
Mundaun
Man nehme einen Heimatfilm der 1940er-Jahre, eine Prise Survival-Horror und die Zeichnungen eines mittelmäßig begabten Künstlers – voilà: Wer all diese Zutaten kräftig miteinander verrührt, bekommt Mundaun, ein schwarz-weißes Abenteuerspiel in den Schweizer Alpen. Lohnt sich ein Ausflug in diese bizarre Welt? Wir verraten es euch.
Adieu, Großvater
Als Spieler schlüpfen wir in die Rolle von Curdin, der zu Beginn des Spiels als einsamer Passagier in einem Bus sitzt. Er ist auf dem Weg nach Mundaun. Das klingt wie der Name eines Dorfs oder einer Gemeinde, ist aber tatsächlich ein Berg in der Schweiz, rund um dessen Gipfel sich einige alte Häuser, ein Friedhof und eine Kapelle befinden. In seinen Händen hält Curdin einen Brief vom örtlichen Pfarrer Jeremias. Dieser hat Curdin kontaktiert, um ihm mitzuteilen, dass sein Großvater beim Brand einer Scheune ums Leben gekommen ist. Seltsamer Weise bittet Jeremias Curdin ausdrücklich darum, nicht nach Mundaun zu fahren. Das sei unnötig, denn den Großvater hat man längst auf dem dortigen Friedhof begraben.
In Mundaun angekommen zieht es Curdin zunächst zur Ruine der alten Scheune. Dort findet er zwischen den verkohlten Balken gleich seinen toten Großvater, der gar nie aus dem Gebäude geschafft wurde. Höchst seltsam! Vor der Scheune steht zudem ein Gemälde, das sich in eine Art Portal verwandelt und Curdin die Nacht des Brandes miterleben lässt. Schnell ist klar, dass dunkle Mächte irgendwie ihre Finger im Spiel haben. Von nun an geht es selbstredend darum, zu klären, wie und weshalb der Großvater tatsächlich ums Leben gekommen ist.
Ich gebe an dieser Stelle zu: Mein erster Eindruck von Mundaun war nicht der Beste. Die ersten Minuten nach dem Beginn des Spiels meinte ich einen Walking-Simulator mit erschreckend schlechter Grafik zu spielen. Mundaun schien mir wie das digitale Äquivalent eines Bauernmuseums. Die Umgebungen waren langweilig, die Graustufen-Ästhetik zu abstrahiert und detailarm. Ich musste mich zwingen weiterzuspielen. Als ich jedoch das nächste Mal auf meine Uhr schaute, war mehr als eine Stunde vergangen und während dieser Zeit hatte mich Mundaun überraschend gut unterhalten. Die Mystery-Story schaffte es, mich mehr und mehr in ihren Bann zu ziehen. Meine erste Meinung musste ich dementsprechend revidieren.
Coole Story und nette Rätsel, aber miese Kämpfe
Mundaun legt zwar einen eindeutigen Fokus auf seine Story und das Erkunden der Spielwelt, bietet aber auch einige gelungene Rätsel und (weniger gelungene) Survival-Passagen. Während Letzteren muss Curdin an bizarren Wesen vorbeischleichen. Die Gegner – zunächst Strohfiguren, später aber auch noch andere Kreaturen inklusive Lawinen auslösenden Yetis – tauchen nachts auf und bewegen sich langsam durch die unterschiedlichen Gebiete des Spiels. Wenn sie Curdin entdecken, verfällt er in eine Art Schockstarre und kann sich nur noch langsam bewegen. Nach und nach verwandelt sich Curdin dann in eine Holzfigur, erkennbar an seiner linken Hand, die sich verfärbt und zunehmend wie Rinde aussieht. Wird die Furcht zu groß, segnet er schließlich das Zeitliche.
Wer keine Lust auf Schleichen hat, darf die Monster mit Hilfe praktisch platzierter Strohballen in Brand setzen, einfach mit einem LKW überfahren oder mit einer Mistgabel attackieren. Relativ spät im Spiel findet Curdin zudem ein Gewehr, mit dem er sich allerdings nur frustrierend unpräzise verteidigen kann, was einerseits daran liegt, dass er tatsächlich nicht mit Schusswaffen umzugehen weiß, andererseits aber auch daran, dass das Spiel viele direkte Treffer schlichtweg nicht registriert. Ganz allgemein zeigt sich Mundaun technisch ziemlich durchwachsen, dazu kommen wir aber später noch.
Die märchenhafte Story ist linear, aber entfaltet sich auf eine angenehme, natürliche Art und Weise. Die Sprachausgabe wurde in Rätoromanisch aufgenommen, was der Geschichte zusätzliche Authentizität verleiht. Auch die Rätsel sind unterhaltsam, ohne dabei zu viel Hirnschmalz zu erfordern. Die meisten Denkspiele lassen sich durch genaues Untersuchen der Umgebungen oder mit Hilfe von Zeichnungen, die Curdin immer wieder von einem kleinen Mädchen bekommt, lösen. Das nächste Ziel ist immer logisch – mit einer Ausnahme. An einer Stelle muss sich Curdin mit einem abgetrennten Ziegenkopf in seinem Rucksack unterhalten. Bis mir das bewusst wurde, hatte ich bereits viel Zeit mit einer sinnlosen Suche nach irgendetwas Relevantem in der Umgebung verbracht. Wer kann schon damit rechnen, dass eine tote Ziege im Inventar plötzlich zu sprechen beginnt?
Hin und wieder trifft Curdin im Laufe der rund sechs Stunden langen Geschichte auf einige für die Story relevanten Personen. Da wären der bereits genannte Pfarrer Jeremias und das Mädchen Flurina, das ihm Bilder als Nachrichten hinterlässt oder bei einer Spritztour im LKW begleitet, aber auch noch Großvaters Kameraden, ein düsterer alter Mann und ein exzentrischer Maler. Wenn Curdin die Gemälde des Malers sieht oder sich am Ende eines Tages schlafen legt, hat er Visionen. Dann reist er in die Vergangenheit und kann seinen Großvater als Soldat im (ersten?) Weltkrieg beobachten. Die Szenen können zum Teil mit einigen fantasievollen Effekten und allgemein interessanten Momenten punkten.
Einzigartige Optik - mit Problemen
Die Story wird gut erzählt und das Gameplay rund um den Kampf gegen die Strohmonster sorgt für Abwechslung, auch wenn die lächerlichen Monster kein bisschen furchteinflößend wirken. Die Kämpfe können bisweilen nerven, Mundauns eigentliche Achillesferse ist allerdings die Technik. Die Präsentation ist zugegebenermaßen einzigartig und hebt Mundaun erfolgreich von anderen Spielen ab, aber unabhängig davon schlicht und einfach nicht schön.
Das Spiel wurde mehr oder weniger von einem Ein-Mann-Entwicklerstudio erschaffen. Satte sieben Jahr lang arbeitete der schweizer Illustrator Michel Ziegler an dem Titel. Im Abspann wird er als Autor, Grafiker und Programmierer gelistet. Sämtliche Texturen wurden von ihm handgemalt. Dafür verdient der Mann gewiss Lob und Anerkennung, doch die Charakter- und Umgebungsmodelle sind äußerst grob modelliert und ohne Übertreibung bestenfalls auf PlayStation-2-Niveau. Die Texturen besitzen außerdem zu oft einen skizzenhaften, unfertigen Charakter. Das mag künstlerisch wertvoll und durchaus so beabsichtigt sein, sorgt aber eben auch dafür, dass das Spiel als Ganzes skizzenhaft und unfertig wirkt. Dass die Switch-Version auf einige Details der PC-Fassung verzichten muss, macht die Sache nicht besser. Besonders dunkle Gebiete versinken komplett in den matschigen Texturen.
Auch die Animationen der NPCs und Gegner wirken ausgesprochen hölzern. Gut, die ersten Monster bestehen wortwörtlich aus Holz und Stroh, aber die späteren Gegner bewegen sich nicht anders. Und trotz der limitierten Grafik schafft die Unity-Engine auf der Switch nur selten stabile 30 FPS. Pop-Ups kommen speziell in den Außengebieten außerdem gefühlt im Sekundentakt vor, und einmal stürzte uns das Spiel komplett ab und lief erst nach einem Neustart der Konsole wieder rund.
Fazit:
Mundaun ist sicherlich ein Herzensprojekt. Man merkt die Mühe, die Michel Ziegler und seine wenigen Mitarbeiter in die Realisierung des Spiels gesteckt haben, und mit der Präsentation rund um den eigenwilligen Grafikstil und die rätoromanische Sprachausgabe ist das Team zweifelsohne ein großes Risiko eingegangen. Mundaun ist einzigartig und allein deshalb schon, unabhängig von der guten Story, einen Blick wert. Mundaun ist als Ganzes zudem ein klassischer Fall von "mehr als die Summe seiner Teile". Trotz diverser Probleme macht der Ausflug ins schweizer Hinterland Spaß. Wer sich mit der eigenwilligen Optik anfreunden oder sie zumindest tolerieren kann, sollte dem Spiel eine Chance geben, aber nicht mit zu hohen Erwartungen ins Gebirge reisen. Hoffentlich darf sich Herr Ziegler mit einem deutlich größeren Team an sein nächstes Projekt machen.
Wir bedanken uns bei MWM Interactive für die Bereitstellung des Testmusters.
Von uns getestet: Nintendo-Switch-Version