
Wonder Boy: Asha in Monster World
Wonder Boy in Monster Land erschien 1987 zunächst in Spielhallen und war seiner Zeit extrem weit voraus. Rudimentäre RPG-Elemente wie Dialoge mit NPCs oder das Sammeln verbesserter Ausrüstungsgegenstände wären damals selbst für einen Konsolentitel sehr ambitioniert gewesen. Monster World IV ist der ingesamt sechste Teil der Serie und erschien zunächst nicht unter dem Namen "Wonder Boy", weil mit Asha erstmals eine weibliche Figur die Hauptrolle übernahm. Der Titel erschien zunächst nur in Japan, gilt jedoch unter Retro-Fans als einer der besten 16-Bit-Platformer aller Zeiten. Mit Wonder Boy: Asha in Monster World hat Artdink nun ein vollständiges Remake des ursprünglich von SEGA entwickelten Platforming-Adventures aufgebaut, das für PlayStation 4 und Nintendo Switch erhältlich ist und Ende Juni auch auf Steam erscheinen soll.
1994
Monster World IV versetzt euch in die Rolle von Asha, die aus nicht näher erklärten Gründen ihr Heimatdorf verlassen und einen nahegelegenen Turm aufsuchen muss. Dort findet sie einen Flaschengeist, der sie in die Hauptstadt des Spiels teleportiert, in der sie von der dort regierenden Königin sofort die Aufgabe erhält, die Welt zu retten. Im Kampf mit kleineren Monstern ist Asha auf ihr Schwert angewiesen, mit dem sie in vier Richtungen attackieren kann. Für den Platforming-Aspekt des Spiels erhält sie Unterstützung von Pepelogoo, einem kleinen, fliegenden Wesen, das ihr unter anderem einen Doppelsprung und Schutz vor herabfallenden Steinen gewährt. Die RPG-Elemente von Monster World IV sind ähnlich rudimentär wie seine Story: Besiegte Monster lassen Geld fallen, mit dem ihr euch in der Hauptstadt ein paar Ausrüstungsgegenstände kaufen könnt, die Ashas Lebensenergie oder ihre Angriffskraft erhöhen. Ansonsten besucht ihr die vier Welten des Spiels in einer klar vorgegebenen, linearen Reihenfolge. Monster World IV ist kein Metroidvania, da ihr keine Möglichkeit habt, bereits absolvierte Levels noch einmal zu bereisen, um mit neuen Fähigkeiten nach Collectibles zu suchen.
Ausschließlich in Japan erhältliche Spiele werden von verärgerten Fans oft überbewertet, und Monster World IV ist in dieser Hinsicht keine echte Ausnahme. Ashas Abenteuer ist sicherlich ein guter 2D-Platformer, den jeder Genrefan einmal gespielt haben sollte, aber der Genremix kann in keinem seiner vielen Aspekte wirklich überzeugen. Das Leveldesign ist nicht streng linear, aber Abzweigungen beschränken sich meist darauf, dass am Ende einer kurzen Sackgasse ein Schalter oder ein Schlüssel bzw. ein kleines Collectible liegt. Außerdem fühlen sich manche Levels sehr langatmig an, da zwar zu Beginn eines neuen Gebiets immer wieder neue Mechaniken eingeführt werden, die sich dann aber nicht weiterentwickeln, sondern in leichten Variationen ständig wiederholen. Die Steuerung, die Kollisionsabfrage und das Design der Endbosse können ebenfalls nicht wirklich mit Top-Titeln aus der 16-Bit-Ära mithalten. Sonderlich schwierig oder umfangreich ist Monster World IV auch nicht, sodass die meisten Spieler nach ziemlich genau dreieinhalb Stunden den Abspann erreicht haben sollten.
2021
Artdink haben die Spielwelt des Originals für das Remake in einer 3D-Engine nachgebaut. Dadurch hat sich vor allem die Hauptstadt des Spiels verändert, die nun komplett dreidimensional gestaltet ist - allerdings kann Asha nur vorgegebene Wege entlanglaufen und nur an vordefinierten Kreuzungen ihre Laufrichtung ändern. Dadurch kommen wir oft in die Situation, dass sich zwischen uns und unserem Zielort eigentlich eine begehbare Straße oder eine leere, offene Fläche befindet, die wir jedoch nicht passieren können, weil die Entwickler im Programmcode keine entsprechende Route für Asha angelegt haben. Die eigentlichen Levels orientieren sich hingegen sehr genau am Original, sodass wir trotz der 3D-Optik nur nach rechts oder links laufen können. Ob der neue Grafikstil eine Verbesserung darstellt, kann tatsächlich diskutiert werden: Monster World IV sah 1994 dank toller 2D-Sprites und Animationen wirklich hervorragend aus, während die Optik des Remakes an Smartphone-Spiele von der Stange erinnert. Ebenfalls bestenfalls Geschmackssache sind Ashas Hinternwackel-Animationen, die sie beim Öffnen jeder Schatztruhe zur Schau stellt und die im Original zwar auch vorhanden, damals jedoch deutlich subtiler waren. Dazu kommt, dass zumindest die von uns getestete Switch-Version regelmäßig von kleineren Rucklern geplagt wird und vor allem in der Hauptstadt mit spürbaren Framerate-Problemen zu kämpfen hat. Die englische Lokalisierung fällt immer wieder mit Rechtschreib- und Grammatikfehlern auf.
Asha in Monster World stellt uns zum Spielstart zwei Schwierigkeitsgrade zur Auswahl, von denen der höhere sehr nah am Originalspiel liegen soll. Das tut er jedoch nicht, denn zum Einen können wir im Remake jederzeit und unbegrenzt oft einen Spielstand anlegen und zum Anderen finden wir recht häufig Heiltränke, die unsere gesamte Lebensenergie wiederherstellen und von Pepelogoo automatisch eingesetzt werden, wenn Asha ihr letztes Herz verlieren sollte. Darüber hinaus gibt es viele weitere Vereinfachungen, zum Beispiel agieren die Bosse deutlich langsamer und weniger aggressiv und einige Fallen und Hindernisse wurden spürbar entschärft. Wem das Remake von Monster World IV trotz dieser ganzen Eingriffe ins Gameplay immer noch nicht leicht genug ist, der kann auf einen einfachen Modus wechseln, in dem die Gegner häufiger Herzen fallen lassen, mit denen Asha ihre Lebensenergie regenerieren kann. Umgekehrt gibt es aber natürlich keinen klassischen Modus, dessen Schwierigkeitsgrad dann auch wirklich dem des Originals entsprechen würde.
Käufer der physischen Versionen können immerhin auf die auf den Datenträgern enthaltene emulierte Version des Mega-Drive-Titels ausweichen, die in Deutschland mit dem etwas irreführenden Aufkleber "Exklusives Bonus Spiel enthalten"[sic] beworben wird. Die Qualität der Emulation können wir jedoch leider nicht bewerten, da das Original in der uns vorliegenden Download-Version offenbar nicht enthalten ist. In jedem Fall ist Monster World IV weder ein "Bonusspiel", da es sich ja einfach nur um die inhaltsgleiche Ur-Version handelt, noch "exklusiv", da SEGA den Mega-Drive-Titel vor fast zehn Jahren schon einmal für die damals gängigen Konsolen veröffentlicht hat. Die Xbox-360-Version kann als Teil der Sega Vintage Collection: Wonder Boy bis heute für kleines Geld erworben und auf allen aktuellen Xbox-Konsolen abgespielt werden. Ähnlich irreführend ist übrigens die Verkaufsaktion auf Strictly Limited Games, in deren Rahmen eine Auflage von gerade einmal 3.500 Exemplaren beworben wird. Asha in Monster World ist nämlich ganz normal im freien Handel erhältlich und auf Amazon bestellbar. Die Limitierung bezieht sich also ausschließlich auf das alternative Cover - eine Wertsteigerung ist hier nicht zu erwarten.
FAZIT:
Das Remake von Wonder Boy: Asha in Monster World hinterlässt leider den Eindruck, dass es nicht aus Liebe zum Original, sondern zum schnellen Geldverdienen entwickelt wurde. Die Neuentwicklung stammt auch nicht von SEGA, sondern von einem eher unbekannten japanischen Studio, das einfach nur die Namensrechte eingekauft hat. Die uninspirierte Optik, die hölzerne Steuerung, der praktisch nicht mehr vorhandene Schwierigkeitsgrad und der aufdringliche Fanservice würden eher zu einem primär für Smartphones entwickelten Titel als zu einem modernen Konsolen-Platformer passen. Dazu kommt, dass Asha in Monster World - nicht zuletzt aufgrund seiner Spielzeit von etwa drei bis vier Stunden - maßlos überteuert ist: Ganze 34,99€ verlangt der Publisher auf den Download-Plattformen, die phyischen Versionen sind noch etwas teurer. Fans des Originals, die heutzutage nur noch wenig Zeit mit Videospielen verbringen und sich daher über den stark gesenkten Schwierigkeitsgrad sogar freuen, werden wahrscheinlich mit dieser Neuauflage zufrieden sein. Alle anderen können ihr Geld deutlich besser investieren.