Test

The Company Man

Von Robert Emrich am 21.01.2022

Eigentlich ist “The Company Man” nicht ganz so neu, wie man vielleicht glauben würde. Denn der Titel wurde von dem kleinen malaysischen Indieentwickler Forust Studio bereits im letzten Sommer auf dem PC veröffentlicht, wo er bei den meisten Spielern sehr gut abschnitt. Doch jetzt gibt es das humorvolle Jump’n’Run auch für die Nintendo Switch und wir haben uns das Spiel, in dem Praktikanten auch schon mal als Wurfgeschosse herhalten müssen, für euch noch einmal genauer angesehen.

Allein gegen alle

Die Arbeit bei der Good Water Company, dem örtlichen Hersteller von Mineralwasser, ist kein Zuckerschlecken. Das wird eurer Spielfigur Jim bereits am ersten Tag klar, nachdem er im Anschluss an seine Einarbeitung unschuldig in die sprichwörtliche Hölle des Kundensupports strafversetzt wurde. Natürlich lässt sich unser Held die Ungerechtigkeit nicht so einfach gefallen und beschließt kurzerhand, einfach selber der oberste Chef der Firma zu werden, um die ungeliebten Vorgesetzten, die an seiner Versetzung schuld sind, feuern zu können. Mit diesem Ziel vor Augen kämpft ihr euch an der Seite von Jim, bewaffnet mit Tastatur und Spam-Mail-Kanone, durch die einzelnen Etagen und die Hierarchie der Firma, um CEO zu werden und letztlich herauszufinden, was im Leben wirklich wichtig ist.

Die Geschichte erfindet das Rad, wie es für das Genre üblich ist, nicht neu, entwickelt mit kurzen Abstechern in Jims Vergangenheit aber sogar ein wenig Tiefgang, ohne sich zu sehr in den Vordergrund zu drängen. 

Laufen, springen, Keyboard schwingen

Der Kampf durch die Stockwerke der Good Water Company gestaltet sich wie ein urtypisches Jump’n’Run. Jedes der einzelnen Stockwerke entspricht dabei einem schlauchförmigen Level, durch den ihr euch vorbei an den Gegnern spielt, um am jeweiligen Ende gegen einen Endgegner anzutreten. Dabei stehen euch neben dem Sprung und eurem Tastatur-Schwert auch noch ein Dash zum schnellen Ausweichen sowie die Spam-Mail-Kanone für Fernangriffe zu Verfügung, die nach jedem Endgegner eine neue Funktion erhält. Ist ein Endgegner besiegt, geht es zurück in die Lobby, in der ihr an der Rezeption Zutritt zur nächsten Etage erhaltet, mit den Fahrstühlen aktuelle und vorher besuchte Level besuchen könnt und beim Coffeeshop Upgrades für eure Ausrüstung kauft. Das Geld hierfür erhaltet ihr von besiegten (das Spiel bezeichnet sie als “gefeuerten”) Angestellten in den Leveln und gelegentlich von besonderen, in den Leveln versteckten Münzen.

Jedes Level stellt eine andere Abteilung der Firma dar und hat komplett eigene Gegner, die euch mit unterschiedlichen Angriffsmustern ans Leder wollen. Im Kundensupport erwarten euch feuerspeiende Telefonistinnen, im Marketing auf Wolken schwebende Hippies, die euch mit iPads bewaffnet mit Dislikes beschießen und im Vertrieb Werwölfe und Vampire, um nur einige der vielen Gegner zu nennen, die euch erwarten. Zwischen all diesen Gegnern und diversen Jump’n’Run-Passagen findet ihr immer wieder Kaffeemaschinen, an denen ihr eure Lebensenergie auffrischen und das Spiel automatisch speichern könnt, um bei einer Niederlage (oder auch Entlassung) an dieser Stelle wieder von vorne zu beginnen. Weil die Level ansonsten weitestgehend problemlos zu bewältigen sind, sind es gerade diese Kaffeemaschinen, die den Schwierigkeitsgrad des Spiels ein wenig nach oben schrauben, da der Abstand zwischen ihnen von Level zu Level immer weiter wächst. So solltet ihr in späteren Leveln ein wenig vorsichtiger sein, verliert aber selbst im Extremfall nie mehr als ein paar Minuten Fortschritt. Vor Bossen speichert das Spiel so oder so automatisch, was auch ganz gut ist, da zumindest einige von ihnen euch mehr als einen Versuch abverlangen werden, während manche überraschend einfach zu besiegen sind. Grundsätzlich kann aber jeder Gegner ohne große Mühen besiegt werden, nachdem ihr seine Angriffsmuster durchschaut habt. Das Spiel bleibt in seinen etwa vier Stunden Spielzeit also immer fair. Wer danach noch mehr Lust auf Jims Kampf gegen das System hat, kann das Abenteuer außerdem in zwei weiteren, schwereren Schwierigkeitsgraden erneut angehen.

Selten hohl, meistens top

Neben dem wunderbar humorvoll animierten Jim sind die Level die heimlichen Stars des Spiels, die dank der handgezeichneten Grafiken toll in Szene gesetzt wurden. Wer selber schon einmal in einer größeren Firma gearbeitet hat, wird die Vorurteile und Klischees kennen, die zu einzelnen Abteilungen gehören, und in diesem Spiel findet ihr sie alle wieder. Egal, ob ihr in der Hölle des Kundensupports, der eisigen Welt der Finanzen oder in den luftigen Weiten des Marketings unterwegs seid, in denen die Realität reine Nebensache ist: Überall begegnen euch witzige Anspielungen, die euch aber auch ohne Berufserfahrung gut unterhalten können. So wird The Company Man aufgrund der vielen neuen Gebiete und seiner vergleichsweise kurzen Spieldauer nie langweilig und spielt sich angenehm zügig. Dennoch kommt es vereinzelt vor, dass man sich unwillkürlich fragt, warum die Leveldesigner an der einen oder anderen Stelle nicht ein paar mehr Gegner in den Leveln platziert haben, wenn man zum Beispiel zehn Sekunden lang einen geraden Gang entlang läuft, ohne einem Gegner oder einem anderen Hindernis zu begegnen. Diesen stellenweise empfundenen Mangel an Substanz hätte Forust Studio vergleichsweise einfach umgehen können, um das Spiel damit in späteren Leveln auch etwas schwerer zu machen. Tragisch ist das aber nicht. 

Ähnlich wie die Grafik hat auch die Akustik viel zu bieten. Jedes Level besitzt einen ganz eigenen Soundtrack, in dem passend zum Thema verschiedene Geräuscheffekte verarbeitet wurden. Eine echte Sprachausgabe bietet das Spiel, abgesehen von ein paar “Lalala”-Sprach-Effekten, zwar nicht, dafür gibt es aber sauber übersetzte Untertitel, mit denen man den Dialogen in der Handlung gut folgen kann. Auch die Steuerung funktioniert grundsätzlich sehr gut, kann aber vereinzelt zu Problemen führen, wenn man erst das Ende der Animation abwarten muss, ehe man die nächste Aktion ausführen kann. Die durchgehend zügigen Ladezeiten runden den technisch positiven Eindruck des Spiels ab, sodass sich Jims Abenteuer auf der Nintendo Switch rundum gut anfühlt. 

Fazit:

The Company Man ist eines dieser Spiele, denen man seine Schwächen aufgrund seiner überwiegenden Stärken gerne nachsieht. Die Handlung ist unterhaltsam, die Level-bildenden Abteilungen samt der Gegner stilistisch grandios in Szene gesetzt und auch das Gameplay ist zum größten Teil schlicht super. Dass das Spiel an einigen Stellen etwas konsequenter bei seiner Schwierigkeit sein könnte, um auf diese Art auch ein wenig mehr an Umfang zu gewinnen, ist unbestritten und lässt den Titel im Vergleich mit anderen Plattformern vielleicht ein wenig blass wirken. Für sich betrachtet ist The Company Man aber ein tolles Spiel, das auch technisch sehr gut präsentiert wird und Jump’n’Run-Freunden einen Blick wert sein sollte.

Unsere Wertung:
7.5
Robert Emrich meint: "Spaßiges Abenteuer, dem ähnlich wie seiner Hauptfigur ein wenig Speck auf den Rippen fehlt."
The Company Man von Forust Studio erscheint für PC und PlayStation 4 und Nintendo Switch und XBox One. Wir haben die Version für Nintendo Switch getestet. Für diesen Test wurde uns ein Rezensionsexemplar von Leoful zur Verfügung gestellt.
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