Drama auskommt. Tatsächlich hat man wirklich irgendwie das Gefühl, einfach nur eine Gruppe junger Menschen auf ihrem Sommerabenteuer zu begleiten, das dank der überaus sympatischen Charaktere trotz seiner vermeintlichen Belanglosigkeit nie langweilig wird.

Obwohl Atelier Ryza 3 kurzfristig um einen Monat verschoben wurde, haben wir in der Release-Version noch einige Schönheitsfehler bemerkt, die wir aus anderen Gust-Titeln nicht unbedingt gewohnt sind. Manchmal reagieren einige Knöpfe des Controllers nicht mehr, was das Einsammeln von Items unmöglich macht. Manchmal sind die Bedingungen zur Erfüllung eines Nebensquests ziemlich unklar. Manchmal stehen NPCs direkt vor einer Wand und schauen diese an, oder laufen unter Wasser auf einem Flussbett herum. Glücklicherweise sind diese Vorkommnisse allerdings so selten, dass sie das Spielerlebnis kaum negativ beeinflussen. Die englischen Bildschirmtexte wirken ebenfalls etwas durchwachsen und fallen gelegentlich durch Rechtschreib- und Grammatikfehler oder unverständliche Itembeschreibungen negativ auf. Die Framerate ist dafür, zumindest in der von uns getesteten PS5-Version, immer absolut stabil, und Ladezeiten liegen im Schnitt bei unter einer Sekunde. Das ambitionierte Upgrade auf eine große, zusammenhängende Spielwelt hat Gust mit Bravour gemeistert.

FAZIT:

Die Atelier-Ryza-Serie ist sich für ihren Abschluss absolut treu geblieben, sodass euch der letzte Teil der Trilogie genau dann gefallen wird, wenn euch auch die beiden Vorgänger gefallen haben. Das bedeutet leider auch, dass die Kritikpunkte nicht ausgemerzt wurden: Durch den niedrigen Schwierigkeitsgrad und die wenigen Interaktionsmöglichkeiten werden die Kämpfe in Atelier Ryza 3 mit der Zeit ziemlich eintönig, und wer mit dem Slice-of-Life-Genre nichts anfangen kann, wird die Handlung als ziemlich belanglos empfinden. Alle anderen dürfen sich auch diesmal auf ein absolutes Wohlfühl-Abenteuer freuen, das euch mit seiner farbenfrohen Spielwelt, seinen vielen liebenswerten Charakteren und seinem ohrwurmlastigen Soundtrack schnell vereinnahmen wird. Tatsächlich bin ich sogar etwas traurig darüber, dass Atelier Ryza 3 das Ende der Secret-Serie sein soll - hoffentlich bedeutet das nicht, dass wir Ryza, Klaudia und Tao niemals wiedersehen werden. Andererseits dürfen wir natürlich gespannt darauf sein, was Gust für seine bekannteste Serie als nächstes in Petto hat.

Unsere Wertung:
8.5
Andreas Held meint: "Gelungenes Comfort Food für Fans der beiden Vorgänger."
Atelier Ryza 3: Alchemist of the End & the Secret Key von Gust erscheint am 24.03.2023 für PC und PlayStation 4 und PlayStation 5 und Nintendo Switch. Wir haben die Version für PlayStation 5 getestet. Für diesen Test wurde uns ein Rezensionsexemplar von Koei Tecmo Games zur Verfügung gestellt.
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1 Kommentar:
Denios)
Denios
Am 03.04.2023 um 21:15
klingt genauso, wie ich es haben wollte: einfach mehr Ryza <3 freue mich drauf, es nach Octopath 2 anzugehen