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Hardware-Review: 8BitDo SN30 Pro+

Von Andreas Held am 12.10.2019

Der vermeintliche Retro-Controller

Der SN30 Pro+ ist der Nachfolger des SN30 Pro, der von 8BitDo in erster Linie als Retro-Gamepad vermarktet wurde. Das Vorgängermodell war an das Design des SNES-Pads angelehnt, und sein offensichtlichstes Verkaufsargument ist ein riesiges, für den linken Daumen in idealer Position platziertes Steuerkreuz. Der SN30 Pro war somit in erster Linie für Retro-Spiele oder Titel wie Tetris 99 oder den Super Mario Maker 2 gedacht, die absolut präzise, digitale Steuerungseingaben benötigen - eine Disziplin, bei der der ansonsten exzellente Pro Controller von Nintendo nicht hundertprozentig überzeugen konnte.

Auch der SN30 Pro+ wartet mit einem solchen Steuerkreuz auf, allerdings ist dieses nur die Spitze des Eisbergs, den der Feature-Katalog von 8BitDos Magnum Opus bildet. Darüber hinaus wirbt der Hersteller mit einem ergonomischen Design, analogen Schultertasten, allen wichtigen Features der anderen Switch-Controller, Kompatibilität zu diversen anderen Systemen und einer Programmierbarkeit des Controllers mittels einer speziellen PC-Software. Wir haben jedes Einzelne dieser Features kritisch unter die Lupe genommen.

Betrieb als Plug-and-Play-Controller

Eines der wichtigsten Features des 8BitDo-Controllers ist, dass man die vielen fortgeschrittenen Features ignorieren und das Pad stattdessen einfach mit einem entsprechenden USB-Kabel an die Switch-Konsole anschließen und losspielen kann. Um das hochgelobte Steuerkreuz auf Herz und Nieren zu prüfen, stürzte ich mich gleich in die finale Begegnung von Super Soccer. Und tatsächlich: Nachdem mir das argentinische Team der frühen 90er, in dem Diego Maradona noch als Feldspieler auftrat, zuvor mehrere Niederlagen eingeschenkt hatte, gelang mir mit dem 8BitDo SN30 Pro+ sofort ein 7:3-Sieg.

Das klingt nun womöglich wie die Aussage eines Laiendarstellers in einer schlechten TV-Werbung. Ich kann nicht ausschließen, dass ich mit dem neuen Eingabegerät nur zufällig direkt den Weltpokal erringen konnte, allerdings hatte ich beim Spielen tatsächlich sofort das Gefühl, dass sich das Steuerkreuz des 3rd-Party-Pads komfortabler bedienen lässt und eine bessere, präzisere Spielkontrolle ermöglicht als der Pro Controller von Nintendo. Das liegt auch am restlichen Design des SN30 Pro+, das in etwa einer konsequenten Weiterentwicklung des Dual-Shock-Controllers entspricht, der sich Sony seit Jahrzehnten verweigert. Der Controller ist größer und  griffiger als das PlayStation-Pad und liegt somit komfortabler in der Hand.

Auch sonst werden Präzision und Fehlervermeidung bei 8BitDo großgeschrieben. Die ABXY-Knöpfe auf der Vorderseite sind auffallend groß, griffig und liegen etwas weiter auseinander, sodass ein Abrutschen nicht gleich zu Fehleingaben führt. Die Plus- und Minus-Knöpfe liegen - in Gestalt der Start- und Select-Tasten des SNES-Pads - weit in der Mitte des Controllers, während die Home- und Share-Buttons unauffällig unterhalb des Steuerkreuzes bzw. der Face-Buttons platziert sind. Somit kommt es nicht mehr vor, dass ihr versehentlich einen Screenshot macht, obwohl ihr eigentlich nur das Menü öffnen wolltet.

(Fast) Volle Switch-Kompatibilität...

Im Vergleich zu Nintendos offiziellen Controllern wurden bei 8BitDos Eingabegerät nur der NFC-Chip und die HD-Rumble-Funktion eingespart (ein traditioneller Rumble-Motor ist vorhanden). Somit ist der Controller mit allen spielrelevanten Features ausgestattet, die für eine vollständige Kompatibilität zur gesamten Switch-Bibliothek benötigt werden - wodurch sich das Nischenprodukt auch als eine etwas kostengünstigere Alternative zum offiziellen Pro Controller im Markt platziert. Dies ist jedoch mit etwas Vorsicht zu genießen, denn der Analogstick musste zugunsten des Steuerkreuzes natürlich weichen und liegt nun gefühlt etwas zu weit in der Mitte des Controllers. Für Nintendos First-Party-Lineup ist der SN30 natürlich trotzdem absolut ausreichend, aber spätestens wenn ihr mit Dark Souls oder Monster Hunter Generations Ultimate anfangt, solltet ihr dann doch über einen First-Party-Pro-Controller nachdenken.

Außerdem müssen wir noch eine weitere kleine Enttäuschung hinnehmen, denn obwohl der Controller über analoge Schultertasten verfügt, kann er sich nicht als GameCube-Controller ausgeben. Spiele wie Trials Rising oder GRiD Autosport, die die analogen Trigger des Bonbon-Pads unterstützen, erkennen daher trotzdem nur digitale Eingaben, wenn wir die analogen Schultertasten des SN30 Pro+ verwenden. Darüber hinaus hat die Stern-Taste unter dem Steuerkreuz, die standardmäßig zum Aufnehmen von Screenshots und Videos verwendet wird, bei meinem Test nicht richtig funktioniert. Beim Versuch, meinen 49:1-Sieg gegen Yugoslavien bildlich zu dokumentieren, machte der Controller lange Zeit entweder gar nichts oder nahm Videos auf, bevor mir schließlich ein Screenshot gelang. Ob dies ein generelles Problem des SN30 Pro+ oder ein Einzelfall ist, kann ich natürlich nicht sagen.

...und darüber hinaus

Der SN30 Pro+ soll laut Herstellerangaben nicht nur mit Nintendo Switch, sondern auch mit PCs, iPhones und dem Raspberry Pi kompatibel sein. Ich konnte mangels entsprechender Hardware nur die PC-Funktionalität prüfen und habe mehrere Titel aus Steam und dem Microsoft Store getestet, die den 8BitDo-Controller ausnahmslos nicht erkannt haben. Damit liegt das Retro-Pad weit hinter dem Xbox-One-Controller zurück, der für PC-Spiele aller Art mittlerweile eine echte Plug-&-Play-Funktionalität bietet. Microsoft hat hier sicherlich einen unfairen Vorteil, da das Xbox-Pad als hauseigenes Eingabegerät natürlich fest mit Windows 10 verdrahtet ist. Trotzdem bleibt die Erkenntnis, dass der Betrieb des SN30 Pro+ an anderen Geräten als der Nintendo Switch eher etwas für Technik-Füchse ist, die Freude am Basteln haben.

Noch einen Schritt weiter in diese Richtung geht 8BitDo mit seiner hauseigenen Software 8BitDo Ultimate. Die Homepage verspricht eine umfangreiche Feature-Suite, mit denen wir den Controller voll auf uns Abstimmen können. Neben der Sensibilität von Analogsticks und Triggern können wir auch das Button-Mapping verändern - aber gerade dieses vielversprechende Feature ist eher eine nutzlose Spielerei, da wir nicht von den oder auf die Analogsticks mappen können. Wäre dies möglich, könnten wir den Controller entsprechend patchen, um beispielsweise das Remake von Link's Awakening bequem mit dem Steuerkreuz zu spielen oder Trials Rising eben doch mit den analogen Triggern zu bedienen, indem wir diese auf den rechten Analogstick mappen. Diese Möglichkeiten bietet die Software jedoch nicht.

Somit bleibt als einziges relevantes Feature eine Funktion, die eher negative Auswirkungen auf die Switch-Landschaft hat: Die Controller-Makros, zu denen auch eine Turbo-Funktion gehört. Natürlich hat auch diese Funktion ein paar sinnvolle Anwendungsfälle - beispielsweise können wir River City Girls, in dem ein Sprint durch doppeltes Antippen einer Richtungstaste ausgelöst wird, mit dem entsprechenden Makro eine "Rennen"-Taste verpassen. Ansonsten ist diese Funktion jedoch vor allem für Cheater interessant, die beispielsweise in Online-Matches eines Beat'em Ups komplizierte Spezialattacken per Knopfdruck auslösen könnten. Wer wirklich will kann vielleicht auch ein paar unmögliche Super-Mario-Maker-Levels hochladen, die in der Praxis nur mit den richtigen Controller-Makros schaffbar sind. Und dank der Turbo-Funktion dürften auch die Leaderboards von Mario & Sonic bei den Olympischen Spielen Tokyo 2020 von Besitzern eines SN30 Pro+ dominiert werden.

FAZIT

Bei mir hat der hochgelobte Super-Controller von 8BitDo leider gemischte Gefühle hinterlassen. Seinen eigentlichen Anwendungsfall, den eines Retro-Pads für auf Switch emulierte SNES-Spiele oder den Super Mario Maker 2, erfüllt der Controller nahezu perfekt. Nicht nur das Steuerkreuz, sondern auch das restliche Design des Gamepads sorgen hier für das bestmögliche Spielgefühl. Die zusätzlichen Features, die 8BitDo in seiner Marketing-Kampagne aggressiv bewirbt, sind jedoch leider eine Enttäuschung. Die analogen Trigger werden von Spielen, die die analogen Schultertasten des Gamecube-Controllers unterstützen, nicht erkannt, die Kompatibilität zu PCs und wahrscheinlich auch zu anderen Drittgeräten ist fummelig, und 8BitDo Ultimate fehlen genau diejenigen Features, mit denen die Anpassungssoftware wirklich nützlich wäre. Stattdessen werden Online-Cheatern durch die Unterstützung von Controller-Makros neue Türen aufgestoßen. Natürlich ist das Meckern auf hohem Niveau, denn wenn es diese Features erst gar nicht geben würde, würde man sie auch nicht vermissen. Wer einen guten, möglichst komfortablen und präzisen Controller für anspruchsvolle 2D-Titel sucht, liegt mit dem SN30 Pro+ also genau richtig.

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1 Kommentar:
Kos)
Kos
Am 12.10.2019 um 19:55
Das Teil sieht aus, wie ein hässlicher Dualshock.