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Pokémon Go: Vision Accomplished

Von Tim Herrmann am 18.07.2016

Mit Pokémon Go hat Nintendo seine Vision für Pokémon (fast) erfüllt. Doch es bleibt fraglich, wie nachhaltig der Hype wirkt.

Man muss schon lange zurückdenken, um Spiele zu finden, die einen Hype ausgelöst haben, der dem aktuellen um Pokémon Go auch nur nahe kommt. Wahrscheinlich wird man keines finden. Selbst Wii Sports und (New) Super Mario Bros. spielten in einer anderen Liga.

Nicht nur an urbanen Hotspots, sondern auch in völlig normalen Wohngebieten begegnet man in diesen Tagen problemlos zehn, zwanzig Passanten, die offensichtlich (auch) auf Pokémon-Jagd sind, mit geneigtem Kopf auf ihren Bildschirm starrend. Das war zunächst für alle Beteiligten ulkig. Schritt für Schritt kam man einander näher, dann: ein scheuer Blick nach oben, auf den Bildschirm des fremden Gegenübers. Grinsen. „Na, auch Pokémon? Hast du schon das Vulpix um die Ecke gefangen?“ Man rechnet aus der eigenen Spielerfahrung halt nicht damit, dass da jemand gerade das gleiche Spiel spielt wie man selbst.

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Mittlerweile hat sich das fast zur Normalität entwickelt. Weil Pokémon Go das beeindruckendste Massenphänomen ist, das die Spielebranche seit Jahren gesehen hat. Und das hat natürlich etwas mit Smartphones zu tun. Die Eintrittsbarriere ist minimal, die Installation der App kostet nichts und auch danach kann man das Spiel ohne größere Einschränkungen spielen, ohne etwas dafür zu bezahlen. Jeder kann’s ausprobieren, jeder kann mitmachen. Und das ist die Voraussetzung dafür, dass die Vision, die immer hinter Pokémon stand, jetzt in Erfüllung gehen kann. 20 Jahre nach der Geburt des Franchises ist es fast soweit.

„Pokémon muss man auf Handhelds spielen“

Warum sind die Pokémon-Rollenspiele immer nur auf Handhelds erschienen, trotz ständiger Nachfrage nach einem stationären Konsolenabenteuer? Weil man, so die Verantwortlichen bei GameFreak und Nintendo, den mobilen Charakter des Spiels unterstreichen wollte. Spieler sollten sich auf die Reise machen, unterwegs spielen, andere Trainer treffen, mit ihnen kämpfen, mit ihnen tauschen. Das blieb natürlich Wunschdenken, zumindest außerhalb Japans. 

Selbst die Verbreitung von Pokémon Rot / Blau reichte nicht in Sphären, die ein zufälliges Aufeinandertreffen denkbar gemacht hätten; die Limitierungen der GameBoy-Hardware, die eine Verbindung nur mit Link-Kabeln ermöglichte, ganz außer Acht gelassen. Auch die Pokémon-Sammelkarten, wichtige Bestandteile des ersten großen Pokémon-Hypes, brachten eher diejenigen zusammen, die sich dazu verabredet hatten.

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Pokémon Go muss noch interaktiver werden

Das gilt auch heute: Wäre Pokémon Go auf einem theoretisch GPS- und LTE-fähigen Nintendo 3DS erschienen, wäre es allein durch die Verbreitung der Hardware beschränkt gewesen. Die allermeisten wollen Pokémon Go schließlich nur einmal ausprobieren, aus Nostalgie, aus Interesse an AR oder weil alle es tun; kaum jemand will gleich investieren. Schließlich ist die App, die nicht Nintendo selbst entwickelt hat, ehrlicherweise auch kein wirklich gutes Videospiel.

Ihr Funktionsumfang ist sehr beschränkt, ihr Spielkonzept ziemlich rudimentär. Das ist für den Anfang auch genau richtig, um völlig unerfahrene Spieler anzufixen. Doch nach wenigen Tagen lässt die Begeisterung spürbar nach, weil nach der anfänglichen Euphorie die Dopplungen eintreten und man nach einem zweistündigen Spaziergang mitunter lediglich mit drei neuen Taubsis dasteht. Das Spiel führt nicht ausreichend schnell Abwechslung ein. Die Arenakämpfe sind anspruchslos bis unfair-hektisch, das Teamsystem nicht ausgereift.

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Diese Gameplay-Mängel sind gewissermaßen kalkuliert. Nintendo will Aufmerksamkeit auf das Pokémon-Franchise ziehen, aber keinen Konkurrenten für seine eigenen Spiele aufbauen. Das ist aus heutiger Sicht ganz schön töricht. In der App liegt ein Milliardenbusiness versteckt, das Nintendos Krampf und Kampf mit Wii U und Nintendo 3DS finanziell schnell in den Schatten stellen und wie ein Freizeithobby aussehen lassen könnte. Nicht umsonst ist der Aktienkurs in den vergangenen paar Tagen auf den höchsten Stand seit etwa sechs Jahren geklettert. Wenn nur ein Prozent der Nutzer auch nur wenige Euro bezahlt, dann stecken Millionen in Pokémon Go.

In Zusammenarbeit mit Entwickler Niantic müsste man nur den Hebel umlegen und den Titel spielerisch langfristig interessanter machen. Warum kann man nicht die fremden Menschen, denen man beim Spazierengehen begegnet, zu einem Kampf herausfordern? Warum vibriert nicht vielleicht sogar das Handy, wenn ein anderer Trainer in der Nähe ist? Warum kann man seine Fänge kaum aufleveln, um eine längerfristige Beziehung zu ihnen aufzubauen? Nintendo müsste sich einfach auf einige grundlegende Gamedesign-Tugenden besinnen, die man seit 20 Jahren in den „echten“ Pokémon-Spielen anwendet.

Denn ernsthaft zu glauben, dass die Hundertmillionenschaften von Pokémon Go-Spielern im Herbst jetzt brav einen Nintendo 3DS kaufen und das doch sehr kindgerecht aufgemachte und dadurch zielgruppenspitze neue Sonne- / Mond-Rollenspiel kaufen, wäre naiv. Nintendo muss die Spieler jetzt dort begeistern, wo sie sind. In der Pokémon Go-App. Nur so kann man seine spielerische Vision für das Pokémon-Franchise verwirklichen und damit dann auch Geld damit verdienen.

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3 Kommentare:
Knusel)
Knusel
Am 18.07.2016 um 23:47
Ich gehe gern und viel spazieren und pokemon go ist eine netter Zeitvertreib unterwegs . Aber wie hir auch geschrieben steht muss sich das Spiel sehr schnell weiter entwickeln .
1. Server Probleme beheben
2. Mehr pokemon integrieren
3. Mit anderen Spielern tauschen und
Kämpfen .
4. Tägliche Geschenke fürs spielen
5. Die Möglichkeit neue pokestops
Zu beantragen
6. Stärkeres pokemon aufkommen .
7. Avatar mehr personalisieren
Neue Klamotten in pokestops...
8. Spiel im Stand by laufen lassen und durch vibration auf pokemon
Aufmerksam machen .
9. Smart watch Unterstützung für
Tizen und Android Ware...
10. Nintendo points verdienen
Der R)
Der R
Am 19.07.2016 um 01:05
Also bevor irgendwelche neuen Features kommen, sollte die App zuerst stabiler laufen. Denn das ist für mich das größte Ärgernis bisher.
Das mit 3h durch die Gegend laufen und nur Taubsis fangen kann nur auf dem Land passieren. Sobald man schon in ein Dorf kommt mit mehreren Kirchen und Banken gibt es schonmal einige Pokestops mehr als in normalen Käffern. In den Städten ist teilweise sogar die Hölle los. Und dort gibt es - u.A. dank Lockmodulen auch bessere Pokemons. Zuletzt darf man nicht vergessen, dass mit zunehmendem Level auch die Pokemon besser werden die man antrifft. Ich denke wirklich seltene Pokemon gibt es dann erst ab einem bestimmten Level.
Okarina der Zeit)
Okarina der Zeit
Am 19.08.2016 um 19:27
Hätten lieber anstatt ein Pokemon GO
Pokemon Snap machen sollen für Smartphones
Oder generell mal ein neues Pokemon Snap für Wii U bzw NX, aber Niantic hat damit nichts am hut :>