Kommentar

Das JRPG-Jahr 2022

Von Deniz Üresin am 01.01.2023

Wow, schon wieder ein Jahr rum. Vielleicht weiß der eine oder andere noch, wie ich 2016 im ursprünglichen Grinder’s Guide einen JRPG-Jahresrückblick veröffentlichte - mit dem Vorhaben, das fortan jedes Jahr zu tun. Nun, sechs Jahre später, gibt es endlich eine Fortsetzung! 2022 war, wie in letzter Zeit eigentlich jedes Jahr, mal wieder fantastisch für Freunde japanischer Rollenspiele. Egal, ob Xbox, PS4/5, Switch oder PC: für so ziemlich jeden war was dabei. Die schiere Flut an Veröffentlichungen macht es mir unmöglich, über jedes einzelne Spiel detailliert zu schreiben (vor allem, weil ich auch gar nicht alle selbst gespielt habe), aber ein paar Titel möchte ich auf jeden Fall beleuchten:

Pokémon:

Gut, ich habe kein einziges Pokémon-Spiel auf der Switch gespielt (abseits von Snap), aber erwähnen muss ich die neue Generation zumindest einmal kurz. Schon Ende Januar kam mit Pokémon Legenden Arceus ein Vorgeschmack - ein fast-Open-World-Spiel, in dem Pokémon mal wirklich in freier Wildbahn gefangen werden können. Dann läuteten im November Purpur und Karmesin die inzwischen 9. Generation ein und von allem, was ich so davon gehört habe, sollen die Spiele super sein, aber sehr stark mit technischen Problemen zu kämpfen haben - was bei einer so erfolgreichen IP natürlich nicht nachvollziehbar bis unverschämt ist. Ob ich mir je wieder ein Taschenmonster-Spiel gönne, steht derzeit noch in den Sternen, aber sollte Bedarf sein, hab ich ja sehr viel Auswahl - fast schon zu viel. Die richtige Strategie wil in solch einem Fall gewählt werden und das ist eine tolle Überleitung zum Kapitel über SRPGs.

SRPGs:

Japanische Strategie-Rollenspiele erleben gerade auch sowas wie ihren zweiten Frühling. Während Fire Emblem Awakening auf dem 3DS nicht nur die Serie rettete, sondern gleich das Genre, können wir uns aktuell kaum noch vor frischen SRPGs und Neuauflagen retten. Im März brachte SquareEnix’ Team Asano Triangle Strategy für die Switch heraus (inzwischen auch auf dem PC erhältlich), den geistigen Nachfolger zu Tactics Ogre und Final Fantasy Tactics im schicken HD-2D-Gewand - und einer meiner “Geheimtipps” des Jahres, denn ich fand das Spiel wirklich großartig. Neben der bildhübschen Optik gibt es spaßige rundenbasierte Scharmützel, tolle Charaktere und schwerwiegende Entscheidungen, die das Ende maßgeblich beeinflussen.

Mit DioField Chronicles legte SquareEnix im September fleißig nach - der Multiplatform-Titel soll durch eine tolle Story und eine Vermischung aus rundenbasierten und Echtzeit-Kämpfen herausstechen - gespielt hab ich aber ehrlich gesagt noch nicht einmal die Demo. Aktuell liegt es eher Irgendwo gaaaaanz weit hinten auf meiner Prio-Liste, sieht also nicht so gut aus gerade. Denn auch Tactics Ogre Re-Born buhlt um unsere Aufmerksamkeit. Das ebenfalls von SquareEnix gepublishte Remaster der PSP-Version des Spiels (die wiederum ein Remake des SNES-Originals ist) erschien, nachdem es ungefähr 52452mal geleaked wurde, im November zu unserer aller Überraschung tatsächlich für die meisten gängigen Plattformen (außer Xbox) und bietet eine echt verworrene Story, die vollgestopft mit politischen Intrigen ist und einen ordentlichen Schwierigkeitsgrad (zumindest empfand ich die ersten Kapitel auf der PSP, die ich gespielt habe, als gut fordernd). 

Gibt’s dieses Jahr auch SRPGs, die nicht von SquareEnix sind? Naja, nicht wirklich. Aber Fire Emblem hat immerhin ein Spin-Off bekommen. Fire Emblem Warriors: Three Hopes (24.06., Switch) erzählt alternative Stories zu Three Houses, ist aber kein Taktik-Rollenspiel, sondern ein Warriors-Spiel mit Three-Houses-Gameplay-Einlagen. Mir hat das Spiel auf jeden Fall extrem gut gefallen, die Spielelemente harmonieren super miteinander und es war echt schön, die ganzen lieb gewonnenen Charaktere aus Three Houses wiederzusehen. Three Hopes ist zwar keine richtige Fortsetzung, aber dieser Satz ist eine Überleitung zum Kapitel Fortsetzungen.

Lang ersehnte Fortsetzungen:

Nicht viele JRPG-Reihen schaffen es, über Jahrzehnte hinweg erfolgreich zu bleiben. Umso schöner ist es aber, wenn verloren geglaubte Serien unverhofft auf den Bildschirm zurückkehren! So erreichte uns im März mit Rune Factory 5 (Switch, PC) zwar kein gutes Spiel, aber immerhin ein Lebenszeichen der FarmSim-Action-RPG-Reihe, die wir alle für tot hielten, seit die Entwickler nach Teil 4 Insolvenz anmeldeten. Ich kann Teil 5 wirklich nicht empfehlen, denn es performt absolut unterirdisch und ist auch sonst abseits von ein paar kleinen Gameplayverfeinerungen in nichts besser als sein Vorgänger. Zum Glück ist ein neuer Ableger bereits in Entwicklung und der 3. Teil wird 2023 für die Switch geremastered. Aber nun wieder zurück zu SquareEnix, die tief in ihrer Mottenkiste gegraben und gleich zwei Karteileichen zum Vorschein gebracht haben: Valkyrie Profile und Star Ocean skippten beide die Switch und den Sensenmann mit jeweils einem neuen Teil: Valkyrie Elysium (23.09., PS4/5, PC) und Star Ocean: The Divine Force (27.10., PS4/5, Xbox, PC). Interesse habe ich tatsächlich an beiden Titeln, aber meine PS4-Zockzeit daheim am TV ist echt begrenzt und ich hab meine Switch 24/7 bei mir, sodass es noch ein Weilchen dauern kann, bis ich mir auch nur einen der beiden Teile ansehe. Ebenfalls leider nicht für die Switch erhältlich ist Soul Hackers 2. Die Fortsetzung des nun 25(!) Jahre alten Sega-Saturn-Spiels (welches auf dem 3DS ein Remake erhalten hat) ist stylisch und hat den Shin-Megami-Tensei-Namen fallen gelassen - will Atlus etwa ein 3. Standbein neben SMT und Persona aufstellen? 

Nicht ganz so lange mussten Xenoblade-Fans warten. Nach nur 5 Jahren erschien am 29.07. der letzte Teil der Trilogie, Xenoblade Chronicles 3, für die Switch und polarisierte mal wieder die Fangemeinschaft. Ob ihr zu Team “ist der schlechteste Teil der Reihe” oder zu Team “ist der beste Teil der Reihe” gehört - ihr müsst zugeben, dass das Spiel wirklich zum Nachdenken anregt. Auch ich habe meine Meinung zum Game nach dem Durchspielen mehrfach geändert und denke gelegentlich noch über das Ende und die möglichen Messages, die Takahashi uns mitteilen wollte, nach. Für ein großartiges Spiel und mein persönliches Game of the Year 2022 halte ich es nach wie vor. Nicht ganz so lang ersehnt, aber dennoch etwas unverhofft besuchte uns auch eine schrullige Alchemistin erneut. Mit Atelier Sophie 2 (24.02., Switch,PS4,PC) erschien nach Ryza 1 und 2 doch noch ein Titel in der Mysterious-Reihe, der zeitlich zwischen Sophie und Firis spielt, aber auch komplett unabhängig vom ersten Teil gespielt werden kann. Ich fand das Spiel wirklich toll, es ist um Welten besser als der erste Sophie-Teil, aber die Ryzas haben für mich persönlich die Nase vorn. Es gab dieses Jahr aber nicht nur Fortsetzungen alter Reihen, es gab auch einige recycelte Werke. 

Ports, Remasters, Remakes:

Tactics Ogre ist natürlich auf keinen Fall die einzige Neuauflage alter Schinken, die wir im Jahr 2022 serviert bekommen haben. Im Juli bescherte uns Team Asano mal wieder einen HD-2D-Leckerbissen: Live A Live (Switch) erreichte uns in diesem Remake zum ersten Mal im Westen, das ursprüngliche Super-Famicom-Spiel wurde nämlich nie lokalisiert. Ich spiele es gerade und finde den Ansatz mit den unterschiedlichen Mini-Geschichten in unterschiedlichen Epochen wirklich cool. Wo wir schon dabei sind: Auch NIS America spendierte uns im September altes, aber eigentlich neues Futter: The Legend of Heroes: Trails from Zero (Switch, PS4, PC) erschien bisher nämlich auch nie offiziell im Westen. Das fehlende Kapitel zwischen Trails in the Sky und Trails of Cold Steel wird bald komplett geschlossen: Trails of Azure erscheint nämlich noch dieses Jahr. Zero ist aber nicht das einzige PSP-Spiel, das eine Neuauflage bekommen hat: Noch im Dezember erhielten wir mit Crisis Core: Final Fantasy VII Reunion (Switch, PS4/5, PC) das Prequel zum Welthit Final Fantasy VII, in dem wir Missionen mit Zack Fair abschließen können. Zu guter Letzt gab es im Oktober gleich zwei Ports neuerer Spiele für die Switch, die sich Fans auf diversen Social-Media-Platformen hart erportbeggen mussten: Nier Automata und Persona 5 Royal. Damit sind beide Games (die übrigens grandios sind) nun endlich auf allen aktuellen Konsolen erhältlich.

Was gab’s sonst so?

In keine der oben genannten Kategorien fallen Harvestella (04.11., Switch, PC) und Dragon Quest Treasures (09.12., Switch). Beide Titel sind von SquareEnix und eher nischig angehaucht: Harvestella will sich als storydriven Konkurrent zu Rune Factory aufbauen und DQ Treasures ist ein knuffiges kleines Spin-Off von Dragon Quest XI, in dem Erik und seine Schwester Mia als Kinder in einem Paralleluniversum Monster fangen und Schätze suchen können. Ein paar Worte möchte ich am Ende aber noch über Monster Hunter Rise: Sunbreak (30.06., Switch, PC) verlieren: die Erweiterung ist wirklich massiv und verdoppelt den ohnehin schon gewaltigen Umfang des Basisspiels. Neue Monster wie Lunagaron und Malzeno halten euch mit ihren kreativen Angriffsmustern auf Trab, alte Monster wie Seregios und Mondlicht-Nargacuga wurden interessant neu aufgelegt, sodass sich selbst Veteranen nicht allzu sicher fühlen dürften. Wer Bock auf Ko-Op-Multiplayer-Grinding-Sessions hat, kann sich gerne in unserem Discord melden! Rise und die Erweiterung erscheinen dieses Jahr übrigens auch für PlayStation und Xbox - allerdings leider ohne Cross-Save und -Play. 


So, das wären eigentlich alle interessanten JRPGs, die 2022 erschienen sind - auf jeden Fall mehr als mir lieb gewesen wäre! Ach ja, Elden Ring kam noch irgendwann im Februar raus. Aber ist nicht so meins. 

Ist es vielleicht eures? Was waren eure JRPG-Highlights 2022? Worauf freut ihr euch 2023?

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1 Kommentar:
Buttergebäck)
Buttergebäck
Am 02.01.2023 um 08:40
Mein Highlight 2022 war streng genommen ein Spiel, dass schon 2018 rauskam, nämlich Octopath Traveler. Damals hatte ich zwar die acht Hauptstorys der Charaktere abgeschlossen, hatte es dann aber versäumt mich noch mit dem wahren Ende des Spiels auseinanderzusetzen. Diesen Februar hatte ich mich dann dazu überwinden können im Internet nachzuschauen, wie man dieses überhaupt erreicht. Und was soll ich sagen, was einem da zum Schluss sowohl bezüglich Story-Enthüllungen als auch des Gameplays geboten wird, das ist die absolute Höhe der Kunst. Dass sich der tatsächliche finale Boss des Spiels hinter einer Reihe von leicht zu übersehenden "Neben-"Quests versteckt, deren Tragweite sich erst ganz am Ende offenbart, mag eine sehr fragwürdige oder auch eine brillante Design-Entscheidung sein. In jedem Fall macht dies das aber ein auch so schon herausragendes Spiel zu einem unvergesslichen Werk. Als ich dann im September den Trailer zu Octopath Traveler 2 gesehen habe war ich gerade schon im nächsten Durchlauf des ersten Teils, und konnte die Tränen nicht völlig unterdrücken.

Was Karmesin/Purpur angeht: Eine neue Pokemon-Generation ist für mich immer ein Riesenereignis, größer als Weihnachten und Fußball-WM zusammen. Und was die neuen Pokemon angeht leisten sich die Editionen auch fast keine Blöße, die neueren Generationen treffen meine Geschmack sogar besser als die älteren. Ja, die meisten alteingesessenen Hardcore-Fans werden mich für die Aussage wahrscheinlich hauen. XD Und obwohl die Serie in den letzten Jahren viele facepalm-würdige Neuerungen erdulden musste, hat es Karmesin/Purpur aber geschafft auch viele richtig gute Änderungen einzubauen. Dass die Kämpfe z.B. nicht mehr in eigens animierten Arenen stattfinden sondern immer genau da, wo sie eben gerade in der Welt stattfinden, habe ich am Anfang skeptisch gesehen. Jetzt will ich es aber nicht mehr missen. Die Qualität der Open World schwankt leider stark über die verschiedenen Regionen hinweg. Aufgrund eines bestimmten Kniffs, den ich hier nicht spoilern will, hatte ich aber später eine große Motivation, wirklich jeden Winkel erkunden zu wollen.
Und die Stärke des Spiels, die ich am wengisten erwartet hatte, ist seine Story. Besonders, da Schwert/Schild in dieser Hinsicht ein ziemlicher Totalausfall waren. Diesmal hat die Story echte Spannung, herzzerreißende Momente, schneidet vorsichtig gesellschaftliche Themen an und hat gegen Ende einen für Pokemon-Verhältnisse ziemlich krassen und düsteren Plottwist, der in ein ernsthaft fesselndes Finale mündet.
Und ja, es sieht über weite Strecken aus, als wäre es ein schlecht emuliertes 3DS-Spiel, an vielen Stellen bietet es aber auch sehr schöne Szenerien, besonders wegen den gelungenen Lichteffekten. Wie sehr einen das stört muss jeder selbst wissen, mir persönlich war es phänomenal egal. Und auch wenn das Spiel sicher nicht perfekt ist, halte ich es auf jeden Fall für einen ganz großen Schritt in die richtige Richtung.
Denios)
Denios
Am 03.01.2023 um 09:51
Das macht ja fast doch schon Lust auf Karmesin/Purpur :D

Ja, Octopath's True Final Boss finde ich super episch (vor allem die Musik