Test

Nobody Saves the World

Von Robert Emrich am 27.01.2022

Action-Adventures, die mehr oder weniger erfolgreich und bewusst in die übergroßen Fußstapfen von Nintendos The Legend of Zelda: A Link to the Past treten, gibt es wie Sand am Meer. Doch nur wenige versuchen sich dabei mit so viel Humor und Abgedrehtheit vom Vorbild abzuheben, wie das neue Spiel der Guacamelee!-Macher, das jetzt auf dem PC und der Xbox verfügbar ist. Wir haben uns das Spektakel einmal genauer angesehen und für euch getestet, ob der Titel alleine und im Koop etwas taugt.

Niemand rettet ohne Hose die Welt

Die Geschichte beginnt so kurios, wie es auch das Spiel selber ist, als eure Spielfigur mit dem Namen “Nobody” ohne Erinnerungen oder Hose in einer kleinen Hütte zu sich kommt. Die Lösung für beide Probleme, da sind sich die Dorfbewohner einig, ist der örtliche Zauberer Nostramagus. Doch der ist leider verschollen und hinterlässt nur einen Assistenten, der weder willens noch fähig ist, euch zu helfen und einen mysteriösen Zauberstab mit der Anweisung, dass der Assistent ihn nutzen soll, um seinen Meister zu retten. Eine klare Ansage, die unseren Helden selbstverständlich nicht davon abhält, den Zauberstab einfach selber einzustecken, um mit ihm den Kampf gegen das der Welt drohende Desaster aufzunehmen und den Zauberer zu befreien. 

Die Handlung erfindet das Rad nicht neu und muss immer mit dem Humor genommen werden, den die Entwickler an jeder freien Stelle auf Teufel komm raus haben einfließen lassen. Und doch trägt sie euch durch das Spiel und bietet einen akzeptablen Aufhänger für die kommenden 20 Stunden, die ihr zum Retten der Welt benötigen werdet.

Niemand möchte eine Zombie-Schnecke sein

Nobody Saves the World ist ein klassisches Action-Adventure mit einem weitestgehend klaren Verlauf: Aus der Vogelperspektive steuert ihr euren Charakter beliebig über die Weltkarte, besucht Dungeons und erledigt alle möglichen Aufgaben, um mit der Zeit immer stärker zu werden. Mit steigenden Leveln erschließt sich euch die Welt immer weiter und weiter, bis das Spiel letztlich durchgespielt ist. Soweit ist also alles wie immer. Spannend wird das Abenteuer durch die unterschiedlichen Formen, die Nobody nach und nach erlernt und die alle neue Fertigkeiten mit sich bringen: Ratten können sich durch ansonsten unpassierbare Bereiche zwängen, Geister können über Wasser schweben und Ritter halten eine Menge im Nahkampf aus. Insgesamt 17 Formen könnt ihr für Nobody freischalten, die dem Spiel allesamt mehr oder weniger nützliche Mechaniken hinzufügen. Dabei habt ihr in einem Fähigkeitenbaum zumindest leichten Einfluss darauf, welche Formen ihr als nächstes bekommt, da die Freischaltung immer ein bestimmtes Level voraussetzt, das ihr mit einer spezifischen Form individuell erreichen müsst. Weitere Aufwertungen und andere für das Spiel nützliche Fertigkeiten könnt ihr gegen Gold bei Händlern erstehen. Das Gold selber erhaltet ihr neben Snacks, die eure Gesundheit wieder auffüllen, von besiegten Gegnern und zerstörten Gegenständen überall in der Welt. 

Für weitere Komplexität sorgt im späteren Spiel die Möglichkeit, die Fähigkeiten der Charaktere untereinander auszutauschen. Ein Zombie mit den Fähigkeiten eines Drachen oder eine Schnecke die Pfeile schießen kann und mit dem Galopp des Pferdes unterwegs ist? Kein Problem. Eurer Fantasie sind kaum Grenzen gesetzt und nur wenige Situationen im Spiel erfordern einen spezifischen Helden oder eine ganz bestimmte Fähigkeit, während ihr euch die meiste Zeit über frei austoben dürft.

Diese Freiheit, gepaart mit den möglichen höheren Schwierigkeitsgraden, verleiht dem Titel auch einen gewissen Wiederspielwert, wobei die Welt immer denselben festen Aufbau mit denselben Gegnern hat. Wer also auf prozedural generierte Dungeons gehofft hat, wird leider enttäuscht. Davon abgesehen ist das Gameplay aber in weiten Teilen des Spiels sehr gut und bietet kurzweilige Unterhaltung, die auch durch das immer komplexer werdende System der austauschbaren Fähigkeiten nicht ins Stocken gerät.

Niemand kämpft gerne zu zweit

Dass geteilte Freude die schönste Freude ist, haben auch die Entwickler bei Drinkbox Studios grundsätzlich verstanden und euch in Nobody Saves the World dementsprechend die theoretische Möglichkeit gegeben, das Abenteuer kooperativ an der Seite eines Freundes zu bestreiten. Praktisch sieht es aber ganz anders aus, denn das Feature wurde dem Spiel allen Anschein nach nachträglich und nicht komplett durchdacht hinzugefügt.

Das beginnt schon damit, dass ihr den Titel zwar über das Internet zusammen spielen könnt, ein naheliegender Couch-Koop-Modus aber komplett fehlt, obwohl viele Mechaniken gerade auf Letzteren hindeuten und nur in diesem Sinn ergeben. So muss sich euer Begleiter, wenn ihr das Spiel leitet, immer im Bereich eures sichtbaren Bildschirms aufhalten. Tut er das nicht, stirbt sein Charakter nahezu augenblicklich und wird nach einigen Sekunden an eurer Seite wiedergeboren. Ebenfalls merkwürdig ist die Tatsache, dass der Spielfortschritt ausschließlich beim Spielleiter gespeichert wird. Euer Freund kann das Spiel also nicht ohne euch fortsetzen, während ihr jederzeit und auch alleine weitermachen könnt, wenn euch danach der Sinn steht. Abgerundet wird die Liste fragwürdigen Eigenheiten des Modus durch die Funktion, dass alle Charaktere zwanghaft zu einem NPC teleportiert werden, sowie einer von euch ihn anspricht. 

Trotz all dieser Eigenheiten bietet der Modus gerade unerfahrenen Spielern aber auch einen spürbaren Vorteil, da sich Gegner zu zweit deutlich einfacher besiegen lassen und Dungeons bei einem Bildschirm-Tod nicht neu gestartet werden müssen, solange der Mitstreiter in den Sekunden des Respawns nicht ebenfalls stirbt. Außerdem könnt ihr zu zweit gleich zwei Formen parallel leveln, was das Spiel ebenfalls vereinfacht und es gerade für Eltern, die mit ihrem Kind zusammen spielen möchten, attraktiv machen würde - gäbe es nur einen Couch-Koop-Modus…

Niemand sieht gut aus

Sieht man von den Eigenheiten des kooperativen Modus einmal ab, macht Nobody Saves the World technisch aber eine sehr gute Figur. Besonders die wunderschöne, handgezeichnete Grafik verdient hier Erwähnung, die mit allerlei bewusst unauffällig gestalteten Grafik-Effekten zusätzlich akzentuiert wird und hervorragend zu der kruden Geschichte der Welt passt, in der sich die Handlung abspielt. Auch akustisch hat sich Drinkbox nicht lumpen lassen und den Musiker Jim Guthrie einen Soundtrack basteln lassen, der fast so vielseitig wie die Grafik ist, sich in einigen Gebieten aber dann doch abnutzt, wenn man eine Zone etwas genauer durchsucht und dasselbe Stück Musik als Endlosschleife immer wieder und wieder hört. Hier wäre ein bisschen weniger mehr gewesen.

Die Steuerung verrichtet ebenfalls anständige Arbeit und funktioniert dank der guten Tastenbelegung durchgehend problemlos und reaktionsschnell und auch die Ladezeiten sind so zügig, wie man es von einem Spiel auf einer aktuellen Konsole erwarten kann. Insgesamt vermittelt das Spiel den Eindruck, dass es auch auf anderen Konsolen wie der Nintendo Switch sehr gut gefallen und funktionieren könnte. Es bleibt zu hoffen, dass Drinkbox eine entsprechende Version bei Zeiten nachreicht und im Idealfall auch das Crossplay erweitert, das aktuell nur zwischen Xbox und der in der Xbox-App gekauften PC-Version funktioniert, während Steam-Spieler unter sich bleiben müssen.

Niemand zieht ein Fazit:

Nobody Saves the World verbindet eine humorvolle Handlung mit einem interessanten Spielkonzept und einer großartigen handgezeichneten Grafik zu einem an sich sehr guten Spiel. Es ist aber auch einer der wenigen Titel, die es mit einem zusätzlichen Feature schaffen, ihren guten Eindruck negativ zu beeinflussen, was das Spiel in seiner Gesamtwertung einen halben Punkt kostet. Denn ein Koop-Modus ist für manche Spieler ein wesentlicher Kaufanreiz und das, was Drinkbox in diesem Fall abliefert, entspricht weder dem allgemeinen Standard, den man beim Kauf eines solchen Titels erwarten kann, noch dem hohen Niveau, das das Studio mit den beiden “Guacamelee!”-Teilen erreichen konnte.

Das muss euch, wenn ihr Nobodys Abenteuer eh lieber alleine spielen wolltet, natürlich in keinster Weise beeinflussen und sollte auch euren Spielspaß nicht schmälern, sodass ihr mit dem Spiel zum aufgerufenen Preis kaum etwas falsch machen könnt. Wenn ihr aber am liebsten zu zweit in Kämpfe zieht und aus diesem Grund mit Nobody Saves the World liebäugelt, solltet ihr euch über die Nachteile im Klaren sein oder alternativ zu einem der anderen Spiel greifen. 

Niemand hat eine zweite Meinung: 

Nico: Auf ihrem ersten Ausflug ins RPG-Genre mischten die Kanadier von Drinkbox Studios Altbewährtes mit Unerwartetem - lediglich Terence Hill habe ich in der Story des Rollenspiels ein wenig vermisst. Mit den Western-Klassikern des legendären Sprücheklopfers hat neue Spiel allerdings nicht allzu viel gemein, außer natürlich die gekonnt eingestreuten humoristischen Elemente. Diese sind in eine Spielwelt eingebettet, die gängige Konventionen gerne bricht und uns ebenso frische wie abwechslungsreiche Gebiete und Dungeons präsentiert - zumindest nach dem ersten Hauptdungeon. Zu diesem Zeitpunkt lässt uns die ansonsten lineare Story auch am meisten Freiheiten bei der Wahl der nächsten Route, letztendlich ist die Spielwelt aber vor allem durch die Level der Gegner begrenzt, da wir schon bei einigen Stufen Unterschied keine Chance mehr haben.

Bei levelmäßig ausgeglichenen Kämpfen bleibt das Spiel freilich immer sehr fair, wenn auch stellenweise fordernd. Vor allem bei massiven Gegnerwellen kann die ansonsten gute Übersicht schonmal abhanden kommen, solche Momente kommen aber selten vor. Die größte Herausforderung und zugleich der beste Einfall der Entwickler sind sicherlich die Schutzzauber der Gegner, die nur mit der jeweils passenden Angriffskategorie durchbrochen werden können. Jeder Angriff fällt in eine der Kategorien Scharf, Stumpf, Hell oder Dunkel, theoretisch könnte also jeder der vier Angriffsknöpfe mit je einer dieser Typen belegt werden. Wirklich ideal ist das für Kämpfe allerdings nicht, schließlich haben die verschiedenen Formen auch ganz unterschiedliche Stärken und Schwächen, sodass wir durch diesen eher simplen Trick ständig dazu gezwungen werden, neue Formen und Kombinationen auszuprobieren. So entgeht das Spiel dem Problem vieler Dungeon Crawler, nämlich das Versteifen auf nur eine einzige Klasse.

Es ist sicher schon aufgefallen, dass ich das RPG insgesamt etwas positiver bewerten würde als Kollege Robert, aber das könnte auch daran liegen, dass ich den Online-Koop-Modus, den Drinkbox aufgrund einer Vorgabe von Microsoft ins Spiel eingebaut hat, nicht ausprobiert habe. Für Solisten gibt es hier jedenfalls ein hervorragend spielbares Rollenspiel mit schöner Grafik, handgemachten Dungeons, großer Gegnervielfalt und tatsächlich recht hohem Wiederspielwert, trotz der mindestens 20 Stunden Spielzeit (die Ladezeiten sind übrigens auch auf der Xbox One angenehm flott). Da kann man wenig falsch machen.

Unsere Wertung:
7.5
Robert Emrich meint: "Verrückter Spaß, der im Koop aber Schwächen aufweist."
Nobody Saves the World erscheint für PC und XBox One und XBox Series. Wir haben die Version für XBox Series getestet. Für diesen Test wurde uns ein Rezensionsexemplar von Drinkbox Studios zur Verfügung gestellt.
Nur registrierte Benutzer können Kommentare verfassen. Jetzt registrieren
3 Kommentare:
Tobsen)
Tobsen
Am 27.01.2022 um 19:10
Mit dem verkorksten Coop-Modus ist schon mies. Ich denke, ich skippe es.
Asinned)
Asinned
Am 29.01.2022 um 09:49
Danke für den Tests. Sollte es irgendwann mit Couch Coop auf PS5 kommen, dann würde ich es kaufen. Bis dahin schade
Denios)
Denios
Am 30.01.2022 um 17:28
Mich spricht der Artstyle leider überhaupt nicht an.