Test

Mario Golf: Super Rush

Von Andreas Held am 29.06.2021

Super Rush!

Mittlerweile gibt es kaum eine Sportart, an der Mario und seine Konsorten nicht mitgewirkt haben. Doch während die Ausflüge in Disziplinen wie Baseball oder Fußball eher sporadisch waren, lassen sich drei echte Dauerbrenner identifizieren: Kartfahren, Tennis und Golfen gehören klar zu den Lieblingshobbys der Bewohner des Pilzkönigreichs. Bereits Anfang der 90er Jahre, noch bevor an Mario Kart überhaupt zu denken war, startete Nintendos Vorzeigefigur (in NES Open Tournament Golf auf dem NES) ihren ersten Ausflug auf virtuelle Grünanlagen. Schon damals etablierten Golf-Videospiele das Drei-Klick-System zur Ausführung von Schlägen: Mit dem ersten Knopfdruck starten wir unseren Schlag, der zweite legt die Schlagstärke fest und der dritte die Genauigkeit. So weit, so simpel.

Als Grundschüler, der seinerzeit Mario Golf auf dem Game Boy besaß, kam ich mit diesem Schlagsystem wunderbar zurecht - doch für die heutige Jugend ist es offenbar zu kompliziert, sodass es in Super Rush zu einem Zwei-Klick-System vereinfacht wurde. Der dritte Knopfdruck, der die Genauigkeit festlegt, entfällt im Switch-Titel einfach. Auch an vielen anderen Stellen wurde das Spielsystem spürbar simplifiziert: Selbst aus dem Rough und aus Sandbunkern lassen sich halbwegs präzise Schläge auch über recht große Distanzen durchführen, und Wettereffekte wie Wind und Regen haben kaum Einfluss auf die Flugbahn des Golfballs. Beim Putten bleibt die Fahne im Loch stecken, sodass ein zu fest gespielter Ball nicht mehr über das Ziel hinausschießen kann.

Dass sich die Entwickler von so vielen etablierten Spielmechaniken getrennt haben, liegt vielleicht auch am namensgebenden Speed-Golf-Modus, in dem wir - ähnlich wie im viralen Multiplayer-Titel Golf With Your Friends - mit bis zu drei anderen Golfern gleichzeitig unterwegs sind. Hier müssen wir nach der Durchführung unseres Schlags selbst zum Ball laufen und können dabei Sprints und Super-Sprints einsetzen, um einige wertvolle Sekunden einzusparen - müssen dabei jedoch auf unsere Ausdauer-Anzeige achten. Die Golf-Bälle der Konkurrenz können wir dabei entweder im Sprint aus dem Weg schubsen oder sogar komplett sabotieren: Landet unser aufladbarer Super-Schlag in der Nähe einer gegnerischen Kugel, kann das eine ganze Reihe von Auswirkungen haben. Yoshi verwandelt fremde Spielbälle in Eier, Mario sprengt sie einfach aus dem Weg und Boo sorgt dafür, dass sie beim nächsten Schlag ein Eigenleben entwickeln.

Golf Short Story

Fans der Golf- und Tennis-Spiele, die Camelot für den Game Boy Color und den Game Boy Advance gestellt hat, dürften in den Trailern zu Super Rush vor allem auf das Golf Adventure geschielt haben, der ein echtes Golf-RPG verspricht. In diesem wenige Stunden kurzen Einzelspielermodus starten wir in Gestalt unseres Miis in einem Clubhaus und nehmen, nach einigen Tutorials, an unserem ersten Turnier teil. Doch danach geht alles sehr schnell: Ein paar minispielartige Herausforderungen später werden wir mit einer aus dem Nichts kommenden JRPG-Story konfrontiert, die weder mit dem Golfsport noch mit dem Mario-Universum sonderlich viel zu tun hat, und dürfen es nach etwas Backtracking durch die Spielwelt mit dem letzten Boss aufnehmen. Ende.

Der größte Lichtblick dieses Mini-Abenteuers ist das Cross-Country-Golf, in dem wir die Löcher eines Golfplatzes in beliebiger Reihenfolge absolvieren dürfen und nach dem Versenken des Balles nicht am nächsten Abschlagpunkt, sondern an der Position des gerade getroffenen Lochs weiterspielen. Somit müssen wir uns nicht nur mit den neuen Elementen des Speed Golfs auseinandersetzen, sondern darüber hinaus eine geschickte Route planen, mit der wir Schlagzahl und Laufwege minimieren können. Das Problem ist, dass dieser Modus nur auf den ersten neun Löchern eines einzelnen Kurses zum Einsatz kommt und außerhalb des Einzelspieler-Abenteuers überhaupt nicht zur Verfügung steht. Warum nicht? Auch viele andere, durchaus aufwändige Ideen blitzen im Story-Modus einmal kurz auf und werden dann sofort verworfen. Die mit Abstand skurrilste davon ist eine Reihe von Bosskämpfen, die eher einem Action-Titel gleichen. Auch aus spielerischer Sicht ergeben diese Kämpfe wenig Sinn, da die Bosse uns zwar mit Attacken beharken, unsere Spielfigur nach einem Gegentreffer jedoch keine Lebensenergie verliert - sodass es vollkommen egal ist, ob und wie oft wir getroffen werden.

Stärken, Schwächen und zu wenig Umfang

Mit dem neuen Speed-Golf-Regelwerk hat Camelot wirklich gut den Zahn der Zeit getroffen. Die Speedrun-Community wird immer populärer und auch die Golf-Spiele mit Mario oder in Wii Sports werden von einer kleinen Gruppe, die anstelle ihrer Schlagzahl lieber ihre Spielzeit minimieren möchte, fleißig optimiert. Somit ist es kaum verwunderlich, dass Camelot in diesen Modus die meiste Arbeit gesteckt hat. Viele Kurse enthalten Hindernisse oder Plattformen, die auf das normale Golf-Spiel keinen Einfluss haben und erst dann zum Tragen kommen, wenn wir unserem Ball hinterherlaufen. Außerdem werden für jeden benötigten Schlag 30 Sekunden auf eure Zeit addiert - beendet ihr ein Par-4-Loch innerhalb von einer Minute mit drei Schlägen, stehen am Ende also zweieinhalb Minuten auf eurer Punktekarte. Wer einfach blind drauflosspielt, dürfte also kaum eine Chance haben, da Birdies auch mit den neuen Regeln immer noch enorm wichtig sind. Dazu kommt, dass das Speed Golf ein vollkommen anderes Spielgefühl aufkommen lässt - die ständigen Sprints über die Grünanlagen sorgen für ein ordentliches Tempo, das auch von der antreibenden Hintergrundmusik passend untermalt wird. Wer nach der Hektik eine Pause braucht, kann jederzeit auch eine klassische Runde Golf auf einem der Kurse absolvieren.

Mario Golf: Super Rush stellt euch sechs Golfkurse zur Auswahl - einer davon ist der Übungsplatz, der eigentlich nur eine große Grünfläche ohne in sich abgeschlossene Löcher darstellt. Der Umfang ist somit recht überschaubar: Einzelspieler haben nach ein bis zwei Tagen alles gesehen und anschließend nur noch die Möglichkeit, im Score- oder Time-Attack-Modus entweder mit klassischen oder Speed-Golf-Regeln nach neuen Highscores zu jagen - die dann lediglich lokal gespeichert werden, denn Leaderboards gibt es nicht. Auch bei den Online-Funktionen hat Camelot ordentlich gespart: Hier gibt es lediglich die Möglichkeit, eigene Räume zu eröffnen oder fremden Lobbies beizutreten. Ein Matchmaking-System oder regelmäßige Online-Turniere, wie es sie noch in Mario Tennis: Aces gab, suchten wir bei unserem Test vergeblich. Dabei wäre es gerade bei einem Titel wie Mario Golf wirklich einfach gewesen, tägliche und wöchentliche Turniere zu veranstalten, in denen wir einen Golfkurs unter Einhaltung bestimmter Vorgaben möglichst schnell oder mit möglichst wenigen Schlägen absolvieren müssen und unser Ergebnis anschließend auf ein Leaderboard posten.

Auch der optischen Gestaltung von Mario Golf: Super Rush merkt man an, dass Nintendo und Camelot bei der Entwicklung nicht unbedingt 100% gegeben haben. Abgesehen von der Qualität der Texturen haben sich die Golfkurse im Vergleich zu Toadstool Tour auf dem Gamecube visuell kaum weiterentwickelt. Darüber hinaus wirkt das Design der Sportanlagen, bis auf wenige Ausreißer nach oben, eher unkreativ und langweilig und stellt lediglich mit ein paar Gegnern aus neueren Mario-Spielen, die auf den Fairways umherwandern, einen Bezug zum Pilzkönigreich her. Frühere Mario-Golf-Titel und auch Sonys Everybody's-Golf-Reihe haben hier schon mal deutlich mehr Kreativität bewiesen. Besonders ärgerlich ist ein technisches Problem (oder ein Designfehler?), durch das insbesondere bei Bällen, die auf dem Grün gelandet sind, einige Zeit vergeht bis der Ball wieder spielbar wird. In diesen Situationen müssen wir einige Sekunden neben unserer am Boden liegenden Kugel stehenbleiben und warten, bis wir den nächsten Schlag ansetzen können. Gerade in einem Spiel, das so sehr auf ein hohes Tempo und Speedruns setzt, ist es ärgerlich, auf den regelmäßigen Schluckauf der Spielengine warten zu müssen.

Fazit:

Das große Aushängeschild von Mario Golf: Super Rush ist ohne Zweifel der namensgebende Speed-Golf-Modus, der aus dem normalerweise entspannenden bis langweiligen Sport eine actionreiche Schlacht zwischen bis zu vier Spielern macht. Selbst wenn wir nur alleine auf den Grünanlagen unterwegs sind, sorgen die jederzeit tickende Uhr und die regelmäßigen Sprints über die Fairways für ein ganz neues Spielgefühl. Alle, die damit nichts anfangen können, dürfen jederzeit auf die klassischen Golf-Regeln zurückgreifen. Leider merkt man dem Switch-Titel sehr schnell an, dass es Nintendo nicht um die Entwicklung des nächsten Blockbusters ging - stattdessen wurde exakt so viel getan, wie zum Zufriedenstellen der Zielgruppe (Nintendo- und Mario-Fans) unbedingt nötig war. Die Einzelspieler-Story ist nach wenigen Stunden durchgespielt, der rudimentäre Online-Modus und die stark vereinfachten Spielmechaniken sind nicht unbedingt auf Langzeitmotivation ausgelegt, und auch technisch hätte man aus der Hybrid-Konsole sicherlich ein gutes Stück mehr herausholen können.

Wenn ihr bis heute regelmäßig Freunde einladet, um mit ihnen ein paar Runden in Mario Kart zu drehen oder ein paar Matches in Mario Tennis Aces auszutragen, werdet ihr sicherlich auch mit Marios neuestem Ausflug auf den Golfplatz glücklich sein. Alle anderen müssen damit rechnen, dass Mario Golf: Super Rush nur sehr kurzfristig Spaß macht und nach wenigen Stunden im Regal landet.

Unsere Wertung:
7.5
Andreas Held meint: "Solide, aber unambitionierte Fortsetzung der Mario-Golf-Serie, die ausschließlich für Fans und regelmäßige Multiplayer-Abende interessant ist."
Mario Golf: Super Rush erscheint für Nintendo Switch. Wir haben die Version für Nintendo Switch getestet.
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