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Angespielt: Baldur's Gate 3 (Early Access)

Von Michael Prammer am 20.10.2020
Wir haben uns die Early-Access-Version auf Google Stadia angesehen.

Das belgische Entwicklerteam Larian Studios bringt, wie auch schon beim Rollenspielhit Divinity: Original Sin 2, eine Early-Access-Version zum Rollenspielepos Baldur's Gate 3 heraus. Was 2017 schon gut funktioniert hat, soll nun ein weiteres Mal zum Erfolg führen, wenn auch der Einstiegspreis jetzt auf Vollpreisniveau liegt, während vor drei Jahren 45 US-Dollar ausgerufen wurden. Der Umfang der Spielzeit betrug damals, wie auch bei Baldur's Gate 3 heute, gut 25 Stunden für einen Durchlauf, wobei immer wieder von vorne gestartet werden kann. Zudem kommt der Rest des aktuellen Titels auch relativ pompös daher, zumindest wenn man sich die nackten Zahlen des Titels vor Augen hält: Die Entwickler geben etwa 46000 Dialogzeilen an, versprechen über 100 unterschiedliche Charaktere und verweisen auf etwa 80 Kampfhandlungen - und das nur in den knapp 25 Stunden Early-Access-Spielzeit. Diese umfasst dabei lediglich den ersten Akt, zwei weitere Akte sollen folgen. Sind diese ähnlich groß, kommt also noch jede Menge weitere Spielzeit auf euch zu.

Von Verliesen und Drachen

Baldur's Gate 3 basiert auf dem Dungeons-&-Dragons-Regelwerk, was seine Ursprünge im Pen-&-Paper-Rollenspielsegment hatte. In unserer getesteten Fassung konnten wir bereits aus acht unterschiedlichen Rassen wählen, später sollen es gar doppelt so viele werden. Der Charaktereditor ist dabei das erste Highlight im Spiel. Bereits jetzt lassen sich hier dank zahlreicher Möglichkeiten unzählige Minuten versenken, bis endlich der richtige Held mit all seinen Eigenschaften erstellt wurde. Dabei ist eurer Kreativität kaum Grenzen gesetzt: Frisuren, Augen, Tattoos, Bärte - es lässt sich so ziemlich alles personalisieren. Darüber hinaus gibt es noch einige nicht ganz gängige Möglichkeiten, wie zum Beispiel weibliche Charaktere mit Bärte zu generieren oder geschminkte männliche Elfen - alles kein Problem. Wer sich austoben und einen ganz individuellen Charakter erstellen möchte, bekommt hier also die Chance.

Dann beginnt auch schon der Ernst des Rollenspiel-Lebens. In einer gut inszenierten Introsequenz bekommt ihr einen kurzen Abriss von dem geboten, was sich die Entwickler in Sachen Atmosphäre auf die Fahne schreiben wollen. Es geht ordentlich zur Sache: Tolle Kamerafahrten, wunderschöne Renderfilme und ein genialer Soundtrack untermalen bereits den Auftakt. Der selbst erstellte Charakter wacht auf einem Luftschiff auf und wurde gerade mit einer Larve „ausgestattet“. Diese hat jedoch die doofe Angewohnheit, den Wirt zu einem Seelenschinder werden zu lassen. Da unser Held darauf natürlich keine Lust hat, bleibt nur die Flucht vom Schiff. Während der ersten Spielminuten wird euch die Steuerung näher gebracht, ihr erlebt erste Kämpfe, sammelt die ersten Gegenstände und ehe ihr euch versieht, erleidet das Luftschiff Bruchlandung und ihr befindet euch ein paar Meilen vor Baldur's (Gate) Tor. Hier beginnt dann das eigentliche Abenteuer.

Ein echtes Rollenspiel

Gespielt wird in der Top-Down-Perspektive, ganz wie es sich für ein Rollenspiel dieser Gattung gehört. Allerdings könnt ihr alternativ auch ein gutes Stück ins Spielgeschehen hineinzoomen, sodass ihr auch fast schon in einer Art Third-Person-Ansicht spielen könnt. So geht jedoch ziemlich schnell die Übersicht flöten, weshalb der Zoom von weiter oben eher zu empfehlen ist. Die Spielmechanik von Baldur's Gate 3 ist relativ komplex, bietet allerdings eine steile Lernkurve. Es gilt, mit vielen Charakteren Dialoge zu suchen, diese je nach Fähigkeiten zu beeinflussen oder zu überzeugen und in bestimmten Situationen auch zur Waffe zu greifen. Gerade dann, wenn kein Waffeneinsatz von Nöten ist, kommt immer wieder ein Rollenspielelement zum Einsatz, bei dem Fans das Herz aufgehen dürfte. Ein sogenannter D20-Würfel (20-seitig) wird geworfen und kann Situationen zu euren Gunsten beeinflussen. Ein Beispiel gefällig? Ein Charakter soll von einer bestimmten Tätigkeit überzeugt werden. Je nach dem, wie gut die Werte des Helden sind, ist die zu schlagende Würfelzahl geringer oder höher. Gewinnt ihr den Würfelwurf, dann hat die Überzeugung geklappt. In manchen Situationen kann das neue Wege öffnen, Kämpfe verhindern oder sogar neue Mitstreiter für das eigene Team an Land ziehen.

Alleine streift ihr für gewöhnlich nur die erste Zeit umher, denn schon recht bald scharen sich bis zu drei Mitstreiter um euch herum. Werden weitere Recken gefunden, dürfen diese in einem Lager jederzeit ausgetauscht werden. Hier sollten Spieler stets darauf achten, welche Fähigkeiten die Helden mit sich bringen. Steht ihr vor einem schwierigen Kampf, ist es beispielsweise ratsam einen Charakter mit Heilfähigkeiten mit ins Boot zu holen. Im bereits angesprochenen Lager könnt ihr euch mit den verschiedenen gesammelten Charakteren unterhalten und diese besser kennenlernen. Es ist sogar möglich, Liebesbeziehungen mit diesen einzugehen.

Ein wichtiger Bestandteil in Baldur's Gate 3 sind jedoch zweifelsfrei die Kampfhandlungen. Diese Kämpfe laufen jeweils rundenbasiert ab, wie es sich für ein klassisches Rollenspiel gehört. Dabei solltet ihr stets die Aktionspunkte der Charaktere im Auge behalten, ebenso die mögliche Trefferquote, die vor jedem Angriff angezeigt wird. Beides ist ausschlaggebend für den Erfolg bzw. Misserfolg. Bei einfachen Gegnern spielt es dabei oft kaum eine Rolle, ob ihr euch mit einem Angriff mal vertut oder eine starke Attacke zu viel raushaut. Anders sieht das dann schon bei euch überlegenen Feinden aus. Hier muss strategisch vorgegangen, wohl überlegt gehandelt und im richtigen Augenblick zugeschlagen werden, um nicht böse verprügelt zu werden. Gespielt wird per Maus oder Controller, wobei sich dieser Titel am besten mit der Maus spielen lässt. Wenn alles klappt, dann steuert sich das Abenteuer butterweich, die Aktionen gehen sauber von der Hand und die Kämpfe sind teilweise zwar fordernd aber immer fair - wenn alles klappt.

Wie Early darf Access sein?

Und hier kommt auch schon das große Aber: Es handelt sich hierbei um eine Early-Access-Fassung; das wird zu Beginn des Spiels beschrieben, das war im Vorfeld klar und darauf lässt sich jeder Käufer auch ein. Allerdings gab es während der Testphase schon einige, teilweise fatale, Fehler, bei denen man sich schon fragen muss, ob das auch in einer Eraly-Access-Version noch hinnehmbar ist. Nach knapp zehn Spielstunden ist der Titel ganze achtmal komplett abgestürzt. Das wäre im Grunde kein übermäßig großes Problem, wenn die Autosave-Funktion richtig greifen würde. Doch auch das klappt leider nicht, was dann heißt, dass man entweder regelmäßig manuell speichern oder in Kauf nehmen muss, bis zu einer Stunde Spielzeit zu wiederholen. Aussetzer in der Synchronisation, Kameraprobleme, teils englische gemischt mit deutschen Texten, Ruckler während der Kamerajustierung, aufpoppende Objekte, Gegner, die teilweise ins Leere laufen, weil eine Kollisionsabfrage in die Hose ging, unsichtbare Mauern – wir könnten hier noch einige Mängel aufschreiben, an denen die Entwickler noch zu Arbeiten haben. Aber dafür gibt es ja Early Access.

Ein echtes No-Go gibt es meiner Meinung nach dann aber doch und da interessiert es auch nicht, ob Early Access oder nicht. Alles, was man in dieser Version gespielt hat, ist für die Tonne, sobald die Entwickler die Early-Access-Phase für beendet erklären und Baldur's Gate 3 als Vollversion veröffentlichen. Will heißen, die komplette Spielzeit, der Charakter und alles, was ihr mit diesem erlebt habt, ist dahin. Der Spielstand lässt sich schlicht und ergreifend nicht übertragen und das ist einfach schwach. Dadurch sind die ausgerufenen 60 Euro für diese "Demo-Version" eine harte Entscheidung, die jeder Fan für sich treffen muss, da er damit rechnen muss, die ersten 25 Stunden in einer ähnlichen Form mindestens noch einmal zu spielen.

Doch wo Schatten ist, gibt es auch Licht. Baldur's Gate 3 sieht optisch einfach umwerfend aus. Die Charaktere sind fantasievoll gestaltet und die Welt sieht jederzeit lebendig aus. Zoomt ihr mal etwas näher ran, erkennt ihr zudem auch einen tollen Detailgrad der Landschaften. Dazu kommen die bereits angesprochenen Zwischensequenzen, die kinoreif daherkommen. Auch musikalisch ist das Rollenspiel ein echter Genuss. In jeder noch so unbedeutenden Situation ertönt eine Melodie, ein Chor oder ein Klang - immer passend zur Situation. Werden die ganzen technischen Mätzchen beseitigt, dann kommt hier ein audiovisuell wirklich ganz großes Spiel auf euch zu.

Ausblick:

Baldur's Gate 3 hat das Zeug zum absoluten Rollenspielhit! Selbst in der jetzigen Verfassung lässt der Titel an einigen Stellen schon gewaltig die Muskeln spielen. Der tolle Charaktereditor alleine unterhält schon einen ganzen Abend, wenn ihr diesen denn richtig nutzen möchtet. Die Inszenierung ist zudem pompös und zieht den Spieler von Beginn an in seinen Bann. Die Dialoge und die vielen verschiedenen Optionen, auch durch die Rollenspiel-Fähigkeit mit dem Würfel, spornen immer wieder an. Die Spielwelt ist stimmig, es gibt überall etwas zu entdecken, überall sind Menschen, mit denen ihr ein Schwätzchen halten könnt, sodass nie Langeweile aufkommt. Dazu sieht der Titel schon jetzt außerordentlich gut aus, was in Kombination mit dem kinoreifen Sound ein sehr rundes Gesamtbild abgibt. Die Entwickler haben allerdings noch sehr viel Arbeit vor sich. Die Mängelliste ist sehr lang, auch wenn bei einem Early-Access-Spiel natürlich Fehler auftreten dürfen. Jedoch sollte das nicht in der Häufigkeit geschehen, wie ich das zum Teil erlebt habe. Es ist einfach frustrierend, wenn fast eine Stunde Spielzeit für die Tonne sind, weil eine Tür nicht mehr aufgeht, die sich eigentlich öffnen lassen muss, um das Spiel weiterzuspielen. Das Potential ist aber total da: Wenn die Entwickler an den richtigen Stellschrauben drehen und der Rest des Spiels genauso toll wird wie das bisher Gezeigte, kommt ein echter Pflichttitel für Genrefans auf uns zu.

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1 Kommentar:
Asinned)
Asinned
Am 21.10.2020 um 10:01
Schönes Preview! Habe den Titel fest auf meiner Wunschliste, aber werde bis zum Full Release warten.