Test

F1 2020

Von Niko Schopinski am 25.07.2020

- Testsystem: PS4 Pro

Die Formel-1-Titel von Codemasters gehören zu den Spieleserien, die im jährlichen Intervall um die Aufmerksamkeit des Publikums werben. Und gerade in diesem Jahr ist bekanntlich alles anders und komplizierter als sonst. Durch das Corona-Virus wurden reihenweise Großveranstaltungen abgesagt, der Spielbetrieb in Profi- sowie Amateurligen unterbrochen und der Terminkalender der Formel 1 massiv durcheinandergewirbelt. Auch hinsichtlich der Videospielumsetzung stellt sich die Frage, was von der einst geplanten Saison übrig bleibt und mit welchen Eigenschaften euch die Entwickler vom Kauf überzeugen möchten.

Unbelastet und vielseitig

Hinsichtlich der Auswirkungen der Corona-Krise können wir es an dieser Stelle kurz machen: Ihr könnt euren Rüsselschutz für einen Moment getrost an den Nagel hängen, denn F1 2020 bietet euch die aktuelle Saison in der Königsklasse des Motorsports, wie sie einst geplant war. Ihr könnt also alle Rennen des ursprünglichen Rahmenkalenders, inklusive der beiden Neuzugänge Hanoi und Zandvoort, vor gefüllten Zuschauerrängen absolvieren.

Dabei baut das Spiel natürlich auf dem schon stattlichen Paket auf, dass sich in den vergangenen Jahren entwickelt hat. Ihr bekommt ein erweitertes F1 2019 (hier der Test zum Nachlesen) mit all seinen bekannten Modi wie einzelne Grands Prix, Zeitfahren, Meisterschaften, Online-Rennen und natürlich wieder die bekannte  Karriere mit starkem Fokus auf den Trainingssessions und der Entwicklung eures Fahrzeugs. Wie zuletzt könnt ihr eure Karriere wieder in der Formel 2 starten - oder auf Wunsch auch direkt in der Königsklasse antreten. Der im letzten Jahr eingeführte kurze Storyansatz rund um Rivalitäten zwischen den Piloten aus den Nachwuchskadern wurde aber schon wieder gestrichen, was aufgrund der ungelenken Umsetzung keinen allzu großen Verlust darstellt. Auch in diesem Jahr startet ihr in der F2 übrigens mit den Teamdaten der Vorsaison, ein kostenloses Update auf das laufende Jahr soll aber kommen.

Geradlinig und dynamisch

Die Boliden steuern sich schon seit Jahren sehr gut, dennoch wurde die Fahrphysik mit jedem neuen Ableger in Nuancen angepasst. Fühlten sich die Autos bei F1 2018 noch sehr griffig an und ließen sich leichtgängig durch die Kurven manövrieren, wurde der Anspruch bei F1 2019 minimal erhöht. Die Fahrzeuge verfügten über ein bisschen mehr Physis und Gewicht, sodass ihr zu Beginn vielleicht ein paar Mal wegen zu späten Bremsens das Kiesbett geknutscht habt. Die Boliden in F1 2020 fühlen sich jetzt einen Ticken handlicher an: Die Lenkung lässt sich noch feiner dosieren, die Fahrzeuge scheinen in Kurven etwas mehr Grip zu haben und wirken einfach etwas leichtfüßiger. Aber auch das sind wieder nur kleine Nuancen im Vergleich zum Vorgänger.

Der Grad der Zugänglichkeit hängt natürlich auch sehr von der Wahl der Fahrhilfen ab. Blockieren euch häufiger die Reifen oder das Heck bricht immer wieder aus, dann aktiviert ihr besser ABS und die Traktionskontrolle und brettert mit mehr Leichtigkeit über die Kurse. Habt ihr eine für euch passende Einstellung gefunden, spürt ihr die bisher vielleicht größtmögliche Dynamik und Geschmeidigkeit bei einem Formel-1-Spiel. Um es auf den Punkt zu bringen: Das Fahren in F1 2020 fühlt sich richtig geil an. 

Die Fahrzeuge der Formel 2 können da leider nicht ganz mithalten. Sie verfügen über spürbar weniger Beschleunigung und auch das Einlenken ist weniger direkt und dynamisch. Insgesamt fühlen sie sich einfach unhandlicher und sperriger an als die großen Brüder. Das mag natürlich realistisch sein und sorgt auch für Abwechslung. Aber die richtige Gaudi findet eben in der Formel 1 statt.

Hilfsbereit

Wer etwas Hilfe beim Zocken erwartet, der darf von einigen neuen Komfortfunktionen Gebrauch machen: Die Entwickler haben nun den optionalen Fahrhilfen-Stil „Gelegenheitsrennfahrer“ in das Spiel integriert. Dieser bietet neben dem Brems- auch einen Lenkassistenten, außerdem hat das Fahren neben der Strecke weniger Konsequenzen und euer Auto wird beim Ausritt ins Kiesbett automatisch auf die Strecke zurückgesetzt. Für absolute Fahranfänger und jüngere Nachwuchspiloten, die ohne all zu großen Frust mal wie die Großen rasen wollen, sicher eine dankbare Option.

Wer die einzelnen Elemente des On-Screen-Displays schon immer gern separat auf dem Bildschirm verschieben und teilweise auch ausblenden wollte, der kann dies nun tun und die diversen Anzeigen nach Gusto auf dem Bildschirm verteilen. Apropos Anzeigen: Ihr habt jetzt endlich die Möglichkeit, den Session-Timer während der Fahrten permanent einblenden zu lassen und nicht nur direkt nach Abschluss der Sektoren. Eine kleine, aber sehr feine und durchaus nützliche Option. Schlussendlich gibt es den optional aktivierbaren virtuellen Rückspiegel. Zusätzlich zu den winzigen und traditionell eher nutzlosen Außenspiegeln könnt ihr einen Innenspiegel wie bei einem gewöhnlichen PKW einblenden lassen. Dieser hilft euch, die Positionen und Abstände sowie die Geschwindigkeit der hinter euch nervös drängelnden Widersacher einzuschätzen.

Teamfähig

Die wohl interessanteste Neuerung ist in diesem Jahr aber der Modus „My Team“. Dieser erweitert die aus den Vorjahren bekannte Karriere um diverse Management-Funktionen. Nun seid ihr nicht einfach nur Fahrer, sondern zusätzlich auch Eigentümer des Rennstalls. Ihr kümmert euch um neue Sponsoren, macht Verträge mit Motorenlieferanten und sucht je nach Budget den zweiten Fahrer für euer Team. Dabei gründet und benennt ihr zum Start euer eigenes Wunschteam, legt Teamfarben und -logo fest und gestaltet die Lackierung eures Fahrzeugs. Prinzipiell geht es natürlich immer um das Verdienen und den klugen Einsatz von Finanzmitteln. Dabei gilt es, möglichst hohe Einnahmen durch Sponsoring zu erlösen und die Budgets effizient und zielgerichtet für den sportlichen Erfolg zu nutzen.

Investiert ihr das Geld in eure internen Abteilungen für Chassis, Aerodynamik, Antrieb und Co., dann werden eure Angestellten die Komponenten für euer Fahrzeug nach und nach schneller und zuverlässiger entwickeln. An den freien Tagen zwischen den Rennwochenenden könnt ihr Termine festlegen. Bucht ihr zum Beispiel lieber ein Simulatortraining und verbessert somit die Erfahrungswerte eures zweiten Fahrers? Oder investiert ihr doch besser 5.000 Dollar und ladet eure Aerodynamik-Abteilung zu einer zweitägigen Teambuilding-Maßnahme ein, was die Abteilungsmoral erhöht? Ihr habt die Wahl. Wem das zu kompliziert ist, der kann die Termine aber auch automatisiert belegen lassen.

Ebenso unterstützt euch das Spiel optional bei der Teileentwicklung für euer Fahrzeug und zeigt auf Wunsch empfohlene Upgrades an. Zwischendurch werden übrigens wieder Einladungsevents in eurem Terminkalender eingestreut. Bei diesen fahrt ihr kleine Herausforderungs-Schaurennen in klassischen Formel-1-Boliden. Diese müsst ihr nicht fahren, sie sorgen aber für eine willkommene Auflockerung im Formel-1-Alltag. 

Ziel eurer Tätigkeit ist natürlich, euer Team mit gutem Investment und sportlichem Erfolg näher an die Spitze zu bringen. Mit dem Erfolg lockt ihr mehr Sponsoren und mit mehr Geld könnt ihr irgendwann einen stärkeren Motor zukaufen und einen fähigeren zweiten Fahrer verpflichten. Das erweiterte Management fügt sich gut in die bekannte Struktur der Karriere ein und sorgt dafür, dass Kenner der Serie neben den inzwischen doch sehr vertrauten und im Prinzip immer wieder gleichen Trainingsläufen etwas Neues geboten bekommen. Legt ihr hingegen keinen Wert darauf, euren eigenen Rennstall zu führen, dann könnt ihr im Spielmenü auch einfach die klassische Karriere anwählen, die ihr aus den letzten Jahren kennt.

Neue Besen und alte Werte

Unabhängig vom Spielmodus dürft ihr eure Runden nun auf zwei neuen Strecken drehen. Da dem Spiel der offizielle Rennkalender für 2020 zugrunde liegt, könnt ihr alle Verschiebungen und Streichungen aus der echten Welt ignorieren und den Grand Prix der Niederlande in Zandvoort und auch das Rennen auf dem Hanoi Circuit in Vietnam bestreiten. Dafür dürfte manch ein Fan den Hockenheimring vermissen. Und wer hätte es noch vor einem Jahr ernsthaft erwartet? Die Entwickler bieten euch neben dem obligatorischen Online-Modus sogar die Möglichkeit, euch wie in glorreichen alten Zeiten zu zweit vor der Konsole zu versammeln und im Splitscreen gegeneinander anzutreten. Ein Modus, der an glorreiche alte Zeiten erinnert, in denen der Weltmeister nicht jedes Jahr aus dem Mercedes-Stall kam. Und in denen wir auch noch keine Microtransactions in Videospielen kannten. Der neueste Renner aus dem Hause Codemasters verfügt nun über eine In-Game-Währung, die sogenannten PitCoins. Diese könnt ihr durch Leistungen im Spiel erwirtschaften, aber auch gegen Zahlung von Echtgeld erwerben, um damit weitere Lackierungen, Rennanzüge, Helme und Posen für eure Fahrer freizuschalten. Glücklicherweise werden euch diese in F1 2020 aber nicht ständig und penetrant vor die Nase gesetzt, weshalb es dafür nur die kurze Erwähnung, aber keinen Wertungsabzug gibt.

Fazit:

Jedes Jahr frage ich mich, was man im Vergleich zum Vorgänger noch besser machen könnte. Na klar, die KI der Kontrahenten ist bei Rennspielen immer eine Achillesferse. Und gerade in der ersten Kurve nach Rennstart gibt es immer wieder Chaos, sodass ihr animiert seid, genervt die Rückspulfunktion zu nutzen. Dennoch bin ich der Meinung, dass es hier bereits im letzten Jahr eine dezent spürbare Verbesserung gegeben hat. Luft nach oben bleibt aber. Ansonsten steht das Spiel technisch auf einem starken Fundament und wird inhaltlich immer weiter angefüttert. Der Management-Aspekt fügt sich gut in die bestehende Karrierestruktur ein, wird aber vielleicht auch nicht jedem gefallen, der seine Zeit lieber auf der Rennstrecke verbringt. Dennoch ist F1 2020 ein hervorragendes Rennspiel, dass auf das ohnehin schon dicke Paket aus dem Vorjahr noch den Modus „My Team“ sowie Splitscreen-Rennen draufpackt und dies mit neuen Komfortfeatures garniert. Als Zuckerguss auf der Sahne der Torte wünschte ich mir für zukünftige Ableger neben dem inhaltsschweren Drumherum noch etwas mehr Abwechslung und Möglichkeiten direkt auf der Strecke: Mit historischen F1-Boliden im Portfolio wäre es doch naheliegend, auch einige klassischen Strecken aus der ruhmreichen Geschichte der Formel 1 anzubieten. Der Nürburgring, Imola, Buenos Aires oder Magny-Cours wären doch reizvolle Kandidaten. Trotzdem bietet euch F1 2020 ein sehr stimmiges und vollwertiges Paket, während die echte Formel 1 mit einem Corona-bedingten Notprogramm läuft. Keine halben Sachen also, auch in diesem Jahr verdienen sich die Entwickler eine Top-Wertung für ihr Spiel.

Unsere Wertung:
9.0
Niko Schopinski meint: "Neues Management und grandioses Fahrgefühl: F1 2020 ist ein Traum für Rennspielfans."
F1 2020 erscheint für PC und PlayStation 4 und XBox One. Wir haben die Version für PC getestet.
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1 Kommentar:
TraxDave)
TraxDave
Am 04.08.2020 um 23:15
Dieses Jahr hab ich mich endlich überwunden und mir F1 besorgt...bzw es mir schenken lassen. :P
Spielerisch top, zur Karriere bin ich noch gar nicht gekommen. Trotzdem hat es mich schon so weit motiviert, dass ich mir ein Lenkrad besorgt habe. :D
Bloß die oft langen Ladezeiten nerven ein wenig.