Return to Monkey Island
Vor kurzem fragte mich einer meiner Schüler (aus einer 6. Klasse) was ich gerade zocken würde. Ich antwortete wahrheitsgemäß: „Return to Monkey Island.“
Der fragende Blick, der mir daraufhin zugeworfen wurde, machte klar: Der Junge hatte noch nie von Monkey Island gehört. Tatsächlich ist das wenig verwunderlich, schließlich erschien der erste Teil der Serie vor mehr als dreißig Jahren, der letzte Serienableger 2009, also immerhin noch zwei Jahre vor seiner Geburt. Seine Unwissenheit konnte ich ihm zu diesem Zeitpunkt also nur schlecht verübeln, die darauffolgende Frage „Ist das ein Shooter?“ schien mir jedoch fast wie Majestätsbeleidigung und führte zu einem längeren Gespräch über die altehrwürdige Point-&-Click-Adventure-Reihe.
Für alle, die es nicht wissen: The Secret of Monkey Island wurde 1990 veröffentlicht. Ein Jahr später folgte mit Monkey Island 2: LeChuck’s Revenge ein zweiter Teil. Wieso ist das wichtig? Weil dieser zweite Teil mit Return to Monkey Island, jetzt im Jahre 2022, eine Fortsetzung gefunden hat. Das Entwicklerstudio Terrible Toybox unter der Leitung von keinem anderen als Serienschöpfer Ron Gilbert lässt uns einmal mehr in die Rolle des sympathischen Möchtegern-Piraten Guybrush Threepwood schlüpfen. Wir haben die PS5-Version des Spiels für euch getestet und verraten euch, ob es an die guten alten Zeiten anknüpfen kann.
Run, Guybrush, run
Die ersten Minuten von Return to Monkey Island gleichen einem Tutorial, das uns mit der Steuerung und vor allem der Menüführung des Spiels vertraut machen soll. Der Charakter, den wir steuern dürfen, ist dabei überraschender Weise zunächst nicht Guybrush Threepwood, sondern ein Dreikäsehoch, bei dem es sich um Guybrushs Sohn Boybrush handelt. Mit Boybrush und seinem Kumpel Chuckie erkunden wir einen kleinen Freizeitpark, ehe wir erstmals einen leicht gealterten Guybrush zu sehen bekommen. Dieser sitzt wie in einer Homage an Forrest Gump auf einer Parkbank und berichtet seinem Sohn fortan von einem seiner Abenteuer.
Bei besagtem Abenteuer geht es selbstredend wieder um Guybrushs Suche nach dem sagenumwobenen Geheimnis von Monkey Island, das er unbedingt vor dem Zombie-Piraten LeChuck lüften möchte. Die unterhaltsame, familienfreundliche Story mit unzähligen lustigen Dialogen (wahlweise auf Englisch oder Deutsch) ist dabei gespickt mit Anspielungen auf frühere Teile der Serie. Ein Sammelbuch, das vom Pausenmenü aus aufrufbar ist, arbeitet die Story der ersten beiden Teile zumindest grob wieder auf, außerdem gibt es optionale Quizkarten, mit Fragen zur Serie, die über die ganze Inselwelt verstreut sind.
Polarisierender Grafikstil
Apropos Inselwelt: Schauplätze sind wieder einmal Melèe Island und natürlich Monkey Island, aber auch LeChucks Piratenschiff. Die sind allesamt schön gestaltet, dürften rein optisch aber trotzdem nicht jedem Spieler gefallen. Letzteres liegt mitnichten an irgendwelchen Bugs oder anderen Performance-Problemen, die gibt es in der von uns getesteten PS5-Version nämlich löblicherweise gar nicht. Stattdessen ist es der gewählte Grafikstil, der polarisieren kann. Bisweilen sieht die kantige, stark stilisierte Grafik so aus, als hätte man Picasso höchstpersönlich bei der Gestaltung der Charaktere mitreden lassen. Guybrush, seine Flamme Elaine, Le Chuck, die Schlosserin Locke Smith, der Kartenhersteller Wally und andere bekannte Figuren sahen noch nie zuvor so eckig und flach aus und erinnern zum Teil an Zeichentrickfilme der frühen 90er Jahre.
Ron Gilbert kommentierte den Grafikstil in seinem Blog noch vor dem Release mit: „Return to Monkey Island mag nicht den Kunststil bieten, den ihr wolltet, aber den Kunststil, den ich wollte.“ Er befürchtete ursprünglich wohl, dass Disney (neuer Eigentümer der Monkey-Island-IP) ihm keine künstlerischen Freiheiten lassen würde. Diese Furcht bezeichnete er später als unbegründet und fügte hinzu: „Ich will nicht den Druck verspüren, das Spiel machen zu müssen, das ihr [die Fans] von mir erwartet.“ Return to Monkey Island sei allerdings, so Gilbert, wie eine Achterbahnfahrt, mit der man unabhängig vom Grafikstil viel Spaß haben könne, und das können wir nach unserem Test nur bestätigen.
Stimmiger Rätselspaß
Unabhängig vom eigenen Geschmack gewöhnt man sich im Laufe des rund zehn Stunden langen Spiels zweifellos an die abstrahierte Präsentation und konzentriert sich mehr und mehr auf die humorvollen Dialoge und die gelungenen Rätsel. Letztere sind weder zu leicht noch zu schwer und bestehen, wie in Point-&-Click-Adventures üblich, aus dem genauen Untersuchen der Schauplätze, sowie dem Finden und Einsetzen diverser Items. Für Spieler, die weniger auf Denksport stehen, gibt es einen einfachen Modus, bei dem manche Rätsel etwas entschärft wurden, außerdem liefert ein magisches Buch optionale Hinweise, die beim Lösen helfen sollen. Kritisieren könnte man hier höchstens, dass das Item-Menü mit vielen unnützen Gegenständen etwas unübersichtlich werden kann. Das ist allerdings Meckern auf hohem Niveau. Insgesamt wissen die meisten Rätsel genau wie die Story gut zu unterhalten. Erwähnenswert ist zudem, dass sowohl für die englische als auch die deutsche Sprachausgabe viele Synchronsprecher früherer Teile der Serie zurückgewonnen werden konnten, was dem ohnehin schon enormen Nostalgiefaktor des Spiels noch ein paar Bonuspunkte beschert. Letzterer Nostalgiefaktor ist aber Fluch und Segen zugleich. Die meisten Fans der Serie werden mit Return to Monkey Island hochzufrieden sein, viele jüngere Spieler bekommen dagegen "nur" ein nettes Point-&-Click-Adventure, das zwar kurzweilige Unterhaltung bietet, aber vor allem bezüglich des Gameplays im Vergleich mit moderneren Titeln genrebedingt etwas altbacken daherkommt.
FAZIT
Return to Monkey Island fühlt sich trotz des neuen Grafikstils wie ein Ausflug in die Vergangenheit an - auf gute Art und Weise. Die Elemente, die vergangene Teile der Serie zu absoluten Klassikern machten, sind auch hier präsent: Abgefahrene, sympathische Charaktere, lustige Dialoge, fordernde Rätsel und jede Menge Humor. Alte Fans der Reihe, die mit einigem Vorwissen daherkommen, haben aber definitiv mehr von dem Spiel als junge Spieler, die jetzt zum ersten Mal auf die Affeninsel reisen. Letztere müssen auf einen Nostalgiebonus verzichten, bekommen aber trotzdem ein überdurchschnittlich gutes Point-&-Click-Adventure mit lediglich kleineren Schwächen.