#Schmerzhaft: Final Fantasy XV
Hin und wieder kaufe ich auf Ebay gebrauchte Spielesammlungen mit mehreren älteren Titeln. Das hat zwei Gründe: Zum einen sind Spiele im Paket meist günstiger als einzelne Spiele, zum anderen komme ich so aber hin und wieder auch an Titel, die ich mir unter anderen Umständen schlicht nie kaufen würde. Bei meiner letzten Fuhre war ein solches Spiel dabei: Boy Band Simulator 2016.
In BBS16 steuern Spieler den 17-jährigen Noctis, der mit seinem Fotografen Prompto, seinem Bodyguard Gladiolus und seinem britischen Chauffeur Ignis auf dem Weg zu einem besonders anhänglichen weiblichen Fan ist. Weil der Tour-Bus streikt, nehmen der Rocker und seine Gefährten, die alle stets nur schwarze Lederkleider tragen und auf abgefahrene Frisuren stehen, die Limousine von Noctis‘ Vater, bleiben aufgrund eines Motorschadens jedoch mitten in der Pampa stehen. Zum Glück ist in der Nähe eine Werkstatt, deren Besitzer sich bereiterklärt, die Limousine zu reparieren. Weil er Noctis als Lead-Sänger der J-Pop-Band Caelum nicht ausstehen kann, verlangt der Mechaniker aber einen viel höheren Preis als sonst üblich. Noctis, der natürlich pleite ist, wird so gezwungen ein paar Aufträge für die Enkelin des Mechanikers zu erledigen. Die junge Frau stammt der Aussprache nach zu urteilen aus dem ländlichen Süden der USA und versteht nicht ganz wie Hosen funktionieren, scheint aber ansonsten durchaus kompetent. Sie will, dass ein Hof in der Nähe von Skorpionen gesäubert wird, außerdem bittet sie Noctis und Co das letzte Nashorn in der Region zu töten.
Okay, okay… Der Titel Boy Band Simulator ist natürlich frei erfunden. Und ganz so sinnfrei wie oben beschrieben ist die Story von Final Fantasy XV nicht, aber – und das ist ein sehr großes ABER – sie ist verdammt nah dran! Tatsächlich müssen im Abschnitt oben eigentlich nur das Wort Rocker mit Prinz, und das Wort Fan mit Prinzessin ersetzt werden. Darüber hinaus muss das Ganze lediglich um ein paar Kleinigkeiten ergänzt werden. Also noch einmal:
Prinz Noctis will mit seinen Lederfetischisten in einem schwarzen Cabrio nach Altissia fahren, um dort die schöne Lunafreya zu heiraten. Die Hochzeit ist ein Teil eines Friedensvertrages zwischen den Staaten Lucis und Milfheim – pardon, Niflheim. Eine Autopanne und eine fehlende Fähre zwingen Noctis und Co allerdings dazu, belanglose Logistik- und Jagd-Aufträge für irgendwelche Hinterwäldler und einen schlecht gelaunten Mechaniker zu erledigen und zudem ein paar Nächte unter freiem Himmel zu campen. Nach einer Nacht im exklusiven Beach-Hotel erfährt Noctis dann, dass sein Vater, der König Regis Lucis Caelum CXIII, von Iedolas Aldercapt, dem Herrscher von Niflheim in der Stadt Insomnia getötet wurde. Noctis muss nun als auserwählter Thronerbe die magischen Waffen vergangener Könige finden, um mit Hilfe eines ebenfalls magischen Kristalls seine Feinde zu besiegen.
Die Story entfaltet sich leider wenig natürlich. Abgesehen von bombastischen Logikfehlern ist Final Fantasy furchtbar gut darin, dem Spieler Dinge mitzuteilen, statt zu zeigen. Texteinblendungen und kurze Dialoge treiben die Geschichte innerhalb von Sekunden weiter voran als Stunden über Stunden an erschreckend sinnlosem Gameplay. Und das gilt nicht nur für die Hauptstory. Noctis soll einen Gegenstand für einen Händler wieder einmal irgendwohin transportieren? Der jeweilige Händler wird bei der Abfahrt stets erwähnen, dass besagter Gegenstand längst im Kofferraum verfrachtet wurde. Analog dazu wird der Empfänger Noctis später mitteilen, dass er sein kostbares Hab und Gut bereits vor dem Gespräch aus dem Kofferraum genommen hat. Passende Animationen oder gar Cut-Scenes? Fehlanzeige! Was bleibt da übrig? Eine Fahrt in einer Limousine, die automatisch, völlig ohne Zutun des Spielers, von A nach B fährt und ein paar Kämpfe gegen abgedrehte Fantasy-Wesen.
Das Spiel bestätigt zudem viele Vorurteile, die ich über japanische Rollenspiele besitze. Die Charaktere mit ihren schwarzen Jacken und seltsamen Frisuren sind so klischeehaft überzeichnet, dass es mir in der Seele wehtut, ihnen auch nur ein paar Minuten lang zuzuhören. Noctis ist der auserwählte Prinz, der mit seinem Schicksal hadert. Gladiolus ist der Kraftprotz mit tiefer Stimme, der nicht weiß, wie man ein Hemd zuknöpft; Ignis ist der schlaue Brillenträger und Prompto der aufgedrehte Clown der Gruppe. Besonders der unter ADHS leidende Prompto ging mir schon nach wenigen Minuten Spielzeit gehörig auf die Nerven. Lunafreya ist wortwörtlich eine Mischung aus der römischen Mondgöttin Luna und der nordischen Liebesgöttin Freya. Während die Herren nur schwarz tragen, trägt sie nur weiß. Sie spricht in der englischen Fassung des Spiels außerdem genau wie Noctis‘ Fahrer aus irgendeinem Grund hochgestochenes britisches Englisch, während der Rest des Quartetts lediglich amerikanisches Englisch beherrscht. Cindy, die bereits zuvor erwähnte Mechanikerin, klingt und verhält sich, als hätte sie deutlich zu viele Antidepressiva mit deutlich zu vielen Energy-Drinks hinunterzuspülen versucht. Ihr Aussehen entspricht dem einer japanischen Sex-Puppe mit blonder Perücke.
Die Dialoge verlaufen so, als wären sie von Außerirdischen, denen man den traditionellen Verlauf menschlicher Gespräche nur sehr rudimentär erklärt hat, geschrieben worden. Wo reagiert ein Teenager mit einem freudigen „Yeah! Schlafengehen!“ auf die Nachricht, dass seine Freunde früher als geplant ins Bett wollen? Was zum Henker geht hier vor?
Immerhin ein Klischee bedient Final Fantasy XV nicht: Die Kämpfe laufen in Echtzeit ab. Nur deshalb hab ich mich überhaupt an das Spiel gewagt. Und, okay, die Kämpfe sind tatsächlich nicht schlecht. Noctis und seine Matrix-Freunde lassen sich schnell und ausreichend präzise steuern, die Gegner sind zudem schön abwechslungsreich. Aber die Gefechte enden viel zu häufig in einem heillosem Chaos. Es gibt einen guten Grund wieso Mario in Spielen wie Super Smash Bros. meist rote Kleidung trägt, Luigi dagegen grüne. Die Klempnerbrüder sind dadurch leicht auseinanderzuhalten. In Final Fantasy XV kämpfen dagegen vier Kerle alle in schwarzer Kleidung gegen Gruppen identisch aussehender Gegner. Da sind acht bis zehn dunkle, blitzartig umherhüpfende Charaktere auf dem Bildschirm, und einen davon soll ich steuern - toll! Davon abgesehen finde ich es schade, dass die meisten Gegner aus dem Nichts auftauchen. Da läuft man friedlich durch die Pampa, nur um dann urplötzlich auf eine Gegnergruppe zu treffen, die zwei Sekunden zuvor noch im Nirwana war. Begleitet wird das Ganze abwechselnd von pompösen klassischen Melodien oder typischer Fahrstuhlmusik, die so lächerlich wirkt, wie die in Leder gekleideten Sprücheklopfer des Spiels.
Ich hab Final Fantasy XV nicht durchgespielt. Nach rund sechs Stunden hab ich das Handtuch geworfen. Mehr schaff ich nicht. Oder besser gesagt: Mehr will ich nicht schaffen. Ich muss dennoch zugeben: Es ist nicht so, dass der Titel grottenschlecht ist. Final Fantasy XV ist im Prinzip gut spielbar. Technisch kann man dem Spiel wenig vorwerfen. Selbst die Story ist nicht soooo schlecht, wie ich sie oben darzustellen versucht habe. Mein größtes Problem mit Final Fantasy XV ist nicht der Inhalt des Spiels an sich, sondern die Art und Weise wie mir besagter Inhalt präsentiert wird. Die stellenweise gnadenlos übertriebene Theatralik, die seichten Sprüche und die lächerliche Aufmachung der Charaktere, die viel zu verzweifelt cool erscheinen wollen, zerstören mir die im Grunde ernste Atmosphäre des Spiels. Das passt einfach nicht zusammen. Ich erwarte von Videospielen keinen perfekten Realismus, doch Square-Enix‘ Fantasy-Epos behandelt Logik wie einen unbeliebten Stiefbruder, der zwar hin und wieder am Geschehen teilnehmen darf, für gewöhnlich aber lieber ins Abseits gestellt wird. Kohäsion? Immersion? Gibt’s nicht!
Ich gönne jedem Spieler, der Final Fantasy XV mag, seinen Spielspaß. Die Fachpresse hat das Spiel nicht schlecht bewertet. Auch millionenfache Verkäufe sprechen für die Qualitäten des Titels. Ein guter Freund hat nach eigener Aussage mehr als zweihundert Stunden in das Spiel gesteckt, aber für mich persönlich ist es nur eines: Schmerzhaft.
Deine Meinung zum Spiel fände ich doch bedeutend interessanter, wenn du dich etwas über die sechs Stunden hinaus bewegt hättest. Ich persönlich habe gute 24 Stunden bis zum Abspann gebraucht, in den letzten 8-10 machte es dabei in gewisser Hinsicht doch eine recht deutliche Wende die selbst dir doch besser gefallen sollte, als die nunja... Pampa, oder wie auch immer man die mieseste Open-World die ich je gesehen habe sonst bezeichnen möchte.
Einen der besten Kommentare zum Spiel ist mMn. auch dieser hier:
https://www.youtube.com/watch?v=v8lvAq_yp_w
Guck ihn ruhig mal ganz an ;)
2. Ja, das Spiel leidet unter diversen Dingen. Ich hätte Vieles näher beschreiben können (und hätte das in einem Test wohl auch getan). Das meiste von dem, was in dem Video beschrieben wird, fällt im übrigen unter den Punkt der fehlenden Kohäsion bzw Logik.
3. Der Hinweis, dass ein 24 Stunden langes Spiel nach 14 bis 16 Stunden Spielzeit anfangen könnte mir zu gefallen, motiviert mich nicht wirklich zum (weiter)spielen. ;-)
Du bringst da was durcheinander.
Square ist legendär. Enix nur ein Publisher.
Eist thematisiert, so dass er im Spiel Zimmer vorhanden ist aber nie als Überraschung gedacht war. Außerdem werden die Hintergründe der Gefährten deutlich detailreicher im Anime thematisiert wozu man dann zu Spielbeginn eine ganz andere Bindung zu denen hat. Wie schon thematisiert macht das Spiel ab der 2. Hälfte eine 180‘ Wende was den Spielablauf angeht. Mir hat das Spiel damals besonders mit wegen den Beziehungen zu den einzelnen Charakteren gefallen.
Die Kerle sind für einander da was sich bewusst auch im chaotischen Kampfsystem wiederspiegelt. Ebenso helfen sie dir wenn du am Boden liegst. Klar am Anfang ist das Spiel ein Roadtrip in denen die 3 rumalbern um Noctis auf andere Gedanken zu bringen. Im Laufe der Story wird die Beziehung der 4 aber deutlich krasser strapaziert.
FF15 ist trotzdem noch lange kein perfektes Spiel. Plottwists wurden ausgelagert und die 2. Hälfte war sicherlich anfangs nicht so gedacht. Trotzdem hatte es Aspekte die ich sonst in keinem anderen Spiel bis heute gesehen habe.
Mir persönlich hat es sehr gut gefallen, der Einstieg ins Spiel gestaltet sich wie ein Kapitel 2, wenn man zuvor den Anime und auch den Film gesehen hat. Ab ungefähr Kapitel 10 von 15 ändert sich das Spiel drastisch, die Atmosphäre stellt sich Kopf. Dieser Teil vom Spiel hat von meinen gut 85 Stunden allerdings sowieso nur einen kleinen Teil ausgemacht - und trotzdem hat er mir sehr gut gefallen, inklusive dem emotionalen Ende.
Also insgesamt für mich eine sehr schöne Erfahrung. Ich bin wohl auch der einzige, der hofft, dass FF XVI auch bleibt wie XII, XIII, XV...mal ehrlich: aus Echtzeit-Kampfsystemen kann man einfach als Spieler mehr rausholen.