Test

The Last Worker

Von Jeremiah David am 30.03.2023

The Last Worker ist eine belgisch-britische Koproduktion, entstanden aus der Zusammenarbeit der kleinen Entwicklerstudios Oiffy und Wolf & Wood Interactive. Als Spieler schlüpfen wir in die Rolle des bärbeißigen Arbeiters Kurt, der mit Bierbauch und Holzfällerhemd seinen täglichen Aufgaben nachgeht. In einer gigantischen, futuristischen Lagerhalle fliegt er zwischen riesigen Regalen umher, um Pakete von A nach B zu transportieren. Wir von NplusX liefern keine Pakete aus, wohl aber einen Test der Switch-Version des Spiels.

Der Arbeiter Kurt

Kurt ist zu einem nicht näher definierten Zeitpunkt in der Zukunft beim größten Online-Einzelhändler der Welt angestellt. Das klingt zunächst nicht außergewöhnlich, tatsächlich ist Kurt allerdings der letzte verbliebene Mensch in den ansonsten nur von Robotern und Drohnen bevölkerten Hallen und Korridoren von "Jüngle".

Auf seinem fliegenden JünglePod und mit der vielseitig einsetzbaren JüngleGun verschickt Kurt unzählige, meist völlig bescheuerte Produkte aus einem Anwendungszentrum in der Größe der inzwischen versunkenen Stadt Manhattan. Dabei wird ihm in Videobotschaften vom CEO des Unternehmens immer wieder eingetrichtert, dass er mehr als nur ein simpler Arbeiter ist, der Pakete verschickt. Er erfüllt Träume! Josef Jüngle, der optisch abgesehen von einer regenbogenfarbigen Haarpracht irgendwo zwischen Jeff Bazos und Steve Jobbs angesiedelt ist, versichert immer wieder: Jüngle sieht Kurt als Familienmitglied und sich selbst als Unternehmen, das Anderen nur helfen will. Dass dies jedoch nicht ganz der Fall ist, dürfte gewieften (und weniger gewieften) Spielern schnell klar sein.

Als einziger Mensch im Jungle - äh in Jüngle - fühlt sich Kurt metaphorisch und wörtlich selbstredend etwas einsam. Sein einziger Freund ist zunächst die glubschäugige Propeller-Drohne Skew. Das ändert sich jedoch als die S.P.E.A.R.-Aktivistin Chayenne in der Form einer ferngesteuerten, Kolibri-artigen Hoverbird-Drohne auftaucht und Kurt um Hilfe bittet. S.P.E.A.R. ist eine Gruppe zur Systematischen und Pauschalen Eliminierung von Automatischer Redundanzen, und die Aktivistin vermisst eine Kollegin namens Emma, die schon vor einiger Zeit in Jüngle eingedrungen, aber nie zurückgekehrt ist. Im JFC-01 (Jüngle-Fullfillment-Center) schleicht Kurt auf der Suche nach Emma fortan an Wachrobotern vorbei, zerstört Drohnen mit einer EMP-Pistole, hackt Türen oder steuert Skew rasant durch mit Hindernissen gespickten Tunnel.

Alltag im Amazonas-Jüngle

Es sollte längst klar sein: The Last Worker nimmt mit Spott und Sarkasmus scheinbar übermächtige Konzerne auf den Arm. Amazon wird veräppelt, Apple in den Jungle geschmissen. Das geschieht mit Hilfe etlicher lustiger Dialoge, gesprochen von einigen überraschend bekannten Schauspielern. So wird Skew beispielsweise von Jason Isaacs gesprochen, den Harry-Potter-Fans als Lucius Malfoy kennen dürften. Zelda Williams, Tochter von Comedy-Legende Robin Williams, spricht derweil die Aktivistin Emma. Eine deutsche Sprachausgabe gibt es allerdings nicht (nur deutsche Untertitel), und das Spiel verpasst die Chance konkrete Missstände der Megakonzerne anzuprangern und wird dadurch nur selten wirklich sozialkritisch. Ungeachtet dessen kann die Story im Laufe der rund vier bis fünf Stunden langen Kampagne gut unterhalten. Zwei andere Elemente von The Last Worker bremsen den Spielspaß phasenweise dagegen ziemlich aus.

Erstens: Zwischen seinen ansonsten durchaus unterhaltsamen Erkundungsflügen in die geheimen Winkel des JFC-01 muss Kurt wirklich Alltagsarbeit verrichten. Konkret heißt das, dass wir aus der Ego-Perspektive mit einem fliegenden JünglePad einer Spur leuchtender Punkte folgen, um Pakete abzuholen, zu untersuchen, gegebenenfalls mit einem Aufkleber zu versehen und dann entweder an das Paketzentrum oder an die Recycling-Abteilung weiterzuleiten. Beim Untersuchen der Pakete müssen wir auf optische Mängel sowie auf Markierungen für Größe und Gewicht achten. Damit die Logistikarbeit nicht zu eintönig wird, kommen abwechselnd weitere Aufgaben hinzu: Mal müssen wir Weihnachtsartikel (erkennbar an grünem Geschenkspapier) aussortieren, mal Skew mit einem "jPhone" taggen oder Roboter mit Ratten beschießen. Viel unterhaltsamer wird die Arbeit dadurch allerdings nicht, und zu allem Überfluss müssen wir den gesamten Arbeitstag wiederholen, wenn Josef Jüngle mit unserer Leistung unzufrieden ist und uns deshalb mit einem F-Rang bewertet. Die Logistikarbeit macht in der VR-Version von The Last Worker vielleicht Spaß, ist auf der Switch jedoch eher mühsam.

Zweitens: Die Standard-Steuerung ist weder intuitiv noch präzise. Um Gegenstände zu werfen, müssen wir erst ZR halten, dann ZL drücken und anschließend ZR wieder loslassen. Noch lästiger ist das Wechseln von der JüngleGun zu anderen Werkzeugen wie der Aufkleberpistole, dem Hacking-Tool oder der EMP-Pistole. Dazu müssen wir nämlich stets erst X gedrückt halten, um dann mit den Richtungstasten beziehungsweise dem Steuerkreuz des Pro-Controllers von links nach rechts durch eine Inventarreihe zu scrollen. Die X-Taste ist hierbei völlig unnötig, denn standardmäßig ist keine der Richtungstasten mit irgendeiner Aktion belegt. Die Entwickler hätten verschiedene Werkzeuge beziehungsweise Waffen also einfach einer Richtung zuweisen können. Besonders nervig ist dies auch, weil Kurt nach jedem Game-Over automatisch zu seiner JüngleGun zurückkehrt. Wenn wir also während einem Scharmützel mit Roboterdrohnen das Zeitliche segnen, müssen wir nach dem Respawn erst wieder die EMP-Pistole anwählen. Apropos EMP-Pistole: Ein präzises Zielen ist mit dem Gerät nahezu unmöglich, außerdem ist die Feuerrate hundsmiserabel, zumal es spät im Spiel ein Kapitel gibt, in dem wir die EMP-Waffe vor jedem Checkpoint nur ein einziges Mal verwenden dürfen, weil diese dann überhitzt. Wir empfehlen daher ausdrücklich im Hauptmenü die automatische Zielhilfe zu aktivieren oder zumindest die horizontale und vertikale Empfindlichkeit der Analogsticks ordentlich noch oben zu schrauben.

Der durchwachsenen Steuerung und einem stellenweise unfairen Leveldesign stellen die Entwickler immerhin äußerst viele Checkpoints entgegen.

Saubere Optik, durchwachsene Technik

Angesichts der Gameplayschwächen macht The Last Worker am meisten Spaß, wenn Kurt weder Pakete abholen, noch Geschicklichkeitspassagen meistern oder Wachroboter überwinden muss, sondern stattdessen mit den sympathischen Skew und Hoverbird unterwegs ist, um den Machenschaften des menschen- und umweltverachtenden Megakonzerns Jüngle auf die Schliche zu kommen. Dazu trägt auch die gelungene Präsentation bei. Oben haben wir bereits die guten Synchronsprecher erwähnt. Neben der Akustik verdient jedoch auch die Optik Lob. Das Spiel kommt in einem simplen, aber stimmigen Comic-Look daher, der an die besseren Titel aus dem Hause Telltale Games erinnert. Der stilisierten Grafik ist es wohl auch zu verdanken, dass die Switch-Version stets ruckelfrei läuft und mit relativ kurzen Ladezeiten auskommt. Perfekt ist die Technik allerdings mitnichten: Neben der zweckmäßigen Steuerung kam uns nicht selten die Kamera mit ungünstig gewählten Winkeln in die Quere, außerdem stürzte uns das Spiel mehrfach ab. Eines der drei möglichen Enden konnten wir uns aufgrund eines Bugs nicht ansehen und ein andermal stießen wir auf einen Fehler, bei dem ein bestimmtes Ereignis nicht getriggert wurde, wodurch wir gezwungen waren das Kapitel neu zu beginnen.

Wichtiger Hinweis / Update: Das Testmuster zum Spiel wurde uns einige Tage vor dem offiziellen Release-Termin zur Verfügung gestellt. Erst seit heute (30. März), ist ein Day-One-Patch online. Auf die Schnelle können wir erfreulicherweise bestätigen, dass mindestens der Bug mit dem alternativen Ende behoben wurde. Sollten wir nachträglich noch weitere Verbesserungen feststellen, werden wir unseren Test dementsprechend anpassen.

FAZIT:

Als narratives Adventure überzeugt The Last Worker mit vielen lustigen Dialogen und einigen coolen Charakteren. Die Action- und Geschicklichkeitspassagen leiden dagegen unter der Steuerung und der unsinnige Tastenbelegung. Auch die langweilige Arbeit in den Jüngle-Lagerhallen verhindert eine höhere Wertung. Was übrig bleibt ist ein mittelprächtiges Spiel, das stellenweise durchaus Spaß macht, aber deutlich mehr Feinschliff hätte vertragen können.

Unsere Wertung:
6.0
Jeremiah David meint: "Mittelmäßiges Adventure, das deutlich mehr Feinschliff benötigt hätte."
The Last Worker von Oiffy / Wolf & Wood Interactive erscheint am 30.03.2023 für PC und PlayStation 5 und Nintendo Switch und XBox Series. Wir haben die Version für Nintendo Switch getestet. Für diesen Test wurde uns ein Rezensionsexemplar von Wired Productions zur Verfügung gestellt.
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