The Quarry
Entwickler Supermassive Games ist unter Horror-Fans so etwas wie ein alter Bekannter, der jährlich einmal zu Besuch kommt. Die Briten haben in den letzten Jahren jeden Oktober bzw. November einen neuen Teil ihrer Dark Pictures Anthology veröffentlicht – eine Serie kurzer Horrortitel, die sich wie interaktive Filme spielen. Letztes Jahr gab es für Freunde seichter Gruselkost aber noch ein zusätzliches Schmankerl. Im Juni erschien The Quarry und weckte als etwas längeres, teureres Spiel Erinnerungen an den bis dato besten und erfolgreichsten Titel von Supermassive Games: Until Dawn. Tatsächlich hören die Gemeinsamkeiten nicht bei der Spiellänge und dem Preis auf. Auch die Story von The Quarry ist grob zusammengefasst dieselbe: Ein paar Teenager treffen in einem Wald auf Monster und müssen irgendwie bis zum Morgengrauen überleben. Kann The Quarry auch qualitativ mit Until Dawn mithalten? Wir liefern euch mit diesem Kurztest – ganz nach dem Motto „Besser spät als nie“ – eine Antwort auf diese Frage.
Hals- und Beinbruch im Steinbruch
The Quarry beginnt wie gefühlt die Hälfte aller jemals gedrehter Horrorfilme: Ein junges Pärchen fährt mit dem Auto nachts im Regen eine finstere Waldstraße entlang. Laura und Max unterhalten sich über ihre bevorstehende Zeit im Hackett's Quarry Summer Camp, einem Ferienlager, wo sie als Betreuer für eine Horde Kinder arbeiten wollen. Als Max einen Moment lang nicht auf die Straße achtet, erscheint im Scheinwerferlicht vor ihm urplötzlich ein menschlich anmutender Umriss. Laura schreit auf und Max kann im letzten Moment noch das Lenkrad herumreißen, kommt dabei jedoch von der Fahrbahn ab und landet prompt im schlammigen Wald. Zum (Un-)Glück treffen sie nur wenig später auf einen unheimlichen Sheriff, der sie aus dem Morast zieht, ihnen dann aber mit wenig freundlichen Worten rät, die Nacht nicht im Summer Camp, sondern stattdessen in einem nahegelegenen Motel zu verbringen.
Natürlich hören Laura und Max nicht auf den zwielichtigen Gesetzeshüter, der sich ein bisschen zu sehr für die hübsche Laura zu interessieren scheint, und so nimmt das Unheil seinen Lauf, denn in Hackett’s Quarry warten zunächst mitnichten freundliche Kinder auf sie.
Der längste Teil des Spiels findet allerdings zwei Monate nach den eben beschriebenen Ereignissen statt. Dann nämlich übernehmen wir als Spieler die Kontrolle über sieben weitere jugendliche Betreuer, die nach ihrer Arbeit im Ferienlager aufgrund einer vermeintlichen Autopanne noch eine Nacht länger in Hackett’s Quarry bleiben müssen. Da wären der Macho Jacob mit seiner heißen Ex-Freundin und begeisterten Vloggerin Emma, der ruhige Podcast-Fan Ryan, der Klassenclown Dylan, der Softy Nick, die knallharte Kaitlyn und die emotionale Zeichnerin Abi. Mit Laura und Max gibt es so insgesamt neun Charaktere, in deren Rollen wir abwechselnd schlüpfen. Wer Until Dawn oder irgendeinen Teil der Dark-Pictures-Reihe gespielt hat, weiß wie das abläuft. Alle Charaktere können sterben, alle können überleben.
Die Rolle des aus der Dark-Pictures-Reihe bekannten Kurators, der dem Spieler zwischen den einzelnen Kapiteln kleine Tipps gibt, übernimmt hier eine alte Dame, die scheinbar irgendwo im Wald haust und sich über vom Spieler gefundene Tarot-Karten freut.
Gameplay? Nein, danke!
In Sachen Gameplay zeigt sich The Quarry noch minimalistischer als die bisherigen Titel von Supermassive Games. Die Quick-Time-Events sind kinderleicht und lassen sich alternativ sogar komplett ausschalten. So sind es wirklich nur unsere Entscheidungen, die bestimmen, wie die Story abläuft und welche Charaktere letztlich überleben. Langeweile kommt aber trotzdem nie auf, denn The Quarry bietet die stärkste Handlung seit Until Dawn, wobei das keineswegs bedeutet, dass sie nicht voller Klischees ist und komplett ohne Logikfehler auskommt. Letzteres ist mitnichten der Fall, aber die Entwickler spielen gekonnt mit den Erwartungen der Spieler und nehmen die eigene Story glücklicherweise nie wirklich ernst. Das zeigt sich beispielweise in kurzen, lustigen Trickfilmen, die statt eines klassischen Tutorials ein paar Eigenheiten des Spiels erklären. Die Charaktere sind außerdem vielschichtiger als es zunächst den Anschein hat und kommen zudem mit einigen flotten Sprüchen daher, die der absichtlich trashigen Story noch eine Prise Humor verleihen. So erinnert The Quarry stilistisch an Filme wie The Cabin in the Woods oder Tucker and Dale vs Evil, die zurecht nie für einen Oscar nominiert wurden, aber auf ihre ganz eigene Art dennoch erstklassige Unterhaltung bieten.
Dass The Quarry gut unterhalten kann, liegt auch an der größtenteils sauberen Technik. Speziell die Charaktermodelle sind deutlich detaillierter und realistischer als noch in früheren Werken des Studios, wobei erwähnt werden sollte, dass die ein oder andere Dame in vereinzelten Szenen mit einem seltsamen Überbiss oder etwas zu breit wirkenden Mund auskommen muss. In Kombination mit einer gut eingesetzten Tiefenunschärfe sehen manche Momente fast fotorealistisch aus. Die Umgebungen sind derweil gewohnt atmosphärisch und überzeugen mit vielen netten Details. Fixe Kameraperspektiven beziehungsweise -fahrten rauben dem Spiel etwas Dynamik, verpassen aber dem Ganzen einen gewohnt cineastischen Flair, der durch schwarze Balken im Bild zusätzlich noch verstärkt wird. Die englischen Schauspieler, die zugleich als Synchronsprecher auftreten, sind derweil absolut top, die deutsche Vertonung immerhin nicht übel. Erwähnenswert ist zudem, dass vom Hauptmenü aus eine eigens für das Spiel produzierte, sechsteilige Podcast-Reihe mit dem Titel "Bizarre Yet Bonafide" aufgerufen werden kann.
Die Achillesferse von The Quarry ist die recht kurze Spielzeit von nur acht bis neun Stunden, aber dank zig unterschiedlicher Szenarien und vielen sammelbaren Items ist der Wiederspielwert recht hoch, außerdem ist der Preis seit dem Release deutlich gesunken, wodurch die kurze Spielzeit heute viel weniger ins Gewicht fällt als noch zur Veröffentlichung. Etwas schade ist dabei jedoch, dass sich Cut-Scenes beim erneuten Durchspielen nicht überspringen lassen.
FAZIT:
Wir zitieren an dieser Stelle unseren Test von The Dark Pictures Anthology: House of Ashes: "Reden wir nicht lange um den heißen Brei herum: House of Ashes unterscheidet sich spielerisch kaum von Man of Medan und Little Hope. Wer die Dark-Pictures-Serie bisher nicht mochte, wird auch den dritten Teil nicht mögen. Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass Fans der Reihe bedenkenlos zugreifen können. Wir bekommen hier eben mehr vom Gleichen: Ein spielerisch seichtes, aber atmosphärisch und technisch gut umgesetztes Horror-Adventure, das mit seiner etwas trashigen Story rund fünf Stunden lang kurzweilige Unterhaltung bietet." - Fast das exakt selbe gilt auch für The Quarry. Das Abenteuer im hackettschen Steinbruch ist allerdings etwas länger, bietet eine unterhaltsamere Story und coolere Charaktere. Dementsprechend addieren wir unserer Wertung von damals einen halben Punkt hinzu. Ist The Quarry so spaßig wie Until Dawn? Nicht ganz, aber verdammt nah dran.